indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Nationalmannschaft

Gegen die Großen der Fußballwelt kann die deutsche Nationalmannschaft nicht gewinnen; oder besser: noch nicht. Das sind die gefestigten Erkenntnisse aus der 1:3-Niederlage des Teams von Teamchef Rudi Völler gegen Spanien auf Mallorca. Allerdings hatte der verjüngte Vize-Weltmeister des letzten Jahres einige wichtige Spieler zu ersetzen und konnte das Spiel bis auf die Schlussphase offen gestalten. Der Tagesspiegel sah ein „defensives Deutschland“, die FR immerhin „eine Niederlage, die Mut macht“. Alles in allem wenig mediale Aufregung um den unbedeutenden und eigentlich gefälligen Testspielauftritt.

Demzufolge zeigen sich heute alle Tageszeitungen unisono ob der rabiaten Reaktionen der Spieler verwundert. Insbesondere der um Dominanz bemühte Kapitän Oliver Kahn, „das brüllende Zentralorgan” (FAZ), nutzte einen seiner letzten internationalen Auftritte in dieser Saison, um auf die Pauke zu hauen (Wenn ich als deutsche Nationalmannschaft hier spiele, muss ich einen ganz anderen Geist, ein anderes Herz zeigen und darf mich nicht so vorführen lassen.). Und in der taz liest man: „In hohem Bogen, aber ohne ihnen nachzublicken, warf er seine Torwarthandschuhe hinter sich. Es gab ein paar Ordner, die das Pech hatten, ihm auf seinem Marsch in die Umkleidekabine im Weg zu stehen; sie sprangen – wirklich: sie sprangen – schnell zur Seite. Noch auf dem Rasen hatte er sich mit einer rüden Geste geweigert, mit Casillas, seinem jungen, spanischen Gegenüber, das Trikot zu tauschen.“ Aber auch einige Kollegen Kahns sowie Völler zeigten sich entweder bitter enttäuscht oder übellaunig. „Vermutlich war es eine Weltneuheit, die man in Palma erleben durfte: dass Fußballer die eigene Leistung kritischer als die Kritiker betrachteten“, fasst die taz die seltsamen Wahrnehmungsdifferenzen treffend zusammen.

Erwartungsgemäß kommentierte die spanische Presse reflexhaft den Erfolg über die wenig geliebten „teutonischen Quadratschädel“ mit höhnischer Genugtuung, so dass die SZ resümieren darf: „Auf der Suche nach Anerkennung sind die Deutschen nicht vorangekommen, nicht mal auf ihrer Lieblingsinsel.“

Ronald Reng (taz 14.2.) wundert sich über die Reaktionen nach dem Spiel. “Die Niederlage im Testspiel gegen Spanien ließ bei den deutschen Spielern einen unendlichen und in der Heftigkeit verblüffenden Zorn auf sich selber zurück. Die meisten Zuschauer hatten ein gefälliges Match gesehen, wenngleich den Deutschen der letzte Einsatz, die letzte Konsequenz fehlte, ein typisches Freundschaftsspiel halt. Bloß die Mannschaft selbst sah ein Desaster. Einige bei uns müssen aufwachen und wieder verstehen, worum es in einem Länderspiel geht, zürnte Kahn, da muss mehr Herz, mehr Geist rein. Sie hätten zu wenig getan, beschwerte sich Dortmunds Verteidiger Christian Wörns, an diesem Abend der beste Deutsche, über sich selbst: Andauernd kamen wir zu spät. Und dem Bundestrainer Rudi Völler, im Bild der Öffentlichkeit der netteste Kerl von nebenan, zitterte vor Ärger der Schnauzer. Schon bei der ersten halbwegs kritischen Anmerkung verlor er auf der Pressekonferenz die Fassung: Total bescheuerte Frage, fuhr er den Reporter an. Nüchtern, mit dem Abstand von 36 Stunden besehen, waren die Wut und die Selbstbeschuldigung der Deutschen irrational überzogen. Sie hatten 75 Minuten zwar freundschaftlich unbekümmert, aber nicht viel schlechter als die Spanier gespielt (…) Diese Mannschaft wird offenbar getrieben vom Glauben, sie müsste etwas nachreichen; sie müsste ihren zweiten Platz bei der WM 2002 mit Weltklasseleistungen nachträglich rechtfertigen, weil sie auf dem Weg ins Finale in Japan und Südkorea keinen namhaften Gegner besiegen musste. Aber genau deshalb haben sie in Palma verloren: Weil sie glaubten, sie müssten wie das beste Team der Welt spielen. Vor allem die zentralen Mittelfeldspieler Jeremies und Carsten Ramelow waren zu sehr beschäftigt, sich in die Offensive einzumischen, schöne Kurzpässe zu spielen. Das, was Deutschland bei der WM stark gemacht hatte, die defensive Organisation, die physische Präsenz, kam sträflich zu kurz. Wie viel Raum und Zeit Spaniens Spielgestalter Ruben Baraja hatte, war atemberaubend.“

Christoph Kneer (FTD 14.2.) meint dazu. “Es ist ein ziemlich wunderliches Länderspiel gewesen in Palma de Mallorca, und so recht verstand hinterher niemand, warum sich ausgerechnet in Deutschlands fröhlichstem Bundesland so schwere Gedanken hineinschlichen in die deutschen Köpfe. Als Zuschauer hatte man das Gefühl, ein ganz manierliches Länderspiel gesehen zu sehen – mit einer deutschen Elf, die zumindest eine Stunde lang auch nicht schlechter Sport trieb als die Gastgeber (…) Niemand hatte die deutsche Nationalelf angeklagt, aber sie verteidigte sich trotzdem. Wenn nicht alles täuscht, hat das Team eine Art FC-Bayern-Krankheit befallen. Dort wurde von den Verantwortlichen im Sommer „das weiße Ballett“ in Auftrag gegeben, worauf die Truppe vor lauter Schönspielerei ein Weilchen vom Wege abkam, bis sie sich wieder der alten Tugenden besann. Im Falle Deutschland scheint es, als habe sich im Team unbewusst ein Revanchegedanke verselbstständigt – gegen alle, die lästern, die Mannschaft sei eher zufällig WM-Zweiter geworden. Als wollte sie der Welt beweisen, dass man Fußball spielen kann wie ein Vizeweltmeister.“

Jan Christian Müller (FR 14.2.) fühlt sich durch die Äußerungen Oliver Kahns nach dem Spiel an dessen Aussagen nach dem schmachvollen Auftritt bei der EM 2000 erinnert, aber “anders als nach der Schmach gegen Portugal, als die deutsche Öffentlichkeit dem Selbstankläger Kahn in allen Punkten Recht gab, dürfte es nach der keineswegs überraschenden Niederlage gegen starke Spanier weniger mediale Unterstützung für den Poltergeist aus München geben. Denn tatsächlich hatte eine ihrer zentralen Ideengeber von Weltklasse, Dietmar Hamann und Michael Ballack, beraubte deutsche Nationalmannschaft ja auf Mallorca lange Zeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten Fußball gearbeitet. Erst ganz am Ende, als der atemberaubende Rául und der eingewechselte Guti den verdienten Sieg fest machten und Kahn wie tollwütig den Ball gen Himmel bolzte, brach in einer durch viele Auswechslungen ihrer Statik beraubten deutschen Elf das Chaos aus. Es gibt also Anlass, milder zu urteilen, als Kahn dies getan hat (…) Rudi Völler tat es weh, dien Spiegel vorgehalten zu bekommen. Immer wieder seit seinem Amtsantritt im Sommer 2000 hatte er wiederholt, es gebe im Weltfußball keine Kleinen mehr. Jetzt muss er zähneknirschend erkennen, dass es jedoch nach wie vor ein paar Große gibt und dass Deutschland nur im Juni 2002 dazugehörte. Davor nicht und danach nicht. Dafür war die technische Überlegenheit der Spanier zu deutlich, ebenso wie die Probleme von Ramelow, Böhme, Bobic, Klose, auf höchstem internationalen Niveau auf Sicht mithalten zu können. Derlei, und das macht trotz der Niederlage durchaus Hoffnung, ist von den jungen Tobias Rau und Benjamin Lauth, die beide achtbar mitspielten, durchaus zu erwarten.“

Michael Horeni (FAZ 14.2.) rückt die Bedeutung der Tesspielniederlage zurecht. “Die Niederlage auf Mallorca war vermeidbar, individuelle Schwächen waren unverkennbar, und auch bedingungsloser Einsatz für den deutschen Fußball bis zur letzten Minute sieht anders aus. Da muß man aber nach einem Spiel, das über eine Stunde lang zwar nicht begeisterte, Testansprüchen mit Debütanten und Talenten aber allemal genügte, nicht so wie der Kapitän tun, als stünde das Ansehen der Nationalelf auf dem Spiel. Ein bißchen realistische Bescheidenheit wäre nicht das Schlechteste in einem Fußballjahr, das für die Glückskinder des vergangenen Sommers viel Qualifikationspflicht und wenig Kür im Programm bereithält. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und ansonsten neue Kräfte zu testen gehört für eine Mannschaft, die noch einen weiten Weg bis zu einem internationalen Topteam vor sich hat, zu den Herausforderungen, die einander auch mal widersprechen können. Ein bißchen weniger Kollegenschelte des Kapitäns hätte auch den Blick dafür frei gemacht, daß mit Rau und Lauth zwei Debütanten dabei waren, die sich tatsächlich noch als wertvolle Ergänzungen bis zur Europameisterschaft erweisen können. Daß der Teamchef mit seinen zahlreichen Auswechslungen nach gut einer Stunde von außen das falsche Zeichen gab, die Pflicht dieses Tages sei weitgehend erledigt, ist mindestens so ärgerlich wie manche Nachlässigkeit auf dem Platz. Diese pragmatische Zurückhaltung in einem Testspiel, die nicht zuletzt den Interessen der Bundesligavereine geschuldet ist, gehört beklagt – und wurde von den Spaniern auch gleich bestraft. Aber ein Grund, nach dieser selbstverschuldeten Niederlage gleich den Notstand auszurufen, ist sie nicht. Dafür haben der Teamchef und die Nationalspieler im Ernstfall zuviel Vertrauen gewonnen.“

Philipp Selldorf (SZ 14.2.) fragt. „Wo steht der deutsche Fußball in der Welt? Diese nationale Schicksalsfrage lässt nach dem Spiel gegen Spanien wieder mal das Land rätseln. Auf dem Globus bleibt viel Platz für Völlers Mannschaft. Man könnte sich an Resultaten orientieren und feststellen: Irgendwo vor Litauen und den Färöer- Inseln und hinter Brasilien, Holland und dem Noch-nie-Weltmeister Spanien rangiert das Team im gehobenen Mittelmaß, aber das ist eine statistische Einordnung. Sie ist von schmerzhafter und beinahe grausamer Klarheit, doch vom Geist des Buchhalters erfüllt. Anspruch und Selbsteinschätzung liegen höher, wie die zornigen Reaktionen nach dem weder peinlichen noch enthüllenden 1:3 offenbaren.“

Spielbericht SZ

Jan Christian Müller (FR 14.2.) erklärt das Nachlassen der DFB-Elf gegen Ende des Spiels. “Jetzt ist es so, dass Länderspiele wieder hineingepresst werden in den Rahmenterminkalender und es nicht verwundern darf, wenn Männer wie Klose oder Ramelow sich nicht binnen weniger Tage gedanklich aus dem Abstiegskampf verabschieden können. Oliver Kahn verlangt das zwar, aber er verlangt damit zu viel. Und er tut seinen Kollegen keinen Gefallen, wenn er sich mit seiner Brachial-Rhetorik über sie stellt, wenn er die Schwäche der anderen aus einem Gefühl der eigenen Stärke heraus kritisiert. Ein Team bringt so etwas in seinem labilen Gefüge nicht weiter.“

Zu den höhnischen Schlagzeilen in den Gazetten Spaniens bemerkt Ronald Reng (FR 14.2.). “Welch merkwürdigen Ruhm der Münchner Torwart dank all seiner Klasseparaden in den vergangenen Jahren im Ausland erlangt hat, wurde selten besser deutlich als in der Nacht von Mallorca. Jede Ballberührung Kahns brachte die rund 15.000 Spanier unter den 19.000 Zuschauern auf, sie schimpften und pfiffen. Sie sind besessen von ihm, als würde der Sieg der eigenen Elf erst dadurch großartig, ihn zu schlagen. Eine andere Sportzeitung schrieb: Päng, päng, die zwei Tore von Stürmer Rául sind gekrönt worden dadurch, dass sie gegen Kahn fielen. Es ist der klassische Minderheitskomplex des Kleinen, dem der Sieg weniger bedeutet als die Tatsache, den Großen besiegt zu haben. Und so ist es wenig verblüffend, dass der Kahn-Fanatismus in England und Spanien am wildesten ist – in den beiden Fußball-Ländern, die seit jeher große Vereinsteams und exzellente Spieler hervorbringen, aber beide seit fast 40 Jahren mit der Nationalelf keine Meisterschaft mehr gewonnen haben. So erklärt es sich auch, dass die meisten spanischen Kritiker und Nationalspieler den Erfolg nicht mit logischen Analysen kommentierten, sondern die alten Klischees herunterleierten, wie stets, wenn es gegen Deutschland geht. As sah wie immer das schlechteste Deutschland, mit null Talent.“

Jan Christian Müller (FR 13.2.) berichtet vom Spiel. „Ohne Ball war das internationale Klasse, am Ball aber leider nicht. Zu oft mussten die Deutschen auf Oliver Kahn zurückspielen, weil ihnen mitunter die technischen Möglichkeiten fehlten, gegen aggressiv angreifende Spanier spielerisch über die Mittellinie zu kommen. Sechs Spieler aus dem verloren gegangenen WM-Finale hatte Teamchef Rudi Völler aufgeboten, ohne Ballack und Hamann im zentralen Mittelfeld und ohne den kurzfristig grippekrank nach Hause geflogenen Torsten Frings fehlten aber wichtige Ideengeber. So kam es nicht von ungefähr, dass der Leverkusener Bernd Schneider neben Raul der auffälligste Spieler war. Nach Schneiders Eckball fiel das etwas überraschende 1:1. Wörns hatte gegen Jeremies Oberschenkel geköpft, von wo der Ball an Bobic Hüfte und ins Tor prallte. Fast wäre man geneigt zu sagen: Das war ein typisch deutsches Tor, genau wie Rauls atemberaubende Einzelleistung vorm 1:0 mit einem präzisen Linksschuss aus der Drehung irgendwie typisch spanisch war. er von manchen Medien aufgeregt beschriebene neue deutsche Jugendstil ließ sich im Übrigen erst in der Schlussphase in Zahlen nachweisen: Exakt 27 Jahre alt war die Elf, die Völler anfangs aufgeboten hatte. Völler bleibt sich treu – Balitsch, Freier und Lauth mussten zunächst zuschauen – und handelt damit ganz im Sinne von Oliver Kahn. „Du kannst nicht Welt- oder Europameister werden mit einer Mannschaft, die ein Durchschnittsalter von 20 Jahren hat“, hatte der Torwart zuvor wissen lassen.“

„Die deutsche U-21-Auswahl erkennt, dass andere besser sind“: Bericht über das U21-Länderspiel Spanien – Deutschland (3:1) und Reaktionen SZ

„Warum ein Wechsel von Miroslav Klose vom 1. FC Kaiserslautern zu Hertha BSC aus Berliner Sicht Sinn machen könnte?“ Diese Frage stellt sich Sven Goldmann (Tsp 13.2.). „Sollte es dem sensiblen Klose nicht um das große Geld gehen oder das Renommee, bei einem europäischen Spitzenklub zu spielen, dann ließe sich wohl etwas machen. Wie im Jahr 1999 im Fall Sebastian Deisler. Das größte Talent des deutschen Fußballs hatte Hoeneß vor vier Jahren am FC Bayern vorbei nach Berlin gelotst. Das schlagende Argument war seinerzeit ein abgestufter Karriereplan mit einer Aufbauetappe in Berlin. Deisler wurde mit 19 Jahren auf Anhieb Stammspieler, erst bei Hertha, dann in der Nationalmannschaft, ein weiteres Jahr später war der zunächst auf die rechte Seite des Fußballplatzes abkommandierte Deisler als zentraler Spielgestalter etabliert. Dass er Hertha im vergangenen Sommer Richtung München verließ, entsprach der bei seiner Verpflichtung im Geiste vereinbarten Karriereplanung, von der nach drei Jahren Hertha und Deisler profitiert hatten (…) Erfolg hatte Berlins Manager Hoeneß mit dem vorher weitgehend unbekannten Bielefelder Arne Friedrich. Der Verteidiger hinterließ mit seiner selbstbewussten Art Eindruck beim neuen Trainer Huub Stevens, nutzte das verletzungsbedingte Fehlen von Nationalspieler Marko Rehmer und stand nach gerade drei Bundesligaspielen zum ersten Mal in der Nationalmannschaft. Friedrich ist Herthas Fußball spielendes Argument für die Entwicklungsmöglichkeiten, die ein Engagement in Berlin bietet. Zwei oder drei Spieler will Hertha zur kommenden Saison noch holen. Auf der Liste stehen Spieler wie Thomas Christiansen und Paul Freier vom VfL Bochum. Und, hoffnungsvoll mit dem Bleistift hinzugefügt, Miroslav Klose.“

Interview mit Christian Ziege SZ

Weitere Länderspiele vom Mittwoch

Zur überraschenden Niederlage Englands gegen Australien (1:3) heißt es bei Raphael Honigstein (FR 14.2.). „An Niederlagen gegen Australien hatte man sich in England eigentlich schon gewöhnt. In fast jedem Cricket-, Rugby- und Tennis-Match der vergangenen Jahre zog das Mutterland gegen die ehemalige Strafkolonie den Kürzeren. Aber jetzt auch noch im Fussball? Das überaus peinliche 1:3 im Upton Park gegen die bestenfalls mittelprächtigen Socceroos hat im ganzen Land große Bestürzung ausgelöst. Eine der schlimmsten Blamagen in der stolzen und langen Fußballgeschichte, kreischte der Mirror, die Daily Mail sah England gedemütigt und die Sun plädierte nach dem totalen, kompletten Chaos und der stinkenden Niederlage gar für die Wiedereinführung des viktorianischen Strafgesetzbuchs: In der Vergangenheit haben wir die Gefangenen nach Australien verbannt, letzte Nacht hätte man unsere elf Verbrecher am besten auf eine Bootreise in die Südsee geschickt – ohne Rückfahrschein. Sven-Göran Eriksson darf vorerst weiter Teamchef auf der Insel verbleiben, aber der öffentliche Druck auf den Schweden wird stärker (…) Die grundlegenden Probleme bleiben die gleichen. Fast zwei Jahre nach seinem Amtsantritt rätseln die Experten immer noch, wie Eriksson zu dem Ruf des genialen Strategen kam, der ihm aus Italien vorauseilte. Sein starres 4-4-2-System ist voll und ganz auf die individuelle Brillanz von Kräften wie Beckham und Owen zugeschnitten, aber es gibt scheinbar keinen Plan B.“

Reaktionen in England NZZ

Spielbericht Italien – Portugal (1:0) und Reaktionen SZ

„Trotz seiner Erfolge verfügt Scolari, der die brasilianische Elf im vergangenen Sommer zum fünften WM-Titel führte, in Portugal längst noch nicht über jene Hausmacht, die ihm ruhiges Arbeiten ermöglicht“, schreibt Thomas Klemm (FAZ 12.2.) über die Arbeit des neuen portugiesischen Nationaltrainers. „Sprachprobleme hat Luiz Felipe Scolari bei seinem neuen Arbeitgeber keine. Doch viel Verständnis wird dem Brasilianer in Lissabon nicht entgegengebracht, seit er das Aufgebot für seine Premiere als portugiesischer Nationaltrainer an diesem Mittwoch gegen Italien präsentierte. Man war schlicht davon ausgegangen, daß Scolari an die Gepflogenheiten seiner Vorgänger anschließt, mehr oder minder dieselben Spieler beruft und nur dem seit der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaft angekratzten Image der altbewährten Kräfte aus Portugals Goldener Generation zu neuem Glanz verhilft. So kam die auf portugiesisch vorgetragene Liste des Brasilianers manchem einheimischen Fußballfreund spanisch vor, fehlten doch vier Namen, die scheinbar naturgemäß immer zur Selecão zählten: Torhüter Vitor Baía, Mittelfeldspieler Petit sowie die beiden Angreifer João Pinto und Nuno Gomes gehören nicht zu Scolaris erster Wahl für das Testspiel in Genua. Die Aufschreie aus den beiden Lissaboner Klubs Sporting und Benfica sowie vom FC Porto, wo die vier ehemaligen Stammkräfte unter Vertrag stehen, ließ der Vierundfünfzigjährige kommentarlos verhallen. Meine Kriterien waren der körperliche Zustand, die technische Fähigkeit und die mentale Stärke der Spieler. Daß große Stars klein beigeben müssen – damit hatte der Brasilianer schon für Aufsehen gesorgt, als er sich noch nicht Weltmeister nennen durfte. Zwar erreicht die Empörung in Portugal noch nicht jenes Ausmaß wie in Scolaris Heimat, als er sich vor Jahresfrist standhaft weigerte, den Altstar Romario mit zur WM nach Japan und Südkorea zu nehmen. Doch Mißtrauen wird nicht nur hinter vorgehaltener Hand geäußert, gehörten doch gerade Baía und João Pinto bislang zur Kaste der Unberührbaren in Portugal.“

Spielbericht Slowenien – Schweiz (1:5) NZZ

Vor dem Spiel Spanien – Deutschland

Philipp Selldorf (SZ 12.2.) bemerkt. „Vor dem ersten Länderspiel der Nationalmannschaft 2003, am Mittwoch gegen Spanien im 17.deutschen Bundesland, fällt jedem unweigerlich ein, wie schnell die Zeit vergeht. Einige erinnern sich daran, wie beim letzten Auftritt des Nationalteams auf Mallorca – bei der Vorbereitung auf die EM 2000 – Lothar Matthäus am nämlichen Ort auftrat und die Nation schockierte, weil sein Muskel „zugemacht“ habe. Dass damals einige Spieler versuchten, den Trainer Erich Ribbeck zu stürzen und durch Matthäus zu ersetzen (ein doppelt sinnvoller Putsch), erscheint einem heute genauso als Notiz aus dem Geschichtsbuch wie die Revolte des deutschen Bürgertums im Jahre 1848.“

Michael Horeni (FAZ 12.2.) kommentiert den deutschen Jugend-Trend. “Jugend allein soll kein Privileg sein. Sie sind nicht dabei, weil sie jung sind, sondern weil sie es verdient haben, beeilt sich der Teamchef zu sagen, nachdem er den Eindruck gewonnen hat, das deutsche Publikum glaube mittlerweile, die Gnade der späten Geburt reiche für eine Nominierung schon aus. Tatsächlich füllen Rau, der von Beginn an zum Einsatz kommen wird, und Lauth, der mit einer Einwechslung rechnen darf, Leerstellen beim Weltmeisterschaftszweiten aus. Auf der linken Seite fällt Christian Ziege wieder einmal wegen einer Verletzung aus – und im Angriff hat Sturmexperte Völler mit dem jungen Löwen endlich wieder einen Spielertyp entdeckt, wie wir ihn lange nicht hatten. Schnell und zweikampfstark, einer, der das Duell eins gegen eins sucht, wie Völler sagt – und es früher selber tat. Trotz der erkennbaren Qualitäten, die Quantität der Jugendbewegung, zu der auch Arne Friedrich, Sebastian Kehl, Paul Freier und Christoph Metzelder zählen, überrascht. Völler versucht zwar den Eindruck zu zerstreuen, ein paar gute Bundesligaspiele genügten, um auch in der Nationalelf für tauglich befunden zu werden. Aber genauso ist es. Was kann indes der Teamchef dafür, daß der Nachwuchs seine Chance nutzt, wenn sie ihm geboten wird? Beim Benefizspiel gegen die Ausländer der Bundesliga etwa kam Lauth kurz vor der Winterpause zu seinem ersten inoffiziellen Einsatz und erzielte zwei Tore; eins davon wurde auch gleich zum Tor des Jahres gekürt. Das junge Gesicht der Nationalmannschaft kann sich im internationalen Vergleich sehen lassen.“

Zur Stimmung im DFB-Team heißt es bei Christoph Kneer (FTD 12.2.). “Überwiegend heiter hat Mallorca das deutsche Nationalteam vor dem heutigen Länderspiel gegen Spanien in Empfang genommen, und nach einem Tag Lichttherapie hagelten dem Kahn schon die Glückshormone durcheinander. „Ist doch schön, wenn man mal rauskommt von daheim“, sagte er, „mal was anderes als immer nur Kälte, Eis und Schnee.“ Oliver Kahn ist der Ballermann des Tages gewesen, und man hat ja schon immer gewusst, dass Mallorca irgendetwas macht mit den Deutschen. Möglicherweise ist die deutsche Nationalmannschaft so etwas wie Mallorca im Februar. Sie steht wahrscheinlich kurz vor der Mandelblüte. Noch kann niemand sagen, ob die jungen Gewächse Tobias Rau, 21, und Benjamin Lauth, 21, die Rudi Völler pünktlich zum ersten Länderspiel des neuen Jahres in sein Nationalteam gepflanzt hat, es einmal bis zur vollen Blüte schaffen werden. Aber die Chancen stehen nicht schlecht. „Tobias Rau wird wohl in der Anfangself stehen“, hat Völler gesagt, und gleich im nächsten Satz sagt er, „dass es sicher junge Spieler geben wird, die auch mal wieder aus dem Aufgebot rausfallen“. So ist er, der Völler. Mit dieser Pädagogik hat er eine bestenfalls ordentliche Mannschaft bis ins WM-Finale gecoacht.“

Jan Christian Müller (FR 12.2.) über Miroslav Klose. “Der Wind hat die tief hängenden Wolken über Palma de Mallorca vertrieben. Das ist jetzt das Mallorca geworden, das wir uns erhofft hatten, sagt Rudi Völler und blinzelt gen Himmel, ich hoffe, dass sich bei dem ein oder anderen das Gemüt aufhellt. Sogar Olli Kahn lacht: Das ist der Sonneneffekt. Miroslav Klose lacht nicht. Kein Sonneneffekt. Beim Test der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien heute Abend wird der Mittelstürmer des 1. FC Kaiserslautern zunächst dabei sein. Noch sitzt Benjamin Lauth ihm nur im Nacken und nicht vor der Nase. Aber Klose spürt den Druck. Den Druck von Lauth; den Druck aus Kaiserslautern, seinem geprügelten Heimatklub; den Druck, im Abstiegskampf kaum mehr ins Tor zu treffen und jenen, sich entscheiden zu müssen für die Zukunft. Der Deutsche Fußball-Bund hat nach Absprache mit Kloses erfahrenem Berater Michael Becker die Schotten dicht gemacht. Interviewwünsche werden abgeblockt. Klose bewegt sich wie ein scheues Reh: Nichts wie weg, wenn Presse kommt. Nur so viel: Ich versuche, mich voll auf Fußball zu konzentrieren. Die Nationalmannschaft soll für den 24-Jährigen ein Ort der Zuflucht sein (…) Er war neun Jahre alt, als er mit seinen Eltern aus dem polnischen Oppeln dorthin kam. Er hat sich in Blaubach, einem Ort von kaum tausend Einwohnern, ein Haus gebaut. Er hat Zimmermann gelernt und vor vier Jahren noch in der Bezirksliga gespielt. Und dann ging alles ganz schnell, immer aufwärts, niemals abwärts. Im Dezember hat er neben Ronaldo in Madrid auf der Bühne gestanden und einen silbernen Schuh bekommen. Er hatte bei der WM im Sommer fünf Tore in drei Vorrundenspielen gemacht. Das war alles ein bisschen viel. Er ist jetzt nicht mehr der einfache, ruhige Junge aus Blaubach. Er ist jetzt sogar ein Pfandobjekt. Sein Klub hat seine Transferrechte für fünf Millionen Euro verpfändet, um an frisches Geld zu kommen. Miroslav Klose gehört jetzt der Lottogesellschaft Rheinland-Pfalz.“

Jens Mickler (FTD 12.2.) über Arne Friedrich (Hertha Berlin). „Der 23-Jährige bemüht sich, so zu bleiben, wie er ist. Auf jeden Fall ist Friedrich so etwas wie ein Prototyp für die Verjüngung der Nationalelf. Er hat sich in seinen bisher vier Einsätzen für den DFB bewährt. Aber keiner kam so schnell wie er ins Nationalteam. Friedrich hatte erst zwei Erstligaspiele absolviert, als Rudi Völler ihn berief. „Arne ist etwas Außergewöhnliches“, sagt Hertha-Manager Dieter Hoeneß über seinen Jungstar und belässt es nicht bei schönen Worten. Bis ins Jahr 2010 will der Manager seinen Juwel an den Klub binden, mit einem Langzeitvertrag über acht Jahre. Das wäre einzigartig im deutschen Fußball. „2010“ – Friedrich tippt mit dem Finger auf den Block des Reporters: „Zu diesem Thema sage ich gar nichts.“ Vor wenigen Tagen gab es aber ein Treffen mit Hoeneß und zwei Mitarbeitern von Friedrichs Berater Norbert Pflippen, in dem es um die Zukunft des Verteidigers ging. Ergebnis: Das Rentenpapier schlug der Umworbene erst einmal aus. „Ich habe noch einen Vertrag bei Hertha bis 2005. Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt Friedrich, „aber es muss jetzt kein Druck gemacht werden, dass ich irgendetwas unterschreibe. Das wäre Schwachsinn.“ Schon vor der Saison hatten auch Bayern München und Borussia Dortmund Interesse angemeldet. Friedrich hatte da jedoch schon der Hertha zugesagt und sagte ab. Nun aber will er sich offenbar alle Möglichkeiten offen halten.“

Ronald Reng (FR 12.2.) nimmt den spanischen Auswahltrainer in den Blick. “Der Baske Sáez, der als Profi in Bilbao mit drei Länderspielen zu vergleichsweise bescheidenen Ehren kam und die meisten seiner 28 Trainer-Jahre als Ausbilder von Talenten fernab der Öffentlichkeit verbrachte, baut gerade ein neues spanisches Team. Als die Nationalelf im vergangenen Sommer im WM-Viertelfinale ausgeschieden war und wieder einmal ihren Ruf als große Fußballnation bestätigt hatte, die nie etwas gewinnt, trat mit Trainer José Antonio Camacho eine Generation von Fußballern ab: Fernando Hierro, Luis Enrique und Miguel Nadal, mehr als ein halbes Jahrzehnt dominante Figuren des Teams, verabschiedeten sich. Es hat seine Logik, dass Sáez, der in den vergangenen sechs Jahren als Juniorennationaltrainer die neuen Hoffnungen heranwachsen sah, den nächsten Versuch leiten darf, endlich ein Siegerteam zu kreieren. Und wie immer, wenn im Fußball etwas Logisches passiert, wundern sich die Leute darüber, sagt Sáez. Wie könne man einem Nachwuchstrainer das höchste Amt des Fußball-Landes anvertrauen? Nun, nach einem halben Jahr, ist dieses Fragezeichen wenn auch nicht verschwunden, so doch kleiner geworden. Von den ersten fünf Partien unter Sáez, allesamt gegen ordentliche, aber keinesfalls überragende Gegner wie Griechenland oder Paraguay, hat Spanien drei gewonnen, zweimal unentschieden gespielt und nur ein Tor kassiert. Das Freundschaftsspiel gegen Deutschland heute wird nun der erste große Qualitäts-Check (…) Er hat sich gut überlegt, welchen Spielern er die Zukunft anvertraut. Manchem wie Linksverteidiger Bravo, der mittlerweile in Leeds spielt, gab er dabei einen Vertrauensvorschuss, aber das heißt nicht, dass nun ständig hoffnungsvolle Spunde so einfach ins Team kommen. Die Entdeckungen dieser Saison, der wunderbare Techniker Xabi Alonso aus San Sebastián und Stürmer Fernando Torres von Atletico Madrid, wurden gegen Deutschland nicht berufen. Wer jetzt nicht im Team ist, muss mehr leisten, als jung sein und kurz in der Liga auffallen; die Experimentierphase ist vorbei, die Hauptrollen sind vergeben: Madrids Stürmer Rául González, den alle Welt nur beim Vornamen kennt, machte Sáez zum Anführer, Verteidiger Helguera sowie Valencias energische Mittelfeldkombo Baraja und Albelda zu Eckpfeilern.“

„Sáez schafft ein angenehmes Klima“, lesen wir von Walter Haubrich (FAZ 12.2.). „Sáez, 1943 in Bilbao geboren, wird in der häufig aggressiven spanischen Sportpresse freundlich behandelt; der Nationaltrainer verhält sich im Umgang mit den Journalisten auch immer korrekt und höflich. In vielem erinnert er an Vicente del Bosque, der auch zunächst als Mann eines kurzen Übergangs betrachtet wurde. Wie del Bosque bei Real Madrid hatte Sáez für den spanischen Fußballverband lange den Nachwuchs betreut. Und das mit großen Erfolgen. Zweimal waren die spanischen Spieler unter 21 und 19 Jahren Europameister, einmal sind die Spieler unter 20 Jahren mit Sáez als Trainer Weltmeister geworden. Im Gegensatz zu seinem großsprecherischen baskischen Landsmann und Vorvorgänger Clemente ist Sáez überhaupt nicht eitel; im Vergleich zu dem zwar nicht eitlen, doch immer lautstarken und aufgeregten Camacho ist er zurückhaltend und gibt sich unauffällig. Sáez spielte zwölf Jahre zunächst als Rechtsaußen, dann als rechter Verteidiger bei Athletic Bilbao, wurde in dieser Zeit dreimal in das Nationalteam berufen, errang mit Bilbao zwei spanische Pokalsiege und einmal den zweiten Platz in der Liga. Mehrere Jahre trainierte er Athletic Bilbao und leitete eine Zeitlang die berühmte Fußballschule des großen baskischen Klubs. Die Spieler mögen den 60 Jahre alten Basken, halten ihn für loyal und gerecht. Er achtet auf Disziplin, kann also auch energisch sein, behandelt alle gleich und verhindert so übersteigerte Rivalitäten und Machtkämpfe. Selten war deshalb das Klima in der spanischen Nationalelf so gut wie jetzt unter der Regie von Sáez.“

Peter Burghardt (SZ 12.2.) meint. „Zunächst herrschte in der Verbandszentrale einige Ratlosigkeit, als Antonio Camacho nach der WM in Asien seinen Rücktritt erklärte. Ein paar Länderspiele im Jahr seien ihm in seinem Alter zu wenig, lautete dessen Begründung, er wolle wieder einen Verein betreuen (wenig später wurde er bei Benfica Lissabon fündig). Die Wahrheit war eher die Enttäuschung darüber, dass Camachos Ehrgeiz erneut im Viertelfinale gescheitert und ihn das Satireprogramm ständig wegen seiner sagenhaften Schwitzflecken veralbert hatte. Was nun? Ausländische Nachfolger drängten sich auf die Schnelle nicht auf, und die bekanntesten Spanier sind in der Liga beschäftigt: Vicente del Bosque bei Real Madrid, Javier Irureta bei La Coruña, Victor Fernandez bei Betis Sevilla. Also fiel die Wahl ersatzweise auf den stillen Assistenten und Lehrmeister der Jugend, der dem Verband ohne größeres Aufsehen bereits seit sechs Jahren zu Ruhm und Ehre verhilft.“

11.02.

Zum Stellenwert der Nationalelf in Spanien heißt es bei Harald Imberger (Tsp 11.2.). „So ganz genau weiß niemand, wie viele Deutsche auf Mallorca leben. Doch die Zahl reicht sicher in den sechsstelligen Bereich. Und darum bestreitet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine Art Heimspiel, wenn sie am Mittwoch im Stadion der Inselhauptstadt Palma zu einem Test gegen Spanien aufläuft. Dieses Match just dort austragen zu lassen, war gleichwohl nicht nur eine Geste der Hausherren. Denn nur mit dieser Örtlichkeit ist reger Publikumszuspruch garantiert. In Madrid oder Barcelona wäre das der spanischen Auswahl nie passiert, auch wenn es gegen den Vizeweltweister geht. Bei solch einem Freundschaftsmatch steigt bei den einheimischen spanischen Fans das Länderspielfieber nicht gerade an (…) Viel mehr beschäftigt die Spanier aber derzeit das immer wiederkehrende Dilemma der spanischen Autonomiebestrebungen. Zumindest der Niederländer Johan Cruyff (Ex-Spieler und -Trainer des FC Barcelona) und der Argentinier Jorge Valdano (Ex-Spieler und -Trainer sowie Sportdirektor von Madrid) waren sich kürzlich in einer Diskussion in der Zeitung El Pais einig darin, dass Spanien endlich zu einer Einheit finden müsse. „Es gibt große Unterschiede in den Mentalitäten. Hier ist man Galicier, Baske, Katalane, Andalusier. Aber wer im Nationalteam spielt, soll Spanien als Ganzes repräsentieren, obwohl er von vielen Leuten aus anderen Regionen beinahe als Feind betrachtet wird, befand Cruyff. Valdano ergänzte: „Für einen Argentinier ist es sehr wichtig, bei River oder Boca zu spielen. Aber noch wichtiger ist es, in der Auswahl zu stehen.“ Für einen Spanier gilt das nicht. Deshalb ist es ganz gut, wenn die Deutschen morgen ihr eigenes Publikum auf Mallorca haben.“

Michael Horeni (FAZ 11.2.) fasst die Äußerungen von DFB-Teamchef Völler zusammen. “Die Krise in Leverkusen und Kaiserslautern trifft ausgerechnet diejenigen Klubs, die im vergangenen Jahr entscheidenden Anteil an der Renaissance der Nationalmannschaft trugen. Unter 18 Spielern wird es nicht immer nur Gewinner geben, stellte Völler fest, aber wenn es zu viele Spieler mit Problemen sind, wird das für den Trainer nicht einfach. Die Lage vor dem ersten Länderspiel des Jahres ist eindeutig: Es sind zu viele. Denn neben den Langzeitfrustrierten kommen in Völlers Krisengruppe auch noch die am Sonntag aktuell Enttäuschten aus Dortmund hinzu, denen die Titelverteidigung zu mißraten droht. Völler weiß, daß die schlichte und beschwichtigende Rechnung, nach der die Klubs und die Nationalmannschaft in zwei verschiedenen Fußballwelten angesiedelt sind, so einfach nicht aufgeht. Manche kriegen das ohne Probleme hin. Aber manche leiden. Die können die Probleme, die sie zu Hause haben, nicht einfach wegschieben, sagt Völler, wir müssen ihnen dabei helfen. Zumal es nun nicht darum gehe, im Endspiel gescheiterte Spieler aufzurichten, sondern Spieler im Abstiegskampf. Der Druck im Meisterschaftskampf ist viel harmloser als der Druck, wenn man unerwartet gegen den Abstieg spielt. Auch in der Nationalelf kenne man das: Der Druck vor dem Finale gegen Brasilien war doch ein ganz anderer als in der Relegation gegen die Ukraine. Die Kandidaten, die nun seine Hilfe benötigten, kenne er, sagt Völler. Er war ja selbst mal einer. Der Teamchef, der den Fußball und die Seelenzustände der Profis am liebsten aus eigener Erfahrung erklärt, erinnert sich an sein erstes Jahr 1987 in Rom. Er kam nicht in Tritt – und die Nationalmannschaft war für mich ein Auffangbecken. Das war wichtig. Bei der Europameisterschaft im Jahr darauf war er wieder in Form, 1990 wurde er Weltmeister. Die aktuellen Erste-Hilfe-Maßnahmen richten sich nicht zuletzt an Miroslav Klose.“

Jan Christian Müller (FR 11.2.) porträtiert den Wolfsburger Tobias Rau. „Sechs Spieler, die nicht älter als 23 sind, haben Teamchef Völler und Bundestrainer Michael Skibbe für den Härtetest gegen die Spanier nominiert. Rau, geboren am 31. Dezember 1981, ist das Nesthäkchen. Er ist jünger noch als sein Spezi Benjamin Lauth, mit dem er seit der U 15 auch für Deutschland Fußball spielt, jünger als Arne Friedrich, Sebastian Kehl, der verletzt absagen musste, Hanno Balitsch, der für Kehl nachnominiert wurde, jünger auch als Christoph Metzelder und Paul Freier. Allesamt Typen, die für eine viel versprechende Zukunft stehen, zumeist Typen zudem, die weltgewandt, intelligent und selbstbewusst daherkommen, ganz anders, als wir damals, als wir jung waren, wie Rudi Völler anerkennend anmerkt. Typen, denen Völler es auch zutraut, erfolgreich durchs Jammertal zu marschieren, denn das wird kommen, der Tag, an dem es nicht so läuft und die Kritik schärfer formuliert wird. Tobias Rau weiß das. Er hat schon jetzt, nach Bekanntgabe seines Wechsel zu den Münchner Bayern im Sommer, gespürt, dass er anders, kritischer, beobachtet wird. Dabei ist es noch gar nicht lange her, da musste der gebürtige Braunschweiger noch in aller Herrgottsfrühe aufstehen und seinen Zivildienst auf einer Kinderstation eines Krankenhauses in Wolfsburg verrichten. Da ist es ein ziemlich großer Schritt, sich in zwei Tagen offiziell als A-Nationalspieler bezeichnen zu dürfen und in der kommenden Saison für den großen FC Bayern zu verteidigen.“

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In Frankfurt ist Frauenfußball wirklich in Mode

Volker Stumpe (FAS 1.6.) kritisiert. „In Frankfurt ist Frauenfußball wirklich in Mode. Aber das ist eine Scheinwelt.Sobald sie Männern nämlich in die Quere kommen könnten, ist es vorbei mit der vermeintlichen Gleichberechtigung, die sich die fußballspielenden Frauen in jahrzehntelanger Überzeugungsarbeit erkämpft zu haben schienen. Beim Pokalfinale in Berlin haben sie dies wieder deutlich gespürt. Sie dürfen im Vorprogramm der Männer spielen und müssen auch noch froh und dankbar darüber sein, daß sie es so weit gebracht haben. Von nun an aber heißt es: Husch, husch, Platz gemacht – die Männer kommen! Dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und offenbar auch den Fernsehsendern ist das Vorspiel der Frauen offensichtlich zu langwierig geworden. Im Bemühen, ein kurzweiliges und offenbar auch fernsehkompatibles Unterhaltungsprogramm bieten zu wollen, haben sie das Regelwerk deshalb geändert – und die Verlängerung abgeschafft. Ab sofort müssen sich die Frauen also sputen. Es geht gleich ins Elfmeterschießen, steht es nach neunzig Minuten unentschieden. Womit eine kostbare halbe Stunde gespart wäre – zum Wohle der Männer, auf Kosten der Frauen. Eine ziemlich eigenwillige Entscheidung, ein deutscher Weg (…) Wer eine ganze Saison lang vor ein paar hundert Zuschauern spielt, ist heilfroh, wenigstens einmal im Jahr vor großem Publikum in Berlin Werbung in eigener Sache machen zu können. Deshalb hatten die Frauen keine Wahl.“

Zur Lage des Schweizer Frauenfußballs NZZ

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Finanzielle Misere des 1. FC Kaiserslautern

Aktuelles Thema Nr. 1 aller Fußballberichterstattung ist die finanzielle Misere des 1. FC Kaiserslautern. Deren Anlass sind immense Steuernachforderungen seitens der staatlichen Behörden nach bekannt gewordenen Betrugsdelikten – wie z.B. verdeckte Gehaltszahlungen – des damaligen FCK-Vorstandes um Jürgen „Atze“ Friedrich an den bereits hoch verschuldeten Klub. Die Beobachter sprechen angesichts der seit einem halben Jahr nicht abbrechenden Flut von schlechten Nachrichten auf dem Betzenberg folglich von einer „Neuauflage einer Katastrophe“ (FTD). Und die FAZ befürchtet: „Ein Sanierungsfall ist der 1. FC Kaiserslautern schon länger, jetzt aber droht er ein hoffnungsloser Fall zu werden“.

In die Kritik gerät dabei auch das Lizenzierungsverfahren der Deutschen Fußball Liga (ehemals in Händen des Deutschen Fußball Bund), das bisher als das seriöseste des Kontinents galt. Im Hinblick auf die zurückliegenden Lizenzerteilungen an den von Landespolitkern protegierten Klub spricht die SZ von einer „Lizenz für einen Scheintoten“.

Weitere Themen: Steht Jens Nowotny, der Hoffnungsträger Bayer Leverkusens, vor dem Karriereende? – van Gaal in Barcelona entlassen – das Comeback des wiedergenesenen Jörg Berger auf der Trainerbank – ein sehr lesenswertes Interview mit Giovane Elber u.v.m.

Roland Zorn (FAZ 31.1.) verliert das Vertrauen. „Wie konnte es geschehen, daß die alte Vereinsführung des FCK Gelder in Millionengräber schaufelte? Wie war es möglich, daß das Land Rheinland-Pfalz, im Aufsichtsrat vertreten durch seinen Sportminister Walter Zuber (SPD), und die Stadt, dort durch Oberbürgermeister Bernhard Deubig (CDU) repräsentiert, nicht rechtzeitig und lautstark das Geschäftsgebaren des von Jürgen Friedrich geleiteten früheren Präsidiums anprangerten? Warum bekam dieser sich jahrelang als Musterverein gerierende Klub immer wieder anstandslos und frei von Auflagen und Bedingungen die Lizenz zum Mitspielen in der Bundesliga? Inzwischen herrscht überall da, wo der Klub begutachtet, testiert und kontrolliert wurde, allgemeine Fassungslosigkeit. Auch bei denen, die etwas geahnt haben mochten, aber nicht Alarm schlugen. Was zum Roten Teufel ist da geschehen, was nun, 1. FC Kaiserslautern? Dem bis heute von Stadt und Land immer wieder subventionierten Klub, der als ein Wahrzeichen der Pfalz gilt, weitere öffentliche Mittel bei seinem Kampf gegen den Untergang zufließen zu lassen, verbietet sich in finanziellen Notzeiten wie jetzt von selbst. Zu schweigen von dem unanständigen Beigeschmack, den ein Zuschußgeschäft für einen Fußball-Staatsbetrieb hätte, der Millionäre mit schamlosen Gehaltszusagen noch reicher gemacht hat. Wo Mega-Löhne offen und verdeckt ausgeschüttet, wo Spielervermittler maßlos generös mitbedient wurden, muß für konsequentes Fehlverhalten auch im nachhinein bezahlt werden.“

Ralf Wiegand (SZ 31.1.) stellt fest. „Längst trägt das sagenhafte Ausmaß der Fehlleistungen am Betzenberg kriminelle Züge, und so, wie der ehemalige FCK-Vorstand offenbar die Lage des Vereins zu verschleiern wusste, dürfen sich alle hinters Licht geführt fühlen, die sich nun um die Rettung des populären Fußballklubs bemühen. Dazu zählt auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Die hatte dem Verein im März 2002 die Lizenz ohne Auflagen erteilt und muss nun keine elf Monate später ebenfalls bibeldicke Sanierungskonzepte für das scheintote Unternehmen wälzen. Das Lizenzierungsverfahren hat Schwächen, das hat die DFL schon im vergangenen Oktober erkennen müssen, als der angeblich pumperlg’sunde Klub nur dank der Verpfändung seines besten Spielers Miroslav Klose dem Insolvenzverwalter von der Schippe sprang. Einerseits kann die DFL die Ehrlichkeit, mit der ein Verein seine Unterlagen zur Lizenzerlangung ausfüllt, vorab nicht prüfen; sie ist aber auf Wahrhaftigkeit angewiesen. Andererseits hatte das Dachgremium der Liga auch nach dem Offenbarungseid im Oktober keine Handhabe mehr, die Finanzen des FCK zu kontrollieren.“

Zum Engagement des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck beim 1. FC Kaiserslautern Thomas Kistner (SZ 30.1.). „Natürlich hilft der Landesvater auch dem heimischen Fußball, wo er kann. Letztlich hat die Pfälzer Landesregierung so immer nur wieder den Lauterer Krisenmachern geholfen, was in der kühnen Verpfändung der Transferrechte für Klose an die Lottogesellschaft gipfelte. Vorläufig. Nun startet ja die nächste Rettungstat: Eine halbstaatliche Auffanggesellschaft. Das mag die FCK-Fans freuen, richtig bekömmlich ist der chronische Polit-Aktionismus nicht für das Profigewerbe. Fußball ist Privatwirtschaft, und offenkundig hat diese den Punkt erreicht, wo ihr Marktbereinigung helfen könnte. Es wäre kein falsches Signal für andere in dieser Glücksritterbranche, endlich zu erkennen, dass eine verfehlte Geschäftspolitik nicht automatisch von willigen Politikern korrigiert wird, und auch mit Hilfe öffentlicher Gelder. Das Fritz-Walter-Stadion als Bauruine, als Colosseum der Raffke-Branche Profifußball: Kein schönes Bild, nein, aber gewiss ein heilsames.“

Wolfgang Hettfleisch (FR 31.1.) sieht den WM-Standort Kaiserslautern in Gefahr. „Schon möglich, dass der gerissene Erfolgsmanager Jäggi die Dinge so schonungslos offen legt, um die widerstrebende öffentliche Hand zu einer letzten Rettungstat zu bewegen. Erfunden aber hat er die erschreckenden Zahlen nicht. Die Drohung, notfalls müsse die Pfalz eben auf die WM verzichten, ist alles andere als aus der Luft gegriffen. Edelfan Kurt Beck ist in Zugzwang. Eine ganze Region freut sich darauf, 2006 die Welt zu Gast zu haben. Und der Ministerpräsident, der sich in den Erfolgen des FCK gesonnt hat und dessen Innenminister Zuber im Aufsichtsrat und Ex-Ministerialer Herzog als Geschäftsführer versagt haben, kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Erwirbt aber ein Käuferkonsortium unter Führung des Landes das Fritz-Walter-Stadion, wäre das mit den Grundsätzen einer soliden Haushaltsführung schwerlich zu vereinbaren. Aus dieser Zwickmühle gibt es kein Entrinnen. Keine angenehme Situation für den gern den bodenständigen Landesvater gebenden Beck.“

In der SZ (30.1.) lesen wir dazu. „Die Gerüchte werden beim Export-Bier in Bremen, beim Pils in der Pfalz oder beim Altbier am Niederrhein erzählt, und mancher hofft darauf, dass sie wahr werden. In Düsseldorf etwa, wo der Messechef Horst Klosterkemper bei den Treffen mit den WM-Organisatoren den Chef Franz Beckenbauer gerne mal beiseite nimmt und flüstert: „Vergessen Sie Düsseldorf nicht. Wenn Bedarf besteht, stehen wir Gewehr bei Fuß.“ Ob es aber tatsächlich so weit kommen wird, dass Kaiserslautern in Anbetracht der katastrophalen Finanzlage des FCK sein Privileg aufgibt, bei der Fußball-WM 2006 als Spielort zu fungieren? In Düsseldorf, wo die Enttäuschung immer noch groß ist, bei der Nominierung der WM-Spielplätze trotz des jüngst begonnenen Stadionneubaus nicht bedacht worden zu sein, weiß man darüber nichts Näheres. Man kennt nur die Gerüchte. Ähnlich verhält es sich beim gescheiterten Kandidaten Mönchengladbach, wo die Borussia seit November ebenfalls eine neue Arena baut. Die Stadt hält sich, wie Borussia-Präsident Adalbert Jordan betont, als Ersatzspielort bereit und hat daher das Angebot des WM-Organisationskomitees abgelehnt, ein Trainingsquartier für einen der prominenten WM-Teilnehmer zu stellen. Holland war dafür im Gespräch, eine interessante Offerte. Aber noch hofft man auf mehr. Dazu gibt es sogar Anhaltspunkte in Kaiserslautern: Die Baustelle an der Osttribüne liegt still.“

Martin Hägele (SZ 31.1.) hält es für denkbar, die ehemaligen Vereinsvertreter persönlich zu verantworten. „Andererseits könnten für diese Millionensummen auch die Mitglieder des ehemaligen Vorstands und Aufsichtsrats zur Rechenschaft gezogen werden, die von der Generalversammlung nicht entlastet worden waren – in Anbetracht solcher Enthüllungen kein Wunder. Gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen „Atze“ Friedrich und den gekündigten Geschäftsführer Gerhard Herzog ermittelt die Staatsanwaltschaft Zweibrücken bereits wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung (…) Der ehemalige Volksschullehrer und Wahlparty-Organisator Herzog galt stets als Schützling Becks. Und selbst nach dem schmählichen und entlarvenden Ende Friedrichs im Rahmen der außerordentlichen Generalversammlung hielt der Landesvater die Kritiker des Klubchefs mit dem Hinweis in Schach, „Herr Friedrich stammt aus einer ehrbaren Kaufmannsfamilie“. Der allerdings hatte wenige Tage zuvor einem Reporter, der ihn in seiner Boutique Atzes Menshop besuchte und auf die Gefahr der Lauterer Finanzpolitik hinwies, kühl entgegnet: „Ich bin ein Zocker.“ Der Laden für exquisite Boxer-Shorts und Krawatten mache bald dicht, heißt es in der Stadt. Dort gäbe es für den Verein nicht mehr viel zu holen.“

Nowotnys Verletzung

Anlässlich der erneuten schweren Verletzung Jens Nowotnys schreibt Gerd Schneider (FAZ 29.1.). „Daß dort, wo das meiste Geld fließt, die Verhältnisse besonders inhuman sind, sieht man an der Fußballbranche. Das System fordert seine Opfer. Es ist längst kein Einzelfall mehr, daß ein Profi – wie jetzt Nowotny – innerhalb kurzer Zeit gleich zweimal von der gleichen Verletzung heimgesucht wird. Im vergangenen Jahr zwang das doppelte Malheur auch die beiden Bayern-Stars Sebastian Deisler (Kapselreinriß im Knie) und Hasan Salihamidzic (Kreuzbandriß) abermals auf den Operationstisch. Nach seiner ersten Kreuzbandoperation hatte man Salihamidzic noch gefeiert, weil er schon vier Monate nach dem Eingriff wieder aufs Spielfeld zurückkehrte. Solange sich im Fußball nichts am aberwitzigen Terminplan ändert und nichts an der Einstellung der Trainer und ihrer ärztlichen Helfer, wird auch die Zahl an schweren Verletzungen nicht abnehmen. Im Gegenteil. Im Zweifelsfall werden lädierte Profis eben doch zu früh eingesetzt. Absurderweise rühmt man angeschlagene Spieler, die auf dem Platz humpelnd und mit gequälter Miene ihr Werk verrichten, auch noch als Helden, anstatt sie als Leichtsinnige hinzustellen. Ihren Klubs mögen sie damit zu Titeln und märchenhaften Gewinnen verhelfen – ihr eigenes Kapital, den Körper, vernichten sie.“

Jan Christian Müller (FR 29.1.) meint dazu. “Niemand wird Bayer Leverkusen oder Jens Nowotny ernsthaft vorwerfen können, er habe sein Comeback in der Bundesliga übereilt angestrebt. In aller Ruhe hatte sich der 29 Jahre alte Fußballprofi auf die Rückrunde vorbereitet. Anfang November war er wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen und hatte sich eben gerade nicht dem Druck unterworfen, noch vor der Winterpause unbedingt wieder in Pflichtspielen gegen den Ball treten zu müssen. Professionell, wie es seine Art ist, hatte Nowotny zuvor das Aufbautraining absolviert, keine Hektik verbreitet und nichts dem Zufall überlassen. Ein perfekter Patient, dieser nahezu perfekte Abwehrspieler.”

Interview mit Eintracht-Arzt Seeger über das Problem Knie bei Fußballern FR

„Ärztestreit über ein Knie“ SZ

Weiteres

Michael Horeni (FAZ 29.1.) schreibt über den wiedergenesenen Trainer von Alemannia Aachen. “Jörg Berger sieht aus, als käme er gerade aus den Ferien. Sein Gesicht ist braun gebrannt, und die weißen Schläfen und der weiße Kragen über dem schwarzen Pullover bringen die Frische besonders vorteilhaft zur Geltung. Den Teint hat sich der Trainer von Alemannia Aachen vor ein paar Wochen in Belek in der Türkei während des Trainingslagers zugelegt. Und wer Jörg Berger am Montag beim 1:1 im ersten Punktspiel des Jahres beim SC Freiburg sieht, könnte meinen, einen 58 Jahre alten Fußballtrainer vor sich zu sehen, dem ein wunderbar leichtes Leben vergönnt ist. Daß ich heute hier bin, ist ein Wunder – für mich und die Ärzte, sagt Berger, nachdem er nur gut zwei Monate nach seiner Krebsoperation erstmals wieder bei einem Punktspiel auf der Bank gesessen hatte. Der Stadionsprecher begrüßt den Rückkehrer vor Spielbeginn, und das Publikum applaudiert lange. Einige alte Bekannte sind gekommen, um mit ihm die Freude zu teilen. Berger ist bemüht, auch an diesem Tag den Fußball in den Vordergrund zu stellen. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel spricht er ausführlich nur zur sportlichen Sache. Erst auf Nachfrage äußert er sich zu seiner Rückkehr und der Krankheit. Natürlich hätten sich nun ein paar Dinge geändert, sagt Berger. Aber ein neuer Mensch sei er durch den Krebs nun auch wieder nicht geworden. Er will nicht zu pathetisch klingen, aber den Sinn einiger Worte, die im Fußball ganz schnell und oftmals unbedacht benutzt werden, habe er mittlerweile neu entdeckt. Schicksalsspiele zum Beispiel. Oder Niederlagen. Oder Angst. Das sieht er nun alles etwas anders, gelassener, in anderen Relationen: Ich weiß, was Angst ist.“

Sehr lesenswert! Interview mit Giovane Elber Zeit

Portrait Elber Tsp

Portrait Michael Rensing, ab nächster Saison Ersatztorhüter des FC Bayern SZ

„Hannover holt Popescu und schaut gespannt auf Trainer Ragnick“ SZ

Matthias Kittmann (FR 30.1.) fragt. „Was ist denn mit den deutschen Fußballerinnen los? Während der Europameisterschaft kein Spiel verloren, während der WM-Qualifikation auch nicht – und nun gab es beim Vierländer-Turnier in China keinen einzigen Sieg. Und nicht nur das: Bei den glücklichen Unentschieden gegen China und Norwegen war von Spielkultur und Ballkontrolle nicht viel zu sehen. Ausgerechnet im Jahr der WM. Gleichwohl kein Grund zur Panik. Zum einen sind die Turniergegner China, Norwegen und die USA die Top-Frauenfußballnationen der Welt. Also genau jene Konkurrenten um die WM-Medaillen. Da deckt man nicht alle Karten auf. Zum anderen kamen die Deutschen direkt aus der Winterpause ohne Wettkampfpraxis, während Chinesinnen und Amerikanerinnen längst zur WM-Vorbereitung zusammengezogen sind (…) Am kritischsten aber muss der Blick in die Zukunft ausfallen. Denn hinter der aktuellen goldenen Generation der 24- bis 30-Jährigen klafft eine deutliche Lücke. Bis auf Linda Bresonik und Martina Müller konnten sich die übrigen Nachwuchskräfte auch nicht annähernd aufdrängen. Eine Erkenntnis, die nachdenklicher stimmen muss als die Ergebnisse.“

Van Gaal in Barcelona entlassen

Zur Entlassung von Barca-Coach van Gaal heißt es bei Walter Haubrich (FAZ 29.1.). „Louis van Gaal wurde kurz nach Mitternacht in einem Charterflugzeug seines Amtes als Trainer des FC Barcelona enthoben. Mannschaft, Vorstand und Trainer flogen nach dem 0:2 verlorenen Spiel gegen Celta de Vigo nach Barcelona zurück. In der Mitte des Flugzeugs saßen nebeneinander der Vereinspräsident Gaspart und der Trainer van Gaal. Die Spieler auf den vorderen Sitzen vermieden es zurückzuschauen; die Journalisten in den hinteren Reihen versuchten erfolglos, etwas von dem Gespräch zwischen Trainer und Präsident mitzubekommen. Nach einer ruhig begonnenen Unterhaltung wurde der Dialog plötzlich heftig, van Gaals Gesicht lief rot an und näherte sich dem Gasparts. Der Präsident bewegte abwehrend seine Hände. Er hatte dem Holländer gerade mitgeteilt, was diesem eigentlich schon bekannt sein mußte: Sollte das Spiel in Vigo verloren werden, so hatte der Vorstand angedeutet, werde der FC Barcelona sich von van Gaal trennen. So schlecht stand es um die große Fußballmannschaft Kataloniens seit Jahrzehnten nicht mehr. Bei der Ankunft auf dem Flughafen Barcelona benutzten Gaspart und van Gaal getrennte Ausgänge. Die Wut der wenigen Barça-Anhänger auf dem Flugplatz richtete sich gegen Gaspart. Sie forderten dessen Rücktritt, doch dieser tat das, was zahlreiche Vereinsvorsitzende tun, um sich selbst zu retten: Er opferte den Trainer, der in Barcelona nur wenige Freunde hatte, für den jetzt aber schon manche Mitleid empfinden. Gaspart hatte van Gaal gegen die Proteste zahlreicher Mitglieder vor acht Monaten zurückgeholt und ihm einen hochdotierten Dreijahresvertrag gegeben. Mit Einwilligung – vielleicht sogar auf Wunsch – van Gaals ließ Gaspart den Stürmerstar Rivaldo ziehen. Der holländische Trainer bevorzugte, wie in den Jahren zuvor, seine Landsleute bei der Mannschaftsaufstellung zum Nachteil der südamerikanischen Ballkünstler.“

Dahingegen meldet Ronald Reng (FTD 29.1.). „Bis Morgen!“, rief Louis van Gaal, als er am Montagabend nach Arbeitsschluss das Stadion Camp Nou des FC Barcelona verließ. Aber es gab kein Morgen mehr. Noch in derselben Nacht bekam der niederländische Trainer in seinem Haus im Seebad Sitges Besuch von zwei Angestellten des Fußballklubs, die ihm die jüngste Verfügung des Präsidiums beizubringen versuchten: seine Entlassung. Etwas ging zu Ende in jener Nacht – mehr als das bloße Arbeitsverhältnis zwischen einem der berühmtesten Fußballvereine der Welt und einem der erfolgreichsten Trainer der Zunft. Die Reputationen von Barca als Club und von van Gaal als Fachmann nahmen einen Schaden, von dem sich beide nicht so schnell erholen werden. Verflogen ist die Illusion, dass dieser Trainer, der spätestens seit seinem Champions-League-Gewinn 1995 mit Ajax Amsterdam als taktischer Meister galt, auch aus mittelprächtigen Spielern eine große Mannschaft basteln kann. Und die Hoffnung, dass Barcelonas Führung unter Präsident Joan Gaspart endlich eine klare Linie findet, scheint verloren (…)Tatsächlich hat van Gaal seinen Teil zum sportlichen Niedergang beigetragen, seit Wochen schon diktierte die Angst vor der Niederlage seine Mannschaftsaufstellungen, die immer haarsträubender wurden, er verrannte sich in einen persönlichen Machtkampf mit dem argentinischen Spielmacher Román Riquelme, am Ende schließlich machte er den größten Fehler von Trainern in der Not: Er suchte zu große Nähe zu den Spielern, ließ sie bei taktischen Entscheidungen mitbestimmen. Doch in Wahrheit war van Gaal nur der ärmste Bauer in einem Schachspiel, in dem das Präsidium einen selbstzerstörerischen Zug nach dem anderen setzte. Kein Trainer der Welt hätte mit den vorhandenen Profis die Ansprüche des FC Barcelona erfüllt, die spanische Liga und die Champions League zu gewinnen.“

Zur Situation von Florentia Viola (Nachfolgeklub des traditionsreichen AC Fiorentina) in der vierten italienischen Liga SZ

„Warnsignale für die Fussball-EM-Endrunde – Organisatorische Mängel an der Handball-WM in Portugal“ NZZ

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Wenn das Leben sauer wie eine Zitrone ist, mache ich süße Limo draus

Nach schwachem Spiel hat sich Gerd Schneider (FAZ 22.4.) umgehört. „Wenn die Mikrofone ausgeknipst sind im Presseraum des Frankenstadions und die Trainer die Bühne geräumt haben, schlägt die Stunde des Michael A. Roth. Auch nach dem deprimierenden 0:0 ließ sich der allmächtige Präsident des 1. FC Nürnberg nicht lange bitten. Unverblümt sprach er über den schlimmsten Fall, den sechsten Bundesliga-Abstieg des Clubs. Dann ließ er sich über die Qualität der Nürnberger Stürmer aus (,,Auf der Lohnliste stehen mindestens fünf, aber heute hat man ja die Granaten auf dem Platz gesehen) und stellte nebenbei auch seinen Trainer Klaus Augenthaler in den Senkel. Augenthaler hatte vor dem Spiel den zum VfB Stuttgart wechselnden Brasilianer Cacau suspendiert – aus disziplinarischen Gründen. Ich habe davon aus der Presse erfahren, das war ein bißchen unglücklich. Gerade jetzt brauchen wir jeden Stürmer, sagte Roth und kündigte sogleich Cacaus Comeback im nächsten Spiel an. Selbst die garstige Frage nach dem möglichen Bundesliga-Aufstieg des ungeliebten Nachbarn Greuther Fürth brachte den Teppichmogul nicht von seinem Steilangriff ab. Dann gehe ich halt nach Fürth, konterte er. Roth hatte selbst am Samstag nicht seinen schwarzen Humor verloren. Wenigstens einer. Die restlichen Anhänger des fränkischen Traditionsklubs machten sich dagegen mit schweren Herzen auf den Heimweg. Selbst die notorischen Optimisten unter ihnen fühlten sich der letzten Hoffnung beraubt, daß es doch noch eine Chance auf eine erstklassige Zukunft gebe. Konfus, phantasielos, grobmotorisch: so bekämpften beide Teams die Vorstellung, daß Fußball etwas mit Ästhetik, Gewandtheit und taktischer Finesse zu tun habe. Der einzige, der Farbe ins Spiel brachte, war der genauso schlechte Schiedsrichter Peter Gagelmann. Der zur Pedanterie neigende Unparteiische verteilte in diesem harmlosen Spiel Gelbe Karten en masse und zeigte zweimal Gelb-Rot (…) Torwart Darius Kampa, am Samstag der einzige Mann auf dem Platz mit Erstligaformat, erstaunte seine Zuhörer später mit der Behauptung, daß wir heute phasenweise sehr guten Fußball gespielt haben. Das klang ein bißchen wie das Motto eines Mentaltrainers, dem sich die Nürnberger seit zwei Wochen anvertrauen. Der Mann sagt: Wenn das Leben sauer wie eine Zitrone ist, mache ich süße Limo draus. Viel Zeit bleibt ihm für dieses Wunderwerk nicht mehr.“

Einen Pass nach vorn und dann zwei zurück

Volker Kreisl (SZ 22.4.) sieht schwarz für den „Club“. „Wenn diese Phrase bemüht wird, besteht Gefahr. Klaus Augenthaler ahnte die Wirkung seiner Worte vielleicht und entschuldigte sich vorauseilend. Das höre sich jetzt wohl etwas abgedroschen an, sagte er, als er zum Kern seiner Analyse kam. Nun ja, er müsse es aber dennoch so sagen, und dann sagte er es: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Tröstend soll das klingen, doch im Fußball beschreiben die vier Wörter längst den Niedergang. Torwart Darius Kampa brachte diesen Niedergang auch ungewollt zum Ausdruck, als er den Einsatz seiner Mitspieler lobte, an die Unberechenbarkeit des Fußballs erinnerte und doch irgendwann hilflos wirkte. „Was soll ich sagen?,“ fragte er in eins der bunten Mikrofone, „seit Wochen stehe ich hier und erkläre immer dasselbe.“ Seit Wochen gibt es manchmal Zeichen der Besserung beim 1. FC Nürnberg und dann wieder deutliche Rückschläge. Der Club hat eine Fußballmannschaft, die einen Pass nach vorn spielt und dann zwei zurück, und so bewegt sich der Verein auch in der Tabelle: Insgesamt geht es bergab. Die Mannschaft aus Bielefeld spielte, als wäre sie innerlich blockiert, die Chance für Nürnberg war unerwartet groß, drei Punkte gegen den Abstieg zu holen. Doch die eigenen Feldspieler in Kampas Blickfeld erwiesen sich als noch blockierter.“

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Leverkusen in Liga Zwei

„Kopf hoch, Bayer, in der 2. Liga reicht auch Platz zwei. Diese Aufschrift eines Transparent der gegnerischen Fans aus Hamburg deutet es an. Leverkusen wird gegebenenfalls mit Schadenfreude in Liga Zwei verabschiedet werden. Das Mitleid der Ohrenzeugen erweckt allenfalls Trainer Thomas Hörster, der – mehrere Zeitungen berichten es – nach der 1:4-Niederlage bestätigt haben soll, er habe die Zuversicht auf den Klassenerhalt verloren. Darin erkennt die SZ einen überraschenden Trend: „Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit hat Konjunktur. Es ist ein seltsames Phänomen, ein Pessimismus, den Fußballtrainer normalerweise mit aller Macht bekämpfen, diesmal aber erreichte er früh schon Cottbus, er herrscht in Nürnberg vor und gedeiht nun auch prächtig in Leverkusen.“ Wenn sie Abstiegskampf und Existenzangst vermissen, spekulieren Beobachter gerne über die Ursachen solcher wehrlosen Auftritte. „Liegt es wirklich im Rahmen des Möglichen“, fragt die taz, „dass sich Profis nicht alles abverlangen, um sich durch attraktive Ablösefreiheit im Falle eines Abstiegs einem neuen Verein für die kommende Saison anzunähern?“ Ein schlimmer Verdacht.

Dahingegen hat der Meister der laufenden Saison alle (sportlichen) Bedenken nachdrücklich ausgeräumt. „Der FC Bayern muß nichts mehr verteidigen und nichts mehr erobern, und doch hat er noch einmal nach Herzenslust angegriffen. Ein nachahmenswertes Beispiel. Die Sorge, die Bayern könnten als vorzeitig feststehender Meister die letzten Spiele schon in den Urlaub integrieren, ist dagegen verflogen“, schreibt die FAZ nach dem 6:3 in Berlin .

Zweifel am Arbeitsethos

Rainer Seele (FAZ 12.5.) analysiert das Wesen des Abstiegskampfs. „Das Ende naht, die Grenzen werden spürbar. Damit soll in diesem Fall weniger die körperliche Erschöpfung von Fußballspielern auf den Schlußrunden der Saison gemeint sein. Es lassen sich, kurz vor Bundesliga-Ultimo, schließlich nicht nur Studien über die Fitneß von Berufssportlern anstellen, sondern – was wesentlich interessanter erscheint – auch über Charaktereigenschaften. Über die Berufsauffassung von Profis vor allem, über ihr Arbeitsethos, das mancherorts zu wünschen übrigläßt. Zwei Spieltage also noch, zweimal Gelegenheit, Verluste abzuwenden, Bilanzen zu schönen – doch nicht jeder Betroffene hat daran noch ein massives Interesse. Das ist eine bemerkenswerte, eine nachdenklich stimmende Erkenntnis dieses Wochenendes, an dem beispielsweise für Bayer Leverkusen und den 1. FC Nürnberg wieder eine Zitterpartie und eine Nervenprobe auf dem Programm standen. Doch weder die einen noch die anderen, beide am Abgrund taumelnd, erweckten den Eindruck, sich bedingungslos gegen das drohende Unheil stemmen zu wollen.“

So coacht man eine Mannschaft hinein in den Abstieg

Josef Kelnberger (SZ 12.5.) beschreibt Strategien, mit dem drohenden Sturz in Liga zwei umzugehen. „Gibt es noch irgendwo Trost für die Tod geweihten? Es wird auf dem Fußballplatz doch nur symbolisch gestorben, Herr Hörster, genau wie auf der Theaterbühne. Deshalb sei an dieser Stelle ein Ausflug zum österreichischen Schauspieler Klaus Maria Brandauer gewagt und zu dessen Liebeserklärung an seinen steirischen Heimatort Altaussee. Wenn dort Musik aus dem Wirtshaus dringe, erklärte er im Interview, wisse man nie, ob gerade eine Geburt, eine Hochzeit oder eine Beerdigung gefeiert werde. Ein schönes Bild für die Gelassenheit im Umgang mit Werden und Sterben wäre das: die Bundesliga als ein riesiges Wirtshaus, wo Meisterschaft und Abstieg gleichermaßen hingebungsvoll begossen werden, Ottmar Hitzfeld und Thomas Hörster Arm in Arm im Wirtshaus von Altaussee. Jenseits des Friedhofs-Geredes scheinen sich die Mannschaften ohnehin schon auf dem Weg der Erkenntnis zu befinden: Cottbus: 0:3 gegen 1860. Nürnberg: 1:4 in Dortmund. Leverkusen: 1:4 in Hamburg. Kein verkrampftes Verteidigen mehr, macht hoch die Tore. Auch im Unvermögen liegt ein gewisser Charme, und niemand verkörpert diesen Reiz besser als Thomas Hörster. Das hat man noch von keinem Trainer im Abstiegskampf gehört, dass er nach einer Niederlage Zitate streute wie: Damit müsse er selbst erst einmal klar kommen, nach dieser Leistung habe er alle Hoffnung aufgegeben. Genau so coacht man eine Mannschaft hinein in den Abstieg. Aber vielleicht liegt darin gerade eine Marktlücke für die oft wegen ihrer Verbissenheit gescholtene Bundesliga – in der Großzügigkeit im Untergang.“

Nerven aufreibender Kampf im Herzen dieser Nebelbank

Dahingegen erläutert Thomas Hahn (SZ 12.5.) die Spannung im Mittelfeld. „Der UI-Cup erinnert bei falscher Aussprache ein bisschen an ein Theater der kleinen Wunder, bei dem das Publikum immer wieder in freudiges Erstaunen gerät („Uiii!“). Tatsächlich ist UI die Abkürzung für Uefa Intertoto, womit auch der wenig poetische Hintergrund des Turniers klar wird: Der Kontinentalverband Uefa braucht auch im tiefen Sommer Stoff fürs Sportwettengeschäft. Doch der hohe Wert bleibt: Europas bessere Hinterbänkler bekommen eine Chance und damit jene ein Ziel, die eigentlich schon alle Ziele verloren haben. Genießen wir also nicht mehr nur die Pirouetten des Meisters, die Scharmützel um Champions League- und Uefa-Cup-Teilnahme, das Wettrennen gegen den Abstieg. Sondern fiebern wir auch mit beim Nerven aufreibenden Kampf im Herzen dieser Nebelbank, die in der Bundesliga die schmale Lücke zwischen Gut und Schlecht schließt. Schauen wir hin, wenn die beiden wichtigsten Vertreter der Mittelklasse, 1860 München, auch genannt „die Löwen“ (roarr!), und der VfL „die Wölfe“ Wolfsburg, ihr Fernduell ausfechten. Platz acht ist ihr Himmel. Dafür arbeiten sie: Ein bisschen mittelmäßiger sein als der Gegner, um wieder einzutauchen in den erlesenen Kreis der Provinzmannschaften. Constructorul-93, Slaven Belupo, FH Hafnarfjödur. Im UI-Cup tun sich neue Welten auf und vielleicht ein Schlupfloch in den Uefa-Cup, den UI-Cup für Erwachsene.“

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Zum Kugeln! if-Leser erzählt drei dolle Eigentor-Geschichten

„Hallo Herr Fritsch! Zunächst einmal auch von mir ein dickes Lob für den indirekten Freistoss – weiter so! Ich habe einen Text beigefügt, der mich vor kurzem per mail zum Thema Eigentore erreichte; können Sie das bestätigen? War das wirklich so? Zunächst zum Spiel zwischen Thailand und Indonesien beim Tiger Cup 1998. Der Sieger der Partie sollte in der nächsten Runde auf den hohen Favoriten Vietnam treffen, deshalb strengte sich keine der beiden Mannschaften besonders an. Wenige Minuten vor dem Ende (es stand 2:2), entschieden sich die Indonesier, das Ganze durch ein Eigentor zu entscheiden. Die Spieler aus Thailand bekamen diesen Plan jedoch mit und eilten geschlossen nach vorne, um das indonesische Tor zu verteidigen! Das gelang ihnen bis zur Nachspielzeit. Dann konnte Indonesiens Torwart Mursyid Effendi endlich den Ball in seinen Besitz bringen, woraufhin er sich umdrehte und das Spielgerät ins eigene Netz pfefferte. Der ungewollte Sieger Thailand verlor das Halbfinale gegen Vietnam, aber der frohe Verlierer Indonesien unterlag ebenfalls (gegen Singapur). Beide Mannschaften erhielten eine Geldstrafe, und Effendi wurde lebenslänglich gesperrt.

Aber es geschehen noch seltsamere Dinge: 1994 galten für die Meisterschaft der Karibik (damals Shell Cup genannt) einige ungewöhnliche Regeln, die unter anderem daher rührten, dass die FIFA mit dem Golden Goal experimentierte. So wurden bei Unentschieden auch die Gruppenspiele verlängert und im Sudden Death entschieden. Nun ergibt sich bei dieser Praxis natürlich die Frage nach dem Torverhältnis, denn es kann ja für ein Team von Nachteil sein, dass es in der Verlängerung nicht mehr als einen Treffer erzielen kann. Um einen solchen Fall auszuschließen, wurde festgelegt, dass ein Golden Goal doppelt zählt. Das führte prompt zum vielleicht witzigsten Spiel der Fußballgeschichte: In der Vorrundengruppe A spielten Barbados, Grenada und Puerto Rico. Am 23. Januar gewannen die Puerto Ricaner mit 1:0 gegen Barbados, zwei Tage später unterlagen sie Grenada, ebenfalls mit 1:0. Hier kommen schon die Regeln in Spiel, denn dieses Tor fiel in der Verlängerung, zählte also doppelt, womit Puerto Rico ein Torverhältnis von 1:2, Grenada eines von 2:0 aufwies. Am 27. Januar trafen nun Barbados und Grenada im abschließenden Spiel aufeinander. Barbados konnte noch Erster werden, wenn es mit zwei Toren Unterschied siegt; Grenada reichte eine knappe Niederlage zum Weiterkommen. Barbados ging rasch 2:0 in Führung, aber sieben Minuten vor dem Ende gelang Grenada das wichtige Anschlusstor. In den Reihen der Akteure aus Barbados machte sich nun nicht nur Verzweiflung breit, sondern vor allem große Verwirrung. Würde man in nur sieben Minuten noch das 3:1 schaffen? Oder wäre es nicht besser, per Eigentor das 2:2 zu schießen, das Spiel in eine 30-minütige Verlängerung zu schicken und auf ein Golden Goal zu hoffen, das dann ja zum Endstand von 4:2 führen würde? Als Grenada nun mitbekam, was das Team von Barbados plante, war es in der misslichen Lage, gleich beide Tore verteidigen zu müssen! Das gelang allerdings nur wenige Minuten lang, dann schoss Barbados ein absichtliches Eigentor zum 2:2. Damit aber noch nicht genug. Als die Spieler nun wieder zum Anstoß am Mittelkreis standen, ging Grenada auf, dass man – bis zur drohenden Verlängerung – nun selbst ein Eigentor schießen musste, denn eine 2:3-Niederlage reichte dem Team ja. Was zu dem Szenario führte, dass es nun die Fußballer aus Barbados waren, die in den letzten Sekunden beide Tore – auch das von Grenada – gegen die Fußballer aus Grenada verteidigten. Sie taten das mit großem Erfolg, denn Barbados rettete das Spiel nicht bloß in die Verlängerung, sondern schoss in der 94. Minute auch das entscheidende Golden Goal (diesmal ins richtige Tor) und gewann 3:2, also 4:2. (In der Zwischenrunde hielt sich Barbados achtbar, schied aber nach zwei Unentschieden aus, weil man die dritte Partie gegen den späteren Turniersieger Trinidad/Tobago 2:0 verlor.)

Im Oktober 2002 kam es bei einem Erstligaspiel in Madagaskar zu einem folgen- und torreichen Streit zwischen dem Schiedsrichter und dem Trainer des Teams Stade Olympique l Emyrne. Aus Protest gegen den Referee begannen die Spieler von Stade Olympique Eigentore in Serie zu fabrizieren, und die Partie endete mit 149:0 für den Gastgeber AS Adema. Diese Anekdote machte auch in deutschen Zeitungen die Runde, obwohl ihr Wahrheitsgehalt nicht abschließend geklärt werden konnte. Gesichert sind jedoch zwei andere Fälle, in denen Teams absichtlich Eigentore erzielten, wenn auch der zweite dieser Fälle noch unglaublicher klingen mag als ein149:0.”

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Dynamo Dresden

Markus Völker (taz 11.4.) gratuliert. „Gedanken an Dynamo Dresden kreisen bisweilen träge in der Gegenwart. Erst wenn sie in die Vergangenheit springen, findet eine merkliche Beschleunigung statt. Dynamo ist immer noch eine gute Adresse, sagt Reinhard Häfner gestelzt und im gedanklichen Schritttempo. Häfner war Stürmer und ist jetzt Sportdirektor. Weil er aber die Geschwindigkeit eines Gedankens, der im Gedächtnis von Synapse zu Synapse hüpft, vorzieht, erzählt er schnell von den großen Tagen, vom Spiel gegen Bayer Uerdingen zum Beispiel. Und das ging so: Dynamo führte zur Halbzeit mit 3:1 – und verlor 3:7. Ein kurzer Anstoß genügt, damit Häfner kopfüber in die Partie hineinkippt. Er erzählt von der schnellen Führung und rechtfertigt die Niederlage, als säße ihm der Parteisekretär noch immer im Nacken wegen der Schmach beim Klassenfeind. Der Frank Lippmann habe rübergemacht und der Torwart musste raus, ein ganz junger rein, zählt Häfner die Nachteile der Gelb-Schwarzen auf. Außerdem war mit dem Schiedsrichter was nicht in Ordnung. Das Spiel ist ein paar Jahre her und zur Anekdote geschrumpft. Dynamo Dresden öffnet derzeit seinen Anekdotenschrank aus fünf Jahrzehnten. Dynamo wird am morgigen Samstag 50. Im Filmtheater Schauburg wurde die Gründung über die Bühne gebracht. Ein gewisser Tülch, Oberstleutnant der Volkspolizei, übernahm die Vereinsführung. Lokalzeitungen haben nun die Leser aufgerufen, die Dynamo-Mannschaft aller Zeiten zu wählen. Häfner wird dabei sein. Auch Dixie Dörner, Ralf Minge, Matthias Sammer und Ulf Kirsten. Die alten Dynamos werden zusammenkommen, sich die Bälle zuspielen und ein paar Bier kippen. Das Klassentreffen wird irgendwann, nachdem die Heldengeschichten erzählt sind, in eine larmoyante Bestandsaufnahme des Dresdner Fußballs münden. Dynamo spielt in der Regionalliga. Es fehlt an Geld, guten Spielern, einem tauglichen Stadion – und der Bereitschaft der Politiker, dem Fußball zuzuarbeiten.“

Interview mit Klaus Sammer über Dynamo Dresden BLZ

Gewinnspiel für Experten

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1:2 gegen den FC Barcelona

Nach dem 1:2 gegen den FC Barcelona geht die deutsche Sportpresse mit dem Team aus Leverkusen hart ins Gericht, was als Beleg dafür herhalten kann, dass die Erwartungen an den Vorzeigeklub des letzten Jahres inzwischen deutlich gewachsen sind. Vor Jahresfrist wäre eine solche Niederlage in letzter Sekunde gegen die renommierten Katalanen als unglücklicher Auftritt eines couragierten Außenseiters beurteilt worden. Nunmehr jedoch zeigt sich die FAZ enttäuscht, dass die Bayer-Elf die Erfahrungen der letzten zwölf Monate nicht in wertvolle Routine umwandeln konnte: „Der Finalist der vergangenen Saison kam sich wie im ersten Champions-League-Lehrjahr vor.“ Das Fazit des Tsp gilt folglich nicht nur für die zunächst sehr defensiv agierenden Spanier, sondern gleichzeitig für die Kategorien der hiesigen Beobachter: „Die Unterschätzten aus Leverkusen sind zu Überschätzten geworden.“

Was im Vorjahr noch als Angriffslust ausgelegt wurde – nämlich der Wille zum Torerfolg bis zum Schlusspfiff –, wirft man den Leverkusenern heute als Naivität vor. Ein Detail: Damals glückte dem Team nahezu alles, während heute meist vermeintliche Kleinigkeiten das zuvor mühevoll Erreichte wieder zerstören. Dieses mal „landete der Wanderpokal für spielentscheidende Fehler bei Diego Placente“, heißt es in der SZ. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass der Bonus, den sich Bayer bei den Fußballfreunden und -experten durch seinen Parforceritt in der Vorsaison erspielt hatte, aufgebraucht ist und nun in Form von unnachsichtiger Kritik wie ein Bumerang zurückkommt.

Außerdem: Berichte aus Moskau, Mailand, Berlin u.v.m.

Bayer Leverkusen – FC Barcelona 1:2

Bernd Müllender (taz 29.11.) schreibt zum Spiel. „Individuelle Fehler, Kleinigkeiten mit großer Wirkung, alles ansprechen, vorbereiten, aber dann geht es wieder von vorne los: Und spieltäglich grüßt das Murmeltier. Die US-Komödie von 1993, die am Groundhog Day (Murmeltiertag) im Provinznest Punxsutawney spielt, bekommt wenigstens ein Happy End. Auf Bayers Footballground scheint sich die Zeitschleife derzeit immer neu einzufädeln. Besserung ist nicht in Sicht. Die Fans knurren, die Mediendeuter plagen sich. Toppmöllers Elf liefert seit dem Sommer gelegentlich Glanzvorstellungen ab – und dilettiert gleich darauf als Rumpelcombo. Rund um die BayArena sucht man nach Vergleichen: Bayer ist wie eine Sphinx. Wie eine zickige Geliebte. Wie ein bockiges Kind. Offenbar gehört es zum janusköpfigen Wesen dieser Elf, ständig die Masken zu wechseln (…) Im Vorjahr ist weitgehend unbemerkt geblieben, wie punxsutawneyhaft dieses Leverkusen auch im Kunstglanz Europas geblieben ist. Das Publikum, mehrheitlich aus Bayers Konzernetagen, liebt das Stakkatoklatschen als höchste Form der Ekstase und gibt sich ansonsten dem wohlfeilen Maulen hin – am Mittwoch wurde Angreifer Thomas Brdaric nach seiner ersten misslungenen Szene nach 70 Sekunden ausgepfiffen und zur Auswechslung vorgeschlagen. Wie soll da ein Stürmer Selbstbewusstsein tanken und auch noch das Tor treffen? Während des Spiels schimpften die Zuschauer ungeduldig bei fast jedem klugen Aufbaurückpass, nachher moserten sie tribünenweit: Wat sichern die auch nich den einen Punkt so kurz vor Schluss? Der monoglotte Stadionsprecher im freudlos-preußischsten Anwesen des Rheinlands dilettiert schon bei jeder englischen Durchsage, dass es ein schämenswerter Jammer ist. Und da hatte er diese komischen spanischen Spielernamen noch gar nicht vorgelesen und als Gegner Barca statt Barça verkündet. Nur die Musik ist in Leverkusen so laut, dass man sie auf allen anderen Plätzen der Champions League hören kann. Jetzt droht baldige musikalische Stille.“

Roland Zorn (FAZ 29.11.) kritisiert hart. „Van Gaals Konzept ging auf: Die anders als in der vergangenen Saison nur noch bemühten, aber nicht mehr inspirierten Leverkusener rannten sich müde, verloren an Konzentration und wurden von van Gaals Strategiewechsel überrumpelt. Von der 46. Minute an wirbelten Saviola und Riquelme, von der 75. Minute an auch noch Overmars mit Spielwitz und stürmischem Elan das Bayer-Werk derart durcheinander, daß Berbatows Führungstor am Ende nur noch Erinnerungsmarke an einen Moment der Hoffnung war (…) Die durch nichts gerechtfertigte Leverkusener Naivität nach passabler erster Hälfte rächte sich am Mittwoch. Nur weil van Gaal seine Absicht zunächst maskiert hatte, wiegten sich einige Bayer-Profis in Sicherheit. Deshalb gingen der schon vor dem Wechsel kaum ersichtliche Biß und die Konzentration innerhalb des Teams später vollends verloren. Bayer Leverkusen ließ sich von einer international versierten Mannschaft übertölpeln und war dazu einfältig genug, sich nicht einmal mit dem diesmal höchsten der Gefühle, dem 1:1, bescheiden zu wollen (…) Die Stars Ballack und Zé Roberto sind weg, Kapitän Nowotny ist von seinem Kreuzbandriß noch nicht wieder genesen, andere Protagonisten von gestern wie Schneider, Placente, Bastürk oder Lucio sind mit ihren Formschwankungen zu unsicheren Kantonisten geworden. Dazu zeigte sich am Mittwoch, daß Toppmöllers Jugendprogramm mit Begabungen wie Balitsch, Berbatow, Babic und Bierofka gegenüber erwachsenen Größen am Ball noch unausgereift wirkt. Wenn es nur die Pannen einzelner Spieler wären. Bayer Leverkusen aber erweckt in diesen Wochen insgesamt den Eindruck einer wider besseres Wissen sorglosen Ansammlung von in den Tag hinein kickenden netten Jungs, denen die wahren Bezugsgrößen ihres Berufs abhanden gekommen scheinen. Schönredner, Schönwetterspieler: In Leverkusen ist November, und niemand merkt’s.“

Christoph Biermanns (SZ 29.11.) Vergleich mit den Geschehnissen im Vorjahr fällt aus Leverkusener Sicht nicht gut aus. „Wenn am Ende der Saison bei Bayer Leverkusen Bilanz gezogen wird, dürfte unzweifelhaft die vorletzte Minute der Partie gegen den FC Barcelona noch mal in den Blick geraten. Exemplarischen Wert hatten die wenigen Sekunden, die es von Daniel Bierofkas Versuch dauerte, seinen Gegenspieler zu umdribbeln, bis zum kühl erzielten Siegtreffer der Katalanen. Rasend schnell schlug in diesen Momenten die Aussicht, noch den Siegtreffer zu erzielen, in eine Niederlage um. Bestraft wurde Bayer für die Unterzahl beim Konter und die schlechte Staffelung der Defensive. Es offenbarte viel von dem Drama, das Bayer in diesen Wochen erlebt. „So etwas darf einer guten Mannschaft nicht passieren“, sagte Klaus Toppmöller. Im Umkehrschluss bedeutet das: Sein Team ist nicht gut. Jedenfalls nicht annähernd so gut, wie sie das im Vorjahr war. Nach der Partie am Mittwoch drängte es sich geradezu auf, den Vergleich mit dem Spiel gegen Barcelona in der vorigen Saison an gleicher Stelle zu ziehen, so spiegelverkehrt verlief sie. Vor 14 Monaten ging Barca mit einer 1:0-Führung in die Pause, diesmal war es Leverkusen. Kurz nach der Pause glich damals Bastürk aus, diesmal war es Saviola. Beim Stand von 1:1 vergab Riquelme einen Strafstoß, damals war es Butt. Schließlich drehte Barcelona die Partie noch, wie es einst Bayer gelungen war. Einen kompletten Rollentausch nahmen beide Mannschaften vor.“

Philipp Thommen (NZZ28.11.). „Beide Teams vermochten über weite Strecken nicht zu kaschieren, dass sie ihrer Bestform derzeit noch hinterher laufen, wofür die derzeitigen Klassierungen in den jeweiligen nationalen Championats beredtes Zeugnis ablegen – Bayer belegt derzeit den elften, Barcelona den zehnten Platz. Entsprechend bot die erste Halbzeit auch keinen Fussball für Feinschmecker, obwohl besonders dem Bayer-Werksteam Wille und Engagement nicht abzusprechen waren, diesen aber (wie der Gegner) die grosse spielerische Linie vermissen liess. Bezeichnenderweise resultierten denn auch sämtliche halbwegs gefährlichen Torszenen in dieser Phase aus stehenden Bällen – Berbatow verwertete schliesslich einen Corner mit dem Kopf. Vom stolzen katalanischen Verein war bis dahin noch kaum etwas zu sehen gewesen, sieht man von einem Kopfball des jungen Verteidigers Fernando einmal ab. Daran änderte sich allerdings schlagartig Wesentliches, als Barça-Trainer van Gaal in der Halbzeit (endlich) die beiden argentinischen Youngsters Riquelme und Saviola ins Spiel brachte. Keine drei Minuten vergingen, ehe Saviola auf Vorarbeit seines Landsmannes den Ausgleich erzielte. Van Gaal wird sich wohl wieder fragen lassen müssen, weshalb er die beiden kongenialen Südamerikaner zunächst eine Halbzeit lang auf der Bank hatte schmoren lassen. Begünstigt wurde der Aufschwung Barcelonas allerdings durch den immer stärker zutage tretenden Kräfteabbau im Team Bayers. Die Deutschen liessen jedoch nicht nur physisch nach, sondern offenbarten auch Konzentrationsschwächen.“

Lokomotive Moskau – Borussia Dortmund 1:2

Markus Wehner (FAZ 28.11.) zu den Reaktionen. „Matthias Sammer war die Erleichterung anzusehen. Nach zuletzt vier Niederlagen in fünf Spielen hat Borussia Dortmund im ersten Zwischenrundenspiel der Champions League die Nagelprobe in der russischen Hauptstadt gegen Lokomotive Moskau bestanden. Es war am Dienstag abend ein glanzloser 2:1-Arbeitssieg gegen den russischen Meister, doch Sammer wollte ihn dank der kämpferischen Leistung des BVB nicht als glücklich bezeichnen. Wenn man gegen eine Mannschaft, die durch den Gewinn der Meisterschaft gerade mächtig Rückenwind hat, auf deren eigenem Platz zurückliegt und dann das Spiel trotz widriger Bedingungen noch dreht, dann ist das einverdienter Sieg, lobte Sammer die Moral seiner Spieler. Dabei hatte in den ersten zwanzig Minuten der Begegnung auf holprigem Untergrund und bei Minustemperaturen alles nach einem Sieg der Moskauer ausgesehen (…) Die Mannschaft habe es immer geschafft, unter hohem Druck zurückzukommen. Aber genauso oft haben wir gezeigt, daß wir nach einem Kraftakt wieder nachgelassen haben, malte der Trainer die Zukunft des BVB in den grauen Farben des Moskauer Novembers. Optimisten seien Menschen, die auf den dunklen Wolken wandelten, unter denen Pessimisten Trübsal blasen, hatte Sammer am Vortag im Kreis der Mannschaft in einer lyrischen Anwandlung zum besten gegeben. Dennoch zähle er sich zu den Pessimisten, gab er nach dem Spiel zu. Doch Moskau hat Hoffnung gemacht, selbst dem Berufspessimisten, der nicht auf Wolken wandelt.“

Spielbericht Tsp

AC Milan -Real Madrid 1:0

Birgit Schönau (SZ 28.11.). „Ein Spitzenspiel war angekündigt, eine kleine Revanche erwartet worden nach den mageren Jahren der Italiener in den Uefa-Wettbewerben. Es wurde ein Triumph. Nicht das Ergebnis, ein wenig aussagekräftiges 1:0. Nein, Milan spielte mit den Weißen aus Madrid Katz und Maus, entzauberte die selbstverliebte, wenig konkrete Truppe um den genialen Zinedine Zidane, der an diesem Abend seine Klasse nur aufblitzen ließ. Keine Minute lang dominierte Real dieses Spiel, der Tabellenführer der Serie A hingegen, der eben mit einem Tor von Serginho das Derby gegen Inter gewonnen hatte, zeigte eine vollkommen unitalienische Spielfreude. Einer war der Motor der neuen Wundermaschine: Manuel Ruí Costa. Dem Portugiesen fehlen die Präzision und die beeindruckende Raumdominanz des Franzosen. Zidane spielt auch an seinen schlechteren Tagen noch in seiner eigenen, höheren Liga. Ruí Costa hat zwei, drei überragende Momente im Jahr, in denen er das Publikum verhext. Gegen Real Madrid war wieder so einer. Während sich Rivaldo in den Dienst der Mannschaft stellte, hatte Ruí Costa seinen Auftritt als Solist. Er vergab ein paar Torchancen, so sehr drängte es ihn, dass er den Ball partout nicht abgeben wollte und von der Trainerbank zusammengestaucht wurde. Aber dann zerschnitt sein Pass über 50 Meter das Mittelfeld, flog der Ball vorbei an Salgado, Figo, Roberto Carlos. Andrej Schewtschenko nahm ihn mit dem linken Fuß. Und setzte ihn ins Tor.“

Spielbericht AS Roma – Arsenal London (1:3) NZZ SZ

Reaktionen der englischen Presse auf den 3:1-Sieg Manchesters in Basel NZZ

Reaktionen in Basel NZZ Die Stimmung in Basel NZZ

Hertha Berlin – FC Fulham 2:1 (Uefa-Cup)

Friedhard Teuffel (FAZ 28.11.). „Was sich von Hertha BSC Berlin in dieser Saison bis hierher eingeprägt hat, ist ein ausgeprägtes Gespür für unpassende Bekleidung. Es fing mit Huub Stevens‘ Stoffwechsel vom Trainingsanzug hin zum Ausgehanzug an. Eine Modepanne, weil Stevens doch ein Arbeitertyp ist und man ihm eine gute Spielanalyse abkauft, aber keine Versicherung. Als Stevens dann wieder im Trainingsanzug auf der Bank saß, wollte er Bartosz Karwan im Spiel gegen Bayer Leverkusen einwechseln. Doch der Pole stand auf einmal im T-Shirt da. Er hatte sein Trikot in der Umkleidekabine vergessen. Ehe es der Zeugwart geholt hatte, war Trainer Stevens die Lust auf diese Einwechslung vergangen. Am Dienstag, beim 2:1-Sieg im Drittrundenhinspiel des Uefa-Pokals gegen den Londoner Klub FC Fulham, folgte das nächste Mißgeschick. Spielmacher Marcelinho hatte sich für Noppenschuhe entschieden, anstatt auf seinen Trainer zu hören. Der hatte schon zwei Tage vorher zu Stollenschuhen auf dem rutschigen Rasen des Berliner Olympiastadions geraten und diese Empfehlung von Torwarttrainer Nello di Martino sogar noch einmal überprüfen lassen. Marcelinho bestätigte gleich in den ersten zwanzig Minuten, daß es bei Hertha BSC einen Zusammenhang zwischen falscher Kleidung und sportlicher Leistung gibt. Der Rasen zog ihm ein ums andere Mal die Füße weg. Ein Glück für Hertha, daß Marcelinho nicht standhaft blieb. Kaum hatte er nach zwanzig Minuten seine Schuhe gewechselt, erkämpfte er einen Eckball, spielte ihn präzise auf Stefan Beinlichs Kopf und jubelte über das 1:0. Von da an wurde es ein unterhaltsames Fußballspiel (…) Auf ein modisches Extra verzichtete an diesem Abend Facundo Sava. Eigentlich schmückt sich der argentinische Stürmer nach jedem Tor mit einer Zorro-Maske. In der 68. Minute traf er zwar, zeigte aber offen sein enttäuschtes Gesicht, denn er hatte den Ball nach einem Freistoß von Marcelinho ins eigene Tor befördert.“

(27.11.)

Jörg Stratmann (FAZ 27.11.) bemerkte vor dem Spiel in Leverkusen. „Wenn die Großen kommen, läuft er zur Bestform auf. Dann lähmt ihn kein Respekt, vielmehr scheint ihn die Lust zu beflügeln, auch in diesen Kreisen mitzuhalten. Mit frechen Dribblings und verblüffender Technik handelte sich Bernd Schneider im Sommer so den Ruf ein, der wahre Brasilianer im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft gewesen zu sein. Und auch Hollands Ballkünstler düpierte der Leverkusener jüngst ein ums andere Mal. Das hat internationales Interesse an dem 28 Jahre alten Profi geweckt, der auch seinerseits über den Tellerrand seines Vereins Bayer 04 hinausblickt. Insofern scheint vor dem ersten Zweitrundenspiel der Champions League an diesem Mittwoch gegen den FC Barcelona zumindest dies klar: 22.500 Zuschauer in der BayArena werden einen Mittelfeldspieler Schneider in größter Spiellaune erleben. Nur ein Schelm, der dabei auch anderes vermutet? Denn der berühmte katalanische Verein, so wird in diesen Tagen wieder kolportiert, habe ein Auge auf den Leverkusener geworfen. Vor allem Barcelonas Trainer Louis van Gaal gefalle Schneiders Spielweise, deren Wirksamkeit sich der Holländer beim Länderspiel gegen die Niederlande in Gelsenkirchen noch einmal selbst vor Augen führte.“

Walter Haubrich (FAZ 27.11.) zeichnet ein sehr schönes Vereinsporträt des FC Barcelona. „Louis van Gaal wird in Barcelona inzwischen sogar von den Sportjournalisten gelobt. Mit seinen verbesserten Spanischkenntnissen scheint der holländische Trainer des FC Barcelona auch seine Umgangsformen geändert zu haben, vor allem Ton und Vokabular seiner Antworten bei Pressekonferenzen. Während er früher noch häufig mit Bist du dumm? oder Nur ein ganz negativer Mensch sagt so etwas auf Fragen reagierte, die ihn ärgerten, erklärt er heute mit vorher unbekannter Geduld sein Spielsystem und manchmal sogar den Sinn seiner ständigen Eintragungen in das geheimnisvolle Heft, das er auch am Spielfeldrand fast nie aus der Hand legt. Die Spieler des FC Barcelona begreifen inzwischen auch die Vorteile des harten und ausgedehnten Trainings van Gaals. Sicher tun sich Saviola und Riquelme etwas schwerer mit der harten Gangart des holländischen Coachs und der immer noch leicht besserwisserischen Art seiner Erklärungen. Doch weiß van Gaal, daß die beiden Argentinier die besten Techniker seiner Mannschaft sind und daß ohne ihre aus Dribblings resultierenden Pässe sein Landsmann Kluivert weniger Tore erzielen würde (…) Der FC Barcelona holte sich in seinen guten Zeiten die damals besten Spieler der Welt, Cruyff, Maradona, Schuster, Romario und Ronaldo, in seine Mannschaft. In den vergangenen Jahren kaufte der Verein zwar immer noch viele, aber längst nicht mehr die besten Ausländer. Doch der Hauptgrund für den Prestigeverlust des katalanischen Fußballklubs sind nicht die Spieler, ist auch nicht der immer noch unbeliebte Trainer. Das Problem des FC Barcelona ist sein Vorstand. Wenn Präsident Joan Gaspart den Mund aufmacht, kostet das den FC Barcelona Sympathien. Mit einem rabiaten Fanklub, der zuletzt beim skandalösen Duell mit Real Madrid am Samstag abend unangenehm auf sich aufmerksam machte, trifft er sich regelmäßig; die von ihm mitfinanzierten Sportzeitungen hält der Präsident vor wichtigen Spielen zu Tiraden auf den jeweiligen Gegner an. Wenn die Spieler dem Scharfmacher an der Vereinsspitze ständig zuhören müssen, glauben sie schließlich, es sei wichtiger, den ewigen Rivalen zu besiegen und am Ende der Saison in der Tabelle einen Platz vor Real Madrid zu stehen, als etwa den Europapokal zu gewinnen. Die kommenden Gegner in der Champions League müssen den FC Barcelona nicht zu sehr fürchten; der, milde gesagt, aufgeregte Vereinspräsident wird wahrscheinlich einiges dafür tun, daß seine Mannschaft auf dem Weg zu neuen europäischen Gipfeln wieder ins Stolpern gerät.“

Christoph Biermann (SZ 27.11.) erinnert. „Es war ein Abend, in dem all der Zauber des Anfangs lag. Bayer Leverkusen schlug den großen und ruhmreichen FC Barcelona 2: 1, und es war nicht nur das Ergebnis, das zum Träumen einlud. Erstmals war in der BayArena der Fußball zu sehen, der das Team in den folgenden Wochen und Monaten bis ins Finale der Champions League tragen sollte. Von einem „historischen Durchbruch“ sprach Klaus Toppmöller in jener Nacht, in der er sich als Romantiker des Spiels gezeigt hatte. Nach dem Abpfiff war der Bayer- Trainer auf den Platz gestürzt, um den verblüfften Patrick Kluivert zu fragen, ob er dessen goldenes Trikot für seinen Sohn haben dürfe. 14 Monate später geht es heute beim Auftakt zur Zwischenrunde der Champions League wieder gegen den FC Barcelona, doch so recht in Schwärmen gerät Toppmöller über das letzte Treffen an gleicher Stelle nicht. In Wirklichkeit sei Bayer damals „in der ersten Halbzeit vorgeführt worden“ und habe sich erst später zu „einem tollen Spiel“ aufgeschwungen, sagte er etwas maulend. Offensichtlich ist der Trainer von Bayer Leverkusen derzeit einfach nicht in der Stimmung, sich irgendwelchen sentimentalen Gefühlen und goldgerahmten Erinnerungen hinzugeben. Verflogen ist all der Zauber des Vorjahres.“

FC Basel – Manchester United (1:3)

Felix Reidhaar (NZZ 27.11.). „Die Parallelen zum letzten Vorrundenmatch an gleicher Stelle gegen den FC Liverpool waren offensichtlich. Vor allem vor der Pausewaren die Basler Spieler wenig haushälterisch mit den Kräften umgegangen und hatten dem berühmten Konkurrenten mehr abgefordert, als dieser für möglich gehalten hätte. In dieser Phase schien ein grösserer Vorsprung als das 1:0 auch realistisch, doch Fabien Barthez erwies sich als ruhiger und sicherer Rückhalt für seine ziemlich brüchige Abwehrreihe. Selbst unmittelbar nach Wiederbeginn, als das Team von Christian Gross nochmals energisch insistierte, fehlte wenig zu einem zweiten Treffer, doch nach Ablauf einer Stunde nahm der Match eine völlige Wende, nicht zuletzt verursacht durch Konzentrationsmängel und läuferisches Nachlassen im defensiven Bereich. ManU nützte diese Mängel in abgebrühtem Stil und profitierte dazu von der Klasse eines Stürmers wie van Nistelrooy, der sich derzeit hervorragender Form erfreut. Der sporadisch hochstehende, von Basler Seite lange sehr ambitioniert und gleichwertig geführte Match wurde letztlich verdientermassen von der Mannschaft entschieden, die die Kräfte besser eingeteilt hatte und sich in der eigenen Meisterschaft auch eher gewohnt (oder gefordert) ist, eine Spiel bis zur 90. Minute durchzustehen.“

Deportivo La Coruna – Juventus Turin 2:2

Georg Bucher (NZZ 27.11.). „Nach drei Unentschieden hatte Deportivo den letzten Champions-League-Vergleich 2:0 gewonnen und die Achtelfinals erreicht. Trainer Irureta wollte seinem Naturell gemäss keine Euphorie aufkommen lassen und warnte davor, dass die “Alte Dame” heuer eine schärfere Klinge schlägt, in den Gruppenspielen die wenigsten Gegentore zuliess und auch im nationalen Wettbewerb überzeugte. Seit 23. Oktober in acht Pflichtspielen ungeschlagen, brauchte der Heimklub nicht in Ehrfurcht vor dem renommiertenGegner zu erstarren. Irureta ist stets für Überraschungen gut. Personell und taktisch gab er Marcello Lippi Rätsel auf – nach elf Minuten lag Deportivo schon 2:0 in Führung. Wie der erste Treffer, den Tristan per Kopf erzielte, wurde auch Makaays Exploit, sein achter in der Champions League, von Fran und Capdevila über links vorbereitet. Im zentralen Mittelfeld verzichtete Irureta auf spielerische Akzente und nominierte ein südamerikanisches Double als Auffangstation vor der erneut umformierten Abwehr. Mauro Silva und der Argentinier Duscher ermöglichten den Aussenverteidigern Vorstösse, Iruretas Vorstellung, italienische Abwehrreihen müsse man über die Flügel öffnen, wurde nahtlos umgesetzt. Vom Einfluss Capdevilas war schon die Rede, Scaloni war auf der rechten Seite ebenso aktiv. Zumal Tristan und Makaay eine bewegliche Doppelspitze bildeten, fanden die präzisen Vorlagen Abnehmer, und den Torinstinkt der Goalgetter kann man beinahe voraussetzen. Juventus brauchte gut 20 Minuten, um den Rückschlag wegzustecken.“

Hintergrund

„66 Jahre hatte Lokomotive Moskau auf diesen Tag gewartet. In der vergangenen Woche war es soweit: Der Klub der Moskauer Eisenbahner wurde zum ersten Mal in seiner Geschichte Fußballmeister. In einem Entscheidungsspiel schlug die Mannschaft ihren punktgleichen Moskauer Rivalen, den Armeesportklub ZSKA, 1:0“, berichtet Markus Wehner (FAZ 26.11.) über den heutigen Gegner Borussia Dortmunds. „Das ist vor allem das Verdienst des 55 Jahre alten Trainers: Sjomin hat den Kern der Mannschaft über Jahre zusammengehalten und sie zugleich durch den einen oder anderen neuen Spieler verbessert. An der Tscherkisowostraße in Moskau, wo Lokomotive ein neues Stadion für gut 30 000 Zuschauer hat bauen lassen, ist man sich sicher, daß man mit Real Madrid, dem AC Mailand und Borussia Dortmund die schwerste aller Gruppen zugelost bekommen hat. Doch erinnert man sich gern daran, daß Real im vergangenen Jahr in Moskau 0:2 gegen Lokomotive verloren hat. Die Borussia sei eine „im klassischen Sinne deutsche Mannschaft“, sagt Sjomin, sie zeichne sich, auch wenn Brasilianer in ihr die Glanzlichter setzten, vor allem durch taktische Disziplin aus. Auch Sjomins eigene Elf gilt im russischen Fußball als die Mannschaft, die am diszipliniertesten und taktisch versiertesten spielt. Lokomotive besitzt die beste Verteidigung der russischen Liga und mit Sergej Owtschinnikow einen überdurchschnittlich guten Torwart.“

Walter Lutz (NZZ 26.11.) schreibt über die Ursachen des Basler Erfolgs. „Ist Gross (Trainer FC Basael, of) bei seinem Entscheid, sich auf das Machbare und Verbesserbare zu beschränken, vom bemerkenswerten Buch des argentinischen Weltmeisters von 1986 und späteren Trainer-Philosophen Jorge Alberto Valdano inspiriert worden? Nach dem einstigen Trainer von Real Madrid sind Freiheit, Kreativität und Risiko die Conditio sine qua non, die unabdingbare Voraussetzung guten und erfolgreichen Fussballs. Und Gross scheint irgendwie auch die für die Trainertätigkeit einschränkende Äusserung des deutschen Mittelfeldspielers Bernd Schuster verinnerlicht zu haben: „Das Schöne am Fussball ist, dass es Dinge gibt, die man nicht lernen und trainieren kann, nämlich Inspiration, Kreativität und Raumgefühl. Und die machen den Unterschied zwischen guten und grossen Spielern.“ Hinter Basels Erfolgen stehen ansteckendes Feu sacré und keine „Geheimnisse“. Fussballtrainer sind weder Scharlatane noch Zauberer. Die FCB-Erfolge basieren auf einer weit über das rein Technische hinaus gehenden soliden Trainerarbeit, Motivationskunst eingeschlossen. Noch andere Faktoren haben sie begünstigt. Etwa die Erfahrung und Weitsicht des Ausbildners, sein Wille, Fussball so einfach wie nur möglich zu machen und vorwärts zu spielen. Da ist zunächst die eher banale, von strategisch-taktischen Absichten bestimmte Forderung in der Anlage des Spiels, die gesamte Breite des Platzes auszunützen. Das setzt eine zweckmässige Organisation der Mannschaft, eine entsprechende Raumaufteilung durch die Spieler und konsequentes Platzhalten voraus. Nur so kommen «blinde» weite Pässe an. Ziel ist es, die Abwehr des Gegners auseinander zu reissen, ihn zu zwingen, sich zu verzetteln, damit die eigenen Sturmspitzen in der Mitte mehr Raum vorfinden. Keine Mannschaft in der Schweiz beherrscht die Spielverlagerungen, auch eine Spezialität Valencias, so gut wie der FCB. Die Bemühung, den Gegner da- mit immer wieder vor neue, überraschende Aufgaben zu stellen, setzt allerdings als wirksamstes Mittel eines voraus: den Ball rasch, aber nicht hastig weiterzuspielen. Die FCB-Leute setzen diese Forderung – Direktspiel –, wenigstens so lange sie noch frisch sind, konsequent um.“

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Schwache Schalker gewinnen den Titel und werden ausgepfiffen; und nicht gesendet – VfL Wolfsburg wird seinen Ambitionen nicht gerecht

Ausgeschieden, verletzt und zerstritten standen die Profis da

Frank Heike (FAZ 28.8.) ist vom VfL Wolfsburg enttäuscht. „Als der Norddeutsche Rundfunk seine Direktübertragung um kurz vor Mitternacht beendet hatte, ließ die Stadionregie ein neues Programm über die beiden Bildschirme am Kabinengang flimmern: Berufsboxen. Nichts hätte am Dienstag besser zu dem gepaßt, was 12.500 Zuschauern in der Volkswagen Arena vorher geboten worden war. Da bekämpften sich zwei Fußballmannschaften mit allen Mitteln. Die einen machten das gekonnt, weil versteckt, und hatten den Schiedsrichter auf ihrer Seite, die anderen antworteten wutschnaubend und plump. Dieser ungleiche Kampf konnte nur einen Sieger haben: Am Ende hatte der in jeder Hinsicht geschicktere AC Perugia 2:0 beim VfL Wolfsburg gewonnen und zog in die erste Runde des Uefa-Pokals ein. Den Wolfsburgern blieben nur Silberplaketten und der Händedruck des Gesandten der Europäischen Fußball-Union. Acht lange Sommerwochen hatten sich die Wolfsburger durch den UI-Cup gekämpft, ehe sie am Ende an der Abgebrühtheit einer italienischen Mittelklassemannschaft zerbrachen. Dieser Dienstag abend war also eine schmerzhafte Lehre für den Klub mit dem großen Sponsor im Rücken, der unbedingt in die Champions League will. Die Wolfsburger wußten nach der vor allem im ersten Durchgang schmutzigen Partie gar nicht, wen oder was sie zuerst anklagen sollten: den holländischen Schiedsrichter? Die Fouls des Gegners? Die eigene Dummheit? (…) Der 22 Jahre alte Neun-Millionen-Euro-Mann Andrés D‘Alessandrohatte 93 Minuten lang gespielt, gekämpft, reklamiert, Gegner und Schiedsrichter attackiert. Ein Vorbild für den Rest, fand der Trainer: Andrés ist weiter als die meisten älteren Spieler. Was bei den Italienern alle können, macht bei uns nur er. Was der Kleine gezeigt hat, war überragend. An dieser Meinung schieden sich die Geister – in der Einzelwertung war der Argentinier sicher der Beste, aber was nützt es, wenn niemand seine Pässe erläuft, seine Ideen verpuffen? Spätestens jetzt war man beim wirklichen Problem dieser Wolfsburger Mannschaft angekommen. Denn die Niederlage förderte einen Riß im Team zutage. Auf der einen Seite die Kämpfer Schnoor, Franz, D‘Alessandro, auf der anderen Seite Schönspieler wie Petrow, aber auch die Mitläufer Karhan, Weiser, Hrgovic. Bei uns haben sich nur einige gewehrt, sagte ein restlos genervter Stefan Schnoor. Wir hätten gegentreten müssen. Es muß bei den anderen auch mal ein bißchen weh tun. Sonst hast du international keine Chance. Weh getan hatten die beiden Partien gegen Perugia aber nur dem VfL Wolfsburg: Ausgeschieden, verletzt und zerstritten standen die Profis nach dieser bitteren Lektion da.“

Oke Göttlich (FTD 28.8.) ergänzt. „Die Krücken von Marco Topic hatten schwer zu tragen. Nicht nur dem Körpergewicht des in der zehnten Minute verletzt ausgewechselten Stürmers mussten sie standhalten, sondern auch all den enttäuschten Erwartungen, nachdem der VfL Wolfsburg die Uefa-Cup-Teilnahme mal wieder verpasst hatte. Zum dritten Mal nacheinander konnte der ambitionierte Klub den UI-Cup nicht als Sprungbrett für weitere europäische Auftritte nutzen. Der AC Perugia demonstrierte bei seinem 2:0-Erfolg in der Volkswagen-Arena, wie weit Wolfsburg noch von einem Team mit internationalem Format entfernt ist. Den Träumen des VW-Konzernvorstands Folker Weißgerber und des Aufsichtsratsvorsitzenden Lothar Sander „den Zuschauern viel Faszination“ zu bieten, um für „die folgende Spiele eine tolle Begeisterung“ zu schaffen, sowie dem Wunsch „weiterhin auf der europäischen Fußballbühne vertreten zu sein“, um „das Ansehen des Klubs und seines Partners Volkswagen zu fördern“, konnte das Team jedenfalls in keiner Phase entsprechen.“

Javier Cáceres (SZ 28.8.) schreibt. „Wer den UI-Cup bislang für ein Fußball-Wettbewerb minderer Bedeutung gehalten hatte, der konnte Dienstagnacht schon staunen ob der Inbrunst, mit der die Vertreter der Associazione Calcio Perugia zu Wolfsburg den Gewinn eines Finales desselben feierten. Zé María (Akzent auf dem E und auf dem I), ein (im übrigen vorzüglicher) brasilianischer Rechtsverteidiger in Diensten der Italiener, verortete die Bedeutung des Triumphes gar in der Nähe der Copa América (Akzent auf dem E), immerhin das älteste Nationenturnier der Welt. So einige seiner Kameraden müssen das ähnlich gesehen haben, sie entledigten sich nach Spielschluss ihrer Arbeitskleidung und warfen auch ihre Hosen in die Menge. Ganz zu schweigen davon, dass sie unentwegt 20-Liter-Eimer voller Wasser aus der Kabine schleppten und damit auf Jagd nach Vereinsoffiziellen gingen, so manch ausnehmend gut und teuer aussehender Anzug litt. Und auch Trainer Serse Cosmi, ein kleiner Mann mit dem Körperbau eines Posaunisten und einer Art Dizzy-Gillespie-Bärtchen, zeigte sich von „grandi emozioni“ überwältigt und betonte, wie sehr es ihn erfülle, „eine europäische Trophäe“, die bei genauerem Hinsehen eine Erinnerungsplakette war, „mit der Mannschaft deiner eigenen Stadt fern der Heimat“ errungen zu haben, „ein Traum ist wahr geworden“. Was sich mit den Gefühlen daheim deckte – Perugias Stadtkern soll von einem Autokorso heimgesucht worden sein –, nicht aber mit jenen, die Wolfsburgs Stadion-Discjockey nach dem 0:2 zu verströmen versuchte. Er legte „Davon geht die Welt nicht unter“ auf. UI-Cup? Bah. Certo, würde der Italiener sagen, gewiss. Andererseits hatten die Verantwortlichen des VfL Wolfsburg die Partie im Vorfeld zur wichtigsten der vergangenen Jahre hochgejazzt, man zählt sich ja gerne zu den aufstrebenden Mächten des deutschen Fußballs. Ein Einzug in den Uefa-Cup, den ja der Sieg im UI-Cup verheißen hätte, und über den sich nun also Perugia freuen darf, wäre zwecks Untermauerung der Ambitionen durchaus angezeigt gewesen. So blieb Wolfsburgs Trainer Jürgen Röber als positives Fazit allein, dass sich sein Team „international bewähren konnte“; als negatives, „dass man vielleicht noch nicht so weit ist“, ähnlich ehrgeizige Mannschaften zu bezwingen.“

Kulturschock Gelsenkirchen

Richard Leipold (FAZ 28.8.) sah schwache UI-Cup-Sieger aus Schalke. “Die Voraussetzungen für eine Versöhnungsfeier waren einfach zu günstig. Hätten die Fußballprofis des FC Schalke 04 sich im zweiten Finalspiel des UI-Cups auch nur halbwegs angestrengt oder wenigstens den Tagessieg errungen – die Fans hätten ihnen am Dienstag abend gern Absolution erteilt für die vielen Enttäuschungen der vergangenen Saison. Aber die Profis machten es sich zu einfach. Mit einem 0:0 gegen den österreichischen Dorfklub SV Pasching erreichten sie zwar einen Platz im Uefa-Pokal, versäumten es aber, die Herzen ihrer Anhänger zurückzuerobern. Es ging praktisch um nichts mehr, also taten die Schalker auch nichts mehr. Der Stadionsprecher versuchte mit Worten zu retten, was mangels Taten an diesem Abend nicht mehr zu retten war. Freunde, denkt daran, daß die königsblaue Mannschaft hier schon einige vernünftige Spiele abgeliefert hat. Doch die Freunde wollten nicht an die knappen Siege über internationale Größen wie Dacia Chisinau und Slovan Liberec denken, und sie wollten sich auch nicht daran erfreuen, daß die Schalker Spieler von Abgesandten der Europäischen Fußball-Union als einer von drei Gewinnern des sommerlichen Pausenfüllers namens Intertoto Cup geehrt wurden. Die Einheimischen zogen es vor zu pfeifen und zu schimpfen – oder so schnell wie möglich die Arena zu verlassen. Beifall bekamen nur die wackeren Kicker aus Pasching, die am Ende von einer großen Mehrheit der 56.000 Zuschauer gefeiert wurden, als wären sie die Sieger. Fast das ganze Stadion zelebrierte mit ihnen La ola (…) Spätestens an diesem lauen Abend dürfte dem Fußball-Lehrer von Welt, Heynckes, gedämmert haben, was er sich für eine Last aufgeladen hat. Heynckes hatte erwartet, daß seine Mannschaft eine Reaktion auf die zuletzt schwachen Leistungen in der Bundesliga zeigen würde. Doch das kickende Personal scherte sich nicht darum. Nun hofft der Trainer auf seinen spanischen Lieblingsstürmer Fernando Morientes, dessen aktueller Arbeitgeber Real Madrid einem Transfer ins Ruhrgebiet aufgeschlossen gegenübersteht. Morientes zögert jedoch. Offenbar nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Seine Frau Victoria hat vor kurzem erst einen Wechsel nach Tottenham verhindert, weil sie sich ein Leben in England nicht vorstellen könne. Bei einem Umzug nach Gelsenkirchen wäre der Kulturschock vermutlich nicht geringer.“

Daniel Theweleit (FTD 28.8.). “Im Nachhinein hätten sie also froh sein können, dass sich kein Fernsehsender fand, der die tristen 90 Minuten übertragen hat. Assauer war dennoch schwer verärgert. Es habe noch nicht einmal einen Anruf oder eine Anfrage gegeben, „es war immerhin ein UI-Cup-Finale, aber ein Freundschaftsspiel der Bayern übertragen sie, wenn da ein Makaay erstmals spielt“. Das mangelnde Interesse der Fernsehsender ist der Hauptgrund dafür, dass Schalke 04 keinen Gewinn machen konnte mit dem UI-Cup. Eine schwarze Null werde wohl herauskommen und das, obwohl in den drei Spielen insgesamt rund 160 000 Zuschauer in die Arena gekommen waren. Aber die 42 000 Dauerkarteninhaber hatten freien Eintritt, und die „übrigen Einnahmen sind weg, wenn man den Rasen einmal rein und wieder rausfährt“, so Assauer. Der Klub hat also nicht das Geld verdient, das es erleichtern würde, die Gehaltsforderungen von Jupp Heynckes Wunschstürmer Fernando Morientes zu erfüllen.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

2:1-Erfolg des Vize-Weltmeisters gegen die färingischen Amateure

Wie erwartet reagiert die deutsche Presse sehr kritisch auf den dürftigen 2:1-Erfolg des Vize-Weltmeisters gegen die färingischen Amateure. „Weil die Nationalmannschaft Fußball nur simulierte, wuchsen die Kicker von den Schafsinseln zu einem bedrohlichen Gegner heran“, lesen wir in der FAZ, wo man auch das gutgläubige Vertrauen der deutschen Spieler erkannte, dass nach dem frühen Führungstreffer durch ein Elfmetertor von Michael Ballack „die weiteren Tore wie mit dem Autopiloten durch geringstmöglichen Aufwand erzielt werden“. Die SZ meint zu dem Spiel: „Ein Heimspiel gegen Färöer darf man so nicht gewinnen“, während die taz eine große Kluft zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit und der Wirklichkeit ausmachte: „Das Hauptproblem des deutschen Teams ist die Bürde der Vizeweltmeisterschaft und die damit verbundene Erwartungshaltung, welche dem tatsächlichen Leistungsvermögen in keiner Weise entspricht.“ Doch immerhin: „Ein Tor besser als Berti Vogts“ (Tsp).

Geradezu gereizt begegnen manche Kommentatoren den Versuchen der Beteiligten, die schwache Leistung gleichgültig und unkritisch hinzunehmen. „Der spielerischen Lustlosigkeit folgte die verbale, auch das noch“, liest die SZ den deutschen Spielern ob derer Reaktionen nach dem Spiel die Leviten. „Die deutschen Fußballer verweigern sich nach dem Zittersieg einer grundlegenden Analyse.“

Italien und England hat es auch erwischt. „Slapstick Seaman und Tristezza Trapattoni – von diesen Spezialausgaben des beliebten Serienformats „Pleiten, Pech und Pannen” ist nach Ansicht von Kritik und Publikum am Mittwoch die vermutlich letzte Folge gelaufen“ (FAZ).

Weitere Themen: Andere Spiele der EM-Qualifikation – arbeitsloser Pagelsdorf – ehemaliger Stasi-Mitarbeiter Stange in der Kritik – Portrait Kahn – Töfting im Gefängnis – Fans im Abseits u.v.m.

Zum Gegner heißt es bei Ralf Wiegand (SZ 18.10.). „Im Stadion waren 36.000 Zuschauer, die ganzen Schafinseln haben nur 45.000 Einwohner. Mannschaft und Fans waren mit zwei Flugzeugen gekommen und mussten noch in der Nacht ihres größten Triumphes seit dem 1:0 gegen Österreich 1990 zurückfliegen, weil die beiden einzigen Maschinen der Färöer-Flotte am Morgen wieder im Linienverkehr zwischen Torshavn und Kopenhagen gebraucht wurden. In der färingischen Liga gibt es eine Ausnahmeregelung, nach der ein Mitspieler beim Elfmeter den Ball festhalten darf, falls der Wind zu stark weht ihn sonst vom Punkt pusten würde. Kurz: Die Färöer zählen ungefähr so viele Einwohner wie Coburg, haben das Wetter von Neufundland und nicht mehr Rasenplätze im ganzen Land als der FC Bayern alleine (…) Berti Vogts wird sich nun noch mehr auf diese Deutschen freuen, nachdem das 2:2 seiner Schotten auf den kalten Inseln dank der Elf von Rudi Völler seine böse Macht verloren hat. Vogts darf sich als einziger deutscher Sieger fühlen und darauf gerne ein Gläschen Whiskey heben. Ansonsten gibt es nur Verlierer, die dazu geworden sind, weil sie nicht mehr sehen wollten als das nackte Ergebnis und nicht verstehen konnten, dass sich die Leute darüber ärgerten. Überall unter den Spielern und Trainern war das schlimme Wort vom „Mund abputzen“ zu hören. Das ist ein banalisierender Modebegriff für die Verweigerung einer Analyse, in der man vielleicht die WM als schicksalhaften Glücksfall zu Tage fördern und die Leistungsfähigkeit grundsätzlich neu definieren müsste. Der spielerischen Lustlosigkeit folgte die verbale.“

Eine kritische Analyse von Michael Horeni (FAZ 18.10.). „Tatsächlich aber liegt es nicht an einem übernatürlichen Wachstumsschub der Konkurrenz, sondern vor allem an der Leistungsbereitschaft des Establishments. Es stimmt ganz einfach nicht, daß eine Traditionsmannschaft wie Deutschland gegen unbedeutende Gegner nur verlieren könne – das Publikum registriert sehr genau, ob eine Mannschaft ihre Möglichkeiten auszuschöpfen bereit ist (wie in Litauen) oder nicht (wie gegen die Färöer). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Gegner eine ruhmreiche Vergangenheit mitbringt oder die Spieler ihren Lebensunterhalt als Lehrer oder Fischer verdienen. Aber wer in Gedanken schon in der Champions League oder der Bundesliga mit größeren Herausforderungen beschäftigt ist, wie dies nicht nur Kapitän Kahn zugibt, dem wird es nicht immer gelingen, mit ökonomischem Einsatz das maximale Ergebnis zu erzielen. Es ist daher nicht allein einer Leistungsexplosion geschuldet, die es den Kleinen erlaubt, über sich hinauszuwachsen. Vielmehr sind es die Großen, die viel zu beschäftigt sind, um die Tücken des Alltags souverän zu meistern.“

Ralf Wiegand (SZ 18.10.) ist verärgert. „Der Fußball-Funktionär Karl-Heinz Rummenigge, ganz früher einmal ein Liebhaber dieses Spiels und nicht nur seiner Erträge, sagte: Wenn Deutschland gegen Färöer spiele, sei das für die Fans wie ein Knochen ohne Fleisch. Mal abgesehen davon, dass das eine Beleidigung ist, geht es auch an der Wahrheit vorbei. Als Deutschland gegen Färöer spielte, sollte es ein Fest werden, die Fans, 36.000, wollten bloß Spaß haben. Dass es nicht dazu kam – außer man erkennt den grotesken Witz jener Szene, als Elttoer den Pfosten traf und Oliver Kahn die Faust triumphierend in den Himmel reckte –, ist so ärgerlich, dass man sein Bierglas auf den Stammtisch hämmern möchte, bis der Schaum über den Rand schwappt und brüllen: Dann sollen sie halt was anderes machen, diese Deutschen. Kinder unterrichten, Fische fangen, Eis verkaufen. Die Färinger können so was. Die Stimmung wird an den Stammtischen gemacht, nicht in Tagungsräumen oder Hotel-Lobbys. Niemand verlangt, dass die Nationalmannschaft etwas spielt, was sie nicht kann. Aber dass sie akzeptiert, dass man sich an ihr erfreuen möchte, das darf man verlangen. Im Sommer schien es so, als hätten sie das begriffen.“

Thomas Kilchenstein (FR 18.10.) sieht das ähnlich. „Der Vize-Weltmeistertitel beinhaltet auch eine gewisse Verpflichtung. Die Ansprüche des zahlenden Publikums sind gestiegen, sie sind zu Recht gestiegen, die Fans erwarten einfach mehr für ihr Geld, und tatsächlich darf man sich im Grunde hier zu Lande nicht damit rausreden, das Spiel ja, irgendwie, gewonnen zu haben. Mund abputzen, Spiel abhaken – so eine Haltung ist vielleicht ein bisschen zu kurz gedacht. Das Publikum will mehr, Brot und Spiele allemal, nach Möglichkeit auch attraktive und mit vielen Toren garniert. Das ist der Fluch der guten Tat. Mit Durchschnittsware will man sich nicht mehr zufrieden geben.“

Matti Lieske (taz 18.10.). „Mit wenig weltmeisterlichem, aber sehr vizeweltmeisterlichem Fußball besiegt das deutsche Team die Färöer Inseln 2:1 und kämpft tapfer gegen die Geringschätzung von Kickerzwergen. Dass aus einem Fußballzwerg durchaus einmal eine ganz passable Fußballnation werden kann, zeigt nicht zuletzt das Beispiel der deutschen Nationalmannschaft. Im Jahre 1909 spielte diese gegen England, und man kann sich lebhaft vorstellen, wie vor dem Match einige englische Alt-Internationale in den Gazetten der Fleet Street forderten, dass man diese frechen Krauts, die neben dem Fußballspiel doch tatsächlich noch Berufe ausübten wie Dekorateur oder Schornsteinfeger, mindestens zweistellig aus Oxford heimschicken müsste. Bestimmt war das Geschrei groß, als dann doch nur ein 9:0 heraussprang. Nur drei Jahre später gewannen die Deutschen mit 16:0 gegen Russland – Karl-Heinz Rummenigge wäre begeistert gewesen.“

Reaktionen nach dem Spiel Tsp

Ralf Wiegand (SZ 17.10.) porträtiert Deutschlands Nummer Eins. „Oliver Kahn bleibt ein Rätsel, auch wenn er spricht. Er ist im Fußball das, was den Griechen ihr Orakel war. Sie stimmten es milde, interpretierten jeden Satz der Hohen Priester und hofften, dass sie ihnen gewogen blieben. Fußball-Deutschland fürchtet offenbar, dass es kein Leben ohne Oliver Kahn geben kann. Außer Franz Beckenbauer haben auch Karl-Heinz Rummenigge (in Bild), Rudi Völler (in der Pressekonferenz), Vater Rolf Kahn (in der Abendzeitung), sein Manager Ludwig Karstens (im Express), Jens Lehmann (in Sat.1) und Oliver Kahn (in der FAZ und der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und in der Sport-Bild ) über Oliver Kahn geredet. Raum geblieben ist für alles und nichts, es ist eine große Spielwiese für Wortspekulanten. Oliver Kahn ist ohnehin der Meinung, dass man Oliver Kahn nur verstehen kann, wenn man Oliver Kahn ist. Sein Leben ist, glaubt er, zu außergewöhnlich, aber das wusste man ja. Titanen sind einsam (…) Kahn sagt, er könnte es sich leicht machen und ein mediengerechtes Image zulegen, aber das könne er nicht. Jeder Satz ein Widerspruch in sich. Er sagt nicht, dass er es mit aller Macht schon probiert hat, dass er in Talkshows saß mit neuer Frisur und neuen Klamotten, dass er zu Wetten Dass…? ging, dass er sich öffentlich ausstellte. Der Medien-Kahn ist ein gescheiterter Versuch gewesen. Jetzt werden die Haare wieder länger, der alte Mittelscheitel bricht sich Bahn. Der Torwart hat sich wieder in sein Tor verkrochen, es abgeschlossen und den Schlüssel weggeworfen wie damals nach dem Endspiel von Barcelona, als er bei sich das Burnout-Syndrom diagnostizierte. Eine rätselhafte Ziellosigkeit und Demotivation (…) Eines Tages wird er aufhören und die Legende verbreiten, er sei aus dem Tor getrieben worden von durchschnittlichen, angepassten, glatt gebügelten Moralheuchlern. Die Welt ist unvollkommen, weil sie nicht so ist, wie Oliver Kahn sie gerne hätte.“

Thomas Kilchenstein (FR 17.10.) meint dazu. „Als Oliver Kahn das WM-Finale von Yokohama durch seinen Fehler (…) entschieden und er nach dem Abpfiff hilflos Schutz im eigenen Tornetz gesucht hatte, da haben die meisten gar Schlimmes befürchtet: Dass sich der chronisch überehrgeizige Abgreifer davon nicht mehr erholen würde, dass der fast Besessene lange Zeit daran zu knabbern hätte, dass er, der „Titan“ genannte Torwart, womöglich ganz aufhören könnte mit dem Ballfangen. Denn einer, der die eigenen Ansprüche derart ins Astronomische geschraubt hat und im Grunde niemals mit sich zufrieden sein kann, der verzeiht gerade sich selbst keinen – nur allzu menschlichen – Fehler. Ganz so dramatisch ist es nicht gekommen. Oliver Kahn legt sich weiterhin quer, einigermaßen ordentlich auch, und anfangs ist er, das personifizierte Feindbild der Fans, in fremden Stadien sogar mit Beifall empfangen worden. Das fand Kahn gar nicht so schlecht. Und: Er ist keinesfalls, wie allenthalben befürchtet, in ein tiefes Loch gefallen. Doch die Wahrheit ist banaler: Der normale Alltag ist in sein Tor zurückgekehrt, mal geht der Ball rein, mal nicht. Der Rauschzustand der WM, der ihn, King-Kahn, in immer höhere Dimensionen gepuscht hat, ist vorbei, endgültig. Nach dem Rausch folgt der Kater (…) Es ist kein Leichtes, so einfach vom Thron zu steigen. Noch schwieriger ist es, sich im stinknormalen Alltagsgeschäft wieder einzurichten. Gerade dann nicht, wenn man überlebensgroß war.“

Andere Spiele der EM-Qualifikation

Zwei große Verlierer gab es am Mittwoch auf europäischer Bühne. Christian Eichler (FAZ 18.10.) dazu. „Einen Arm erhoben und bewegungslos wie eine kurzsichtige Freiheitsstatue, so ließ der pferdeschwänzige Nationaltorwart der Engländer in der 11. Minute des EM-Qualifikationsspiels gegen Mazedonien Sakiris Eckball zum 0:1 passieren. Auch wenn die Engländer trotz des Malheurs mehr hätten schaffen müssen als ein blamables 2:2, so war doch David Seaman allein der Verlierer. Und die Italiener holten sich bei den famosen Walisern eine 1:2-Niederlage ab, die Trainer Giovanni Trapattoni so verwirrte, daß er den in der zweiten Halbzeit eingewechselten Gattuso schon nach zehn Minuten wieder auswechselte. Das Debakel in Cardiff ließ den ehemaligen Bayern-Trainer und seinen Gefahrverhinderungsfußball als Auslaufmodell des Jahres 2002 erscheinen (…) Die Zuschauer feierten, daß das geschlossene Dach des Millennium Stadium wackelte. Der Stadionsprecher hatte gewarnt: „Jeder, der nicht singt, wird aus dem Stadium geworfen und gezwungen, England zu sehen.“ Das wollte keiner. Obwohl man da noch ein letztes Mal Spaß mit David Seaman haben konnte.“

Birgit Schönau (SZ 18.10.) fasst die Situation der italienischen Elf zusammen. „Nach drei Spielen vier Punkte in der EM-Qualifikation, es macht sich Angst vor dem Ausfall breit. Sollte Italien nach 1984 und 1992 erneut die Qualifikation verpassen? Für die Tifosi und die Presse steht der Schuldige fest: Giovanni Trapattoni, der 63-jährige Coach, der mit seiner Mannschaft im WM-Achtelfinale gegen Südkorea gescheitert war. Die Rufe nach seinem Rücktritt sind nach der „Lektion von Wales“ (Gazzetta dello Sport) unüberhörbar geworden. Der Corriere della Sera geißelte eine „Mannschaft ohne Abwehr“, die Repubblica sah „manifestierte Unterlegenheit“, der Corriere dello Sport winkte zum Abschied: „Addio Trap.“ Zoff sitzt ihm im Nacken. Auch der Verband würde Trapattoni am liebsten im Regen stehen lassen, allen voran der Präsident von Berlusconis Gnaden, Franco Carraro. Trapattoni, der amDonnerstag zum Rapport zitiert wurde, vermittelt mit seinem altmodischen Fußball nicht das gewünschte Sieger-Image. Er beharrt derweil starrsinnig auf seinem Platz.“

Spielbericht Wales – Italien (2:1) NZZ

Reaktionen der irischen Presse NZZ

Irland – Schweiz (1:2) NZZ (I) NZZ (II)

Zur Lage des Schweizer Fußballs NZZ

Michael Smejkal (SZ18.10.) sah einen überzeugenden 3:0 Sieg der Holländer in Wien. „Es war in allen Bereichen eine Demonstration, die die Oranjes in einem seit fünf Wochen ausverkauften Happelstadion abgeliefert haben. Sie hätten ohne Probleme mit fünf, sechs oder sieben Toren Unterschied gewinnen können (…) Der erste Treffer war ein fußballerischer Höhepunkt – aus Sicht der Gewinner: Patrik Kluivert stand allein vor Keeper Manninger, doch anstatt selbst den Abschluss zu suchen, legte er mit der Ferse gegen die Laufrichtung für Clarence Seedorf auf, der den Ball ins leere Tor schob. Solche Szenen sieht man für gewöhnlich bei Benefizspielen oder in der Halle. Aber eigentlich nicht nach 15 Minuten in einem EM-Qualifikationsspiel.“

Österreich – Niederlande (0:3) NZZ

Russland – Albanien (4:1) NZZ

Weiteres

Frank Heike (FAZ 17.10.) besuchte einen arbeitslosen Trainer. „Pagelsdorf, vier Jahre lang Trainer des Hamburger SV, genießt diese Phase des Lebens, beschreibt sie als Luxus. Wie ein Arbeitsloser fühlt er sich nicht, sondern als „Privatier“. Das liegt zum einen an guten Gehältern und einer hohen Abfindung, die ihm der HSV vor 13 Monaten zahlte. Das liegt zum anderen daran, daß daheim im neugebauten Haus 100 trainingswissenschaftliche Fachbücher darauf warten, studiert zu werden, daß ein Zimmer zum Heimkino umgebaut wurde, wo Pagelsdorf ungestört der Leidenschaft Fußball(gucken) nachgehen kann. Fast jedes Wochenende ist der 44 Jahre alte Mann im Norden unterwegs und schaut sich Spiele an – „aber nicht dort, wo ein Trainer auf der Kippe steht“. Am Samstag fährt er nach Rostock, an die alte Wirkungsstätte. Ungefragt betet Pagelsdorf die taktischen Grundmuster aller Bundesligaklubs herunter. Keine Frage, wenn das richtige Angebot kommt, wird der geborene Hannoveraner einen neuen Job annehmen; auch im Ausland, aber nur, wenn der Verein international dabei sei.“

Zu den Bewerbungen um die EM 2008 lesen wir von Martin Hägele (SZ 17.10.). „Berechtigte Hoffnungen dürfen sich nur wenige der sieben Bewerber machen. Bestünde die elitäre Herrenrunde aus lauter echten Sportsfreunden, die sich ausschließlich von den Idealen des Spiels sowie politischer, sozialer und geschäftlicher Vernunft leiten ließen, dann wäre heute schon klar, wo die EM steigt: In der Alpenregion, wo sich auf den 1000 Kilometern zwischen Genf und Wien acht Stadien hübsch in einer attraktiven Landschaft verteilen lassen. Der Anpfiff für die EM würde im neu erbauten Wankdorfstadion in Bern ertönen, die Siegerehrung vier Wochen später in der renovierten Ernst-Happel-Arena in Wien steigen. Die Argumente für die beiden Länder sind überwältigend, sie bieten: Tradition, ein mehrsprachiges Ambiente, Sicherheit und eine verkehrstechnisch günstige Lage mitten in Europa. Alle anderen Bewerber haben mindestens ein Handicap.“

Christian Zaschke (SZ 17.10.). „Meist ist Stig Töfting ein freundlicher Mann. Er spricht ein fröhliches Deutsch mit dänischem Akzent, und wenn er lacht, sehen selbst seine Tätowierungen, seine Glatze und seine Muskeln freundlich aus. Aber es gibt die Momente, in denen die Erinnerung zu ihm kommt. Als er ein Junge war, hat sein Vater die Mutter getötet und anschließend sich selbst. Die Erinnerung macht Stigs Gedanken dunkel. Und sie dient alsErklärung, wenn er die Kontrolle verliert. Diesmal wollte der Richter nichts davon wissen. Töfting hat wiederholt andere Menschen geschlagen, und deshalb schickte der Richter ihn nun ins Gefängnis. Einen, und vielleicht nicht nur diesen Vorteil hat das: Er weiß an jedem schönen Morgen, wenn das Licht das Muster gerader Stäbe auf ie Decke wirft, wo er ist. Vier Monate lang, ohne Bewährung.”

Portrait Frank Neubarth SZ

Interview mit Johan Micoud (Werder Bremen) FR

„Hans Schäfer, torgefährlicher Held von Bern, wird morgen 75“ FR

Die FAZ (18.10.) erinnert. „Selbst in Bagdad, wo er vor gut zwei Wochen angekommen ist, lassen dem ehemaligen Trainer der DDR-Auswahl deutsche Journalisten keine Ruhe. „Ich bin doch Fußballtrainer und kein Politiker“, sagt er (Bernd Stange, of) und kann sich noch immer nicht recht erklären, weshalb sein geplanter Vierjahresvertrag im Irak in Deutschland „wie eine Bombe“ eingeschlagen hat. Er habe sich in seiner Laufbahn, die ihn nach der Wiedervereinigung unter anderem nach Australien und Oman führte, nie vereinnahmen lassen: Das werde er auch jetzt nicht tun, sagt er – weder von Deutschland noch vom Irak. Beim Thema Vereinnahmung offenbarte der Fußball-Lehrer allerdings eine Gedächtnislücke: Hertha BSC hatte Stange 1995 entlassen, weil ihm eine intensive Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi zwischen 1973 und 1986 nachgewiesen werden konnte. Stanges Berichte an die Firma, verfaßt unter dem Decknamen „Kurt Wegner“, enthielten Informationen über die Republikfluchtpläne einer Studentin, über Spieler und Trainer, zum Beispiel den inzwischen in Aachen arbeitenden Jörg Berger. Er war nach seiner Flucht in den Westen zunächst dankbar, daß Stange den Kontakt zu ihm suchte. Beim Studium seiner Opferakte fand Berger dann den IM „Wegner“ als Informanten, stellte Stange nach der Entschlüsselung des Decknamens zur Rede und kündigte ihm anschließend die Freundschaft.“

Michael Horeni (FAZ 18.10.) blickt hinter die Kulissen des Sportsponsors Telekom. „zur Verwunderung des DFB wird sich das Unternehmen, das sich im Juniorenfußball engagiert, zum Jahresende komplett verabschieden. Im Frühjahr seien noch die schönsten Pläne gemacht worden, heißt es beim Verband, doch wenige Monate später wurde das Engagement einseitig gekündigt. Dabei seien auch Enttäuschungen und Frustrationen abgearbeitet worden, heißt es aus Verbandskreisen. Auf die Frage, ob die Krise des Unternehmens auch Auswirkungen auf das Sportsponsoring habe, reagiert Kindervater ärgerlich. Sportsponsoring sei kein persönliches Hobby, sondern diene als Teil der Werbung der Imagebildung des Unternehmens und sei langfristig angelegt. Allerdings sind längst nicht alle Aktivitäten des Unternehmens auf das gleiche Ziel ausgerichtet. Beim FC Bayern liegt laut Kindervater der Schwerpunkt darin, die Bekanntheit von T-Mobile vor allem auf dem europäischen Markt zu vergrößern. Beim Engagement mit dem deutschen Rekordmeister fühlt sich Kindervater in bester Gesellschaft, da der englische Konkurrent Vodafone mit Manchester United wirbt. Sollten die Münchner jedoch nicht die zweite Gruppenphase erreichen, wird sich das bei den stark leistungsbezogenen Zahlungen deutlich auswirken.“

„Milde Rekordstrafe: Roy Keane von der FA mit Spielsperre und Geldstrafe belegt. Im Stillen wird Roy Keane am Dienstagabend gegrinst haben.“ NZZ

Die FAZ (18.10.) berichtet. „Fußballanhänger sehen sich einer zunehmend repressiven Behandlung ausgesetzt. Zu diesem Fazit kam die dreitägige „Bundeskonferenz der Fan-Projekte“. Abgesandte von 31 deutschen Vereinen, Gäste aus dem europäischen Ausland, Wissenschaftler, Sozialarbeiter, Polizisten und Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes diskutierten in Offenbach über die neuesten Entwicklungen in und um die Stadien. „Es gärt an der Basis“, sagte Thomas Schneider von der in Frankfurt angesiedelten Koordinationsstelle der Fan-Projekte. Er beklagte, daß die Bewegungsräume unverhältnismäßig eingeengt worden seien. Er äußerte die Befürchtung, daß die Fankultur mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2006 ”gezähmt” werden solle, die Möglichkeiten zur Selbstinszenierung weniger würden. Das kategorische Auftreten der Polizisten sowie der Ordnungsdienste werde jedoch zu erheblichen Problemen führen, wenn nicht „differenzierter mit Fans umgegangen wird“. Thomas Weinmann, Sprecher der „Aktion 15:30“, nannte vor allem den Umgang mit Fans der Gästemannschaften „menschenverachtend. Man fühlt sich wie ein Schwerverbrecher.“ Als Beispiel führte der Mönchengladbacher Aktivist die Arena „AufSchalke“ an, „wo man als Sympathisant des Gegners in Käfigen gehalten wird“. Er sprach von einem „nicht nachvollziehbaren Sicherheitswahn“, der beim Bau neuer Stadien zu beobachten sei. Obwohl die Statistiken einen Rückgang der Kriminalität im Zusammenhang mit Fußballspielen belegten, sei ein verstärkter Wille zur Überwachung und Bestrafung zu registrieren.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Vergangenheit und Gegenwart

Wieder einmal Mittelmaß bei den Löwen, was gleichzeitig bedeutet, dass die Saison bereits jetzt abgehakt wird; so der Tenor in der Analyse von Christian Zaschke (SZ 22.4.). „Noch spielen bei 1860 vordergründig Vergangenheit und Gegenwart die Hauptrollen. Trainer Götz möchte am liebsten allein über die Gegenwart sprechen, über das gerade absolvierte Spiel, auch wenn das niemanden mehr interessiert. Das liegt daran, dass alle anderen Themen derzeit schwierig für ihn sind. Er hat die Mannschaft zu einem Zeitpunkt in der Saison übernommen, an dem es ihm nicht mehr möglich war, Akzente zu setzen. Als er in der vergangenen Spielzeit bei Hertha BSC als Interimscoach einsprang, fand er eine funktionierende Mannschaft vor, die auf einzelnen Positionen herausragend besetzt war. Er musste sie lediglich motivieren. Bei 1860 München muss er arbeiten; nun ist er tatsächlich als Trainer gefordert. Er muss versuchen, eine Mannschaft zu formen, die besser spielt, als das Können der einzelnen Spieler es vermuten lässt. Das ist möglich. Doch es kostet Zeit. Kleinere Fortschritte sind bereits zu erkennen. Götz arbeitet intensiv am größten Problem der Sechziger, dem Spielaufbau. Dieser war unter Vorgänger Pacult zugunsten einer strikten Kontertaktik abgeschafft worden, was kurzfristig funktionierte, langfristig jedoch zum Scheitern verurteilt war. Götz setzt wieder auf eine kreative Zentrale im Mittelfeld, er tritt mit drei Stürmern an, er will modernen Fußball spielen lassen. Doch an dieser Stelle kommt die Vergangenheit ins Spiel, sie heißt Thomas Häßler. Der alternde Spielmacher passt nicht mehr zu diesem neuen Stil. Häßler ist ein brillanter Fußballer, doch er ist langsamer geworden, er ist 36 Jahre alt. Er kann den perfekten Pass spielen, doch häufig schlägt er noch einen Haken, bevor er ihn spielt. Er braucht zudem Sicherung nach hinten, das bindet Spieler. Götz versucht nun die behutsame Trennung. Als er Häßler gegen den HSV in der 74. Minute einwechselte, war der Jubel so groß wie nach einem Tor. Die Fans skandierten „Icke Häßler“, bei jeder Ballberührung gab es Beifall. Dem Spiel konnte Häßler keine Impulse verleihen.“

Wie Schmusekätzchen

Elisabeth Schlammerl (FAZ 22.4.). „Was Trainer Jara schon länger bedenklich gestimmt hatte, ist das Auftreten der Seinen auf des Gegners Platz in dieser Fußball-Bundesligasaison. Seit dem 30. November gab es nur noch Erfolge im heimischen Stadion. Es ist ein Kopfproblem, sagt Jara, auswärts haben wir eine Blockade. Die Auswirkungen zeigten sich am Samstag in München vor allem in der ersten Halbzeit. Gegen die lauffreudigen Löwen, die durch Martin Max in Führung gingen, wirkten die Hamburger zunächst wie Schmusekätzchen. Technisch versiert, aber viel zu vorsichtig begannen sie im Olympiastadion. Zweikämpfen gingen sie lieber aus dem Weg – mit Ausnahme von Bernd Hollerbach, der gewohnt derb zu Werke ging und deshalb auch gewohnt schnell die Gelbe Karte sah. Erst ein paar deutliche Worte von Jara weckten den Kampfgeist des HSV. In der Halbzeit hat es gerumst, verriet Hollerbach.“

Über weite Strecken zum Wegschauen

Jörg Hanau (FR 22.4.) bezweifelt Hamburger Ambitionen. „Die Kameramänner hatten längst den Presseraum des Olympiastadions verlassen, als Bernd Hoffmann mit Verve gegen einen bemitleidenswerten Stuhl trat. Wut? Enttäuschung? Frust? Von allem ein bisschen. Der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV litt auf hohem Niveau, wie er sagte. Natürlich ist ihm klar, dass es den Kollegen etwa in Leverkusen viel schlechter geht. Die, sagte er und lenkte so von den eigenen Problemen ab, würden gerne mit uns tauschen. Stimmt. Aber kann das wirklich der Anspruch des neuen HSV-Chefs sein, der vor gut einer Woche noch drei Minuten lang von der Champions League träumen durfte und dessen Club nun, nach dem mageren 1:1 beim TSV 1860 München, aus den Uefa-Cup-Rängen gepurzelt ist? Ganz sicher nicht. Die Hamburger wollen und müssen in der kommenden Saison auf der europäischen Bühne kicken. Das ist für den Werbewert des HSV enorm wichtig, sagte Hoffmann und ließ vorsichtig durchblicken, dass er wohl so seine Zweifel hat, ob alle Mitarbeiter mit der HSV-Raute auf der Brust dies genauso sehen wie er. Es war über weite Strecken zum Wegschauen, was die HSV-Elf den 22.000 frierenden Zuschauer im kalten München bot. Dass die mitgereisten Hamburger Journalisten später gar von einem ganz guten Auswärtsspiel des Teams sprachen, verdeutlich, wie wenig sie bei den Gastspielen der vom Österreicher Kurt Jara trainierten Mannschaft auf den Plätzen der Konkurrenz in dieser Saison verwöhnt wurden.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Beckham grandios – Hoddle in Tottenham rausgejagt – Hahnenkämpfe in Manchester und Turin – Niedergang Benficas – Portrait Mia Hamm

„David Beckham wischt mit exzellenten Leistungen alle Bedenken vom Tisch, seine Verpflichtung beiReal Madrid sei nichts als ein PR-Gag“ schreibt Thilo Schäfer (FTD 23.9.): „Mit seinem zweiten spektakulären Treffer in der Primera División setzte Beckham einen weiteren Höhepunkt in der noch kurzen Karriere beim spanischen Rekordmeister. Den heimischen Reportern gehen jetzt schon die Adjektive aus, um die sensationelle Leistung des 35-Mio.-Euro-Einkaufs von Manchester United zu beschreiben. Der Fußballer mit Popstar-Status hat in wenigen Wochen auch die letzten Kritiker zum Schweigen gebracht, die im Sommer noch vermutet hatten, dass die Verpflichtung des Ehemanns von Ex-Spice- Girl Victoria Adams eine reine PR-Aktion war. „Beckham wird mit jedem Tag unentbehrlicher für die Mannschaft“, urteilte die Sportzeitung „Marca“. Die rasche Eingewöhnung des Briten ist um so erstaunlicher, wenn man die Probleme seiner illustren Mitspieler in Erinnerung ruft. Das französische Fußballgenie Zinedine Zidane wirkte nach seiner Verpflichtung vor zwei Jahren am Anfang wie ein Fremdkörper im Team. Brasiliens Weltmeister Ronaldo erntete in der vergangenen Saison sogar Pfiffe vom eigenen Publikum, ehe er in einem beeindruckenden Lauf Real zur Meisterschaft schoss. Beckham dagegen begeisterte die Menge im Madrider Bernabéu-Stadion vom ersten Spiel an. Dabei überzeugt er nicht allein durch technische Leckerbissen bei Freistößen, Flanken und Ecken („Beckham flankt bei Eckbällen nicht einfach in den Strafraum, sondern er liefert ein halbes Tor“– „El País“). Fans und Kritiker sind geradezu verblüfft über den unnachgiebigen Kampfgeist des Mittelfeldspielers mit den ständig wechselnden Frisuren. Beckham rennt unermüdlich und sucht die Zweikämpfe wie ein A-Jugend-Spieler, der seine große Chance auf einen Stammplatz in der Profielf wittert. „Beckham hat einen unglaublichen Kampfgeist“, freut sich denn auch Reals Präsident Florentino Pérez. Für ihn ist die Entwicklung ein besonderer Triumph: War doch die Verpflichtung Beckhams alles andere als unumstritten. Auch die Bedenken, dass Beckham taktisch nicht in das Starensemble der Königlichen passen und sich lediglich mit Figo auf die Füße treten würde, haben sich inzwischen zerstreut.“

Vernichtendes Zeugnis zum Abschied

Martin Pütter (NZZ 23.9.) berichtet die deftige Entlassung Glenn Hoddles bei Tottenham Hostpur: „Chairman Daniel Levy unterbrach seine Flitterwochen – und gab Hoddle in seiner offiziellen Mitteilung ein vernichtendes Zeugnis zum Abschied. Den von Levy angeführten Punkten mangelte es nicht an Deutlichkeit: Trotz massiven Investitionen in neue Spieler – die Londoner gaben 26,4 Millionen Franken für die drei Stürmer Bobby Zamora, Frederic Kanouté und Helder Postiga aus – habe der schlechteste Start in die Premier League seit deren Gründung resultiert. Dazu sei die zweite Hälfte der letzten Saison extrem schwach gewesen, und der fehlende Fortschritt sowie die Absenz sämtlicher Zeichen von Besserung seien schlicht inakzeptabel. Zudem müsse der Vorstand Vertrauen zum Trainer haben, dass Erfolge eintreffen – und dieses Vertrauen fehle. Bei solch starken Worten kommen sogar Zweifel auf, ob Hoddle je wieder eine Chance hat, in einem englischen Klub Trainer zu werden. Bei Tottenham schien der einst so elegante Mittelfeldspieler alles falsch zu machen, was man als Manager falsch machen kann. Er hielt stur am 3:5:2-System fest, selbst wenn mittlerweile Klubs wie Southampton zeigen, wie leicht dieses taktische Konzept auseinander zu nehmen ist. Er bestritt, dass Verteidigung und Mittelfeld verstärkt werden müssen, was nach zehn Gegentoren in den letzten drei Partien nicht mehr glaubhaft ist. Seine grössten Fehler beging Hoddle jedoch im Umgang mit den Spielern. Es sei kein Teamgeist vorhanden, der Coach habe keine Ahnung davon, wie er Spieler behandeln soll, und keiner werde ihm bei einer Entlassung eine Träne nachweinen, sagte der im Februar zu Portsmouth abgeschobene Tim Sherwood. Erwachsene Männer fühlten sich von ihm wie Kinder behandelt, fügte der ehemalige irische Internationale Tony Cascarino an, der zu Beginn der neunziger Jahre unter Hoddle mit Chelsea gespielt hatte. Anstatt Psychospiele mit dem Gegner zu veranstalten, betreibe Hoddle dies mit den eigenen Spielern, schrieb David Beckham jüngst in seiner Autobiografie.“

Christian Eichler (FAZ 23.9.) berichtet die entscheidende Szene beim 0:0 zwischen ManU und Arsenal: „Achtzehn Elfmeter in Folge hatte van Nistelrooy in den vergangenen beiden Spielzeiten verwandelt, fast alle halbhoch, linke Seite. Die Torhüter wußten das und konnten doch nichts tun. Dann stand ihm Lehmann erstmals gegenüber, im Elfmeterschießen des Community Shield zwischen Meister und Pokalsieger. Van Nistelrooy wählte wie immer die linke Ecke – Lehmann hielt. Seitdem hat der Holländer eine Art Krise, trifft kaum und hat noch einen Elfmeter verschossen, gegen Bolton. Nun also Nachspielzeit in Manchester, Nistelrooy/Lehmann, die zweite. Der Schütze legt sich den Ball hin, der Hüter hüpft, wie es der Guardian formuliert, manisch auf der Linie hin und her, als wäre er Torwart in einem Tischfußballspiel in der Hand eines aufgeregten Schuljungen. Das Gehampel hat Methode: Schau, so klein ist das Tor, ich bin überall. Lehmann kennt sich aus mit dem Psychospiel, er hielt 1997 gegen Inter Mailand Zamoranos Elfmeter, der Schalke den Uefa-Cup brachte. Van Nistelrooy läuft an, scheint diesmal die andere, die rechte Ecke anzupeilen, dort aber taucht der Torwart auf; der Schütze dreht den Fuß – und hämmert den Ball links an die Latte. Es folgten aggressive Triumphgesten der Arsenal-Verteidiger bis hin zur körperlichen Provokation des geknickten Holländers. Die gegenseitigen Beschuldigungen setzten sich bis in die Wortduelle fort. Trainer Arsène Wenger beschuldigte van Nistelrooy zu provozieren und simulieren. Kollege Alex Ferguson fand diesen Kommentar schlimm und das Verhalten der Arsenal-Spieler jenseits der Grenze. Achtzig Minuten Langeweile, zehn Minuten Krieg – so etwa pointierte die Boulevardpresse dieses Duell, das über die Jahre der gemeinsamen Dominanz immer mehr vom spielerischen Vergleich zum hormonellen Hahnenkampf geworden ist. Jahrelang waren es eher die Spitzenduelle der Bundesliga, in denen Spieler mit der aufgepeitschten Stimmung nicht kreativ umgehen konnten, während das den England-Profis besser gelang. Nun produzierten Bayern und Bayer beim 3:3 in München Fußball zum Schwärmen und United und Arsenal beim 0:0 in Manchester Fußball zum Abschalten.“

Peter Hartmann (NZZ 23.9.) fasst den Spieltag in Italien anschaulich zusammen: „Die fünfte Kraft im Calcio, die letztes Jahr tief abgestürzte AS Roma, vergab in Turin in der Nachspielzeit einen kapitalen Matchball: Francesco Totti stand nach einem genialen Pass des Brasilianers Emerson plötzlich allein vor Torhüter Buffon. Ein angekündigter Showdown. Totti, dessen Bestseller mit Witzchen und Versprechern in diesem Sommer 600000-mal über den Ladentisch gegangen ist, versuchte es mit einer humoristischen Einlage, mit dem „cucchiaio“ (wörtlich: Löffel). Wenn die Geste gelingt, wird der Torhüter gedemütigt; wenn sie misslingt, kann sich der gescheiterte Artist mit dem Löffel das Grab schaufeln. In den verbalen Hahnenkämpfen vor dem Spiel behauptete Totti, die AS Roma werde 3:1 gewinnen, aber niemals würde er seinen Freund Buffon der Schmach eines „cucchiaio“ aussetzen. Nun hatte der Prophet den Siegtreffer auf dem Fuss, und Buffon wusste, was er von seinem römischen Kumpel zu erwarten hatte. Das Stadion hielt den Atem an. Totti zögerte eine Idee zu lange mit dem Ball am Fuss, vielleicht verfluchte er noch in der gleichen Sekunde, dass er die schlaue Variante gewählt hatte. Buffon riss den Arm hoch – er war der Sieger, wenn er auch nur das Unentschieden rettete (…) Der Mentalitätswandel in der SerieA ist unübersehbar: Die Zeichen stehen auf Angriff. Das auslösende Trauma war, wie Milan-Trainer Carlo Ancelotti wieder bestätigt hat, die WM-Niederlage gegen Südkorea, als der Nationalcoach Trapattoni das 1:0 mit herkömmlicher Betontaktik absichern wollte, als er die kreativen Spieler Zambrotta und Del Piero durch die Wadenbeisser Di Livio und Gattuso ersetzte – das ist bewältigte Vergangenheit. Drei von vier Halbfinalisten der Champions League waren italienische Klubs. Die Startsiege von Milan, Juve, Lazio und vor allem die Demonstration von Inter in Highbury gegen die Romantiker von Arsenal bestätigten den Trend. Auch wenn gerade Inter unter dem Pressing von Sampdoria wieder in den konfusen Trott der letzten Saison verfiel. Selbst eine Mannschaft wie Siena, die zum ersten Mal überhaupt in der SerieA auftritt, liefert ein Matchblatt mit vier Toren (gegen Empoli) ab. Brescia und die Reggina zeigten ein Pingpongspiel mit dem Resultat 4:4, wobei der 36-jährige, fast gänzlich ergraute Roberto Baggio auf den Tag genau 17 Jahre nach seinem Début in der Serie A einen Penalty für Brescia verschoss.“

Georg Bucher (NZZ 23.9.) beschreibt den Niedergang Benficas: „Genau 26 Jahre nachdem das autoritäre Salazar-Regime die Macht übernommen hatte, wurde am 28.Mai 1952 das Estádio das Antas eingeweiht. Sport Lisboa e Benfica, ein verlängerter sportlicher Arm der Nomenklatur, wurde nach Porto geladen und fertigte den Platzklub mit 8:2 ab. Im Laufe der Jahre verschoben sich jedoch die Kräfteverhältnisse. Porto schwenkte nach der Nelkenrevolution 1974 auf die Überholspur, etablierte sich auch in Europa und gewann von den letzten neun Heimspielen gegen Benfica acht; nur in der Saison 1999/2000 erreichten die Lissabonner ein torloses Unentschieden. Da das neue Estádio do Dragão im November bezogen werden soll, bildete die Antas-Arena am Sonntagabend letztmals die Kulisse einer Classique. Dieser besondere Umstand motivierte Vorspiele weit über das Einzugsgebiet der Metropolen hinaus. Unfreiwillig spiegelt die „Casa do Benfica“ in Valença do Minho, einer Kleinstadt an der galicischen Grenze, die Befindlichkeit des Lissabonner Traditionsklubs. Einwegfeuerzeuge mit dem Klubemblem sind ungebraucht und dennoch leer. Auch nach dem dritten Besuch liegen T-Shirts, Pullover und Kappen unverändert in der Merchandising-Vitrine aus. Ausgestopfte Adler simulieren Tiefflüge, die Augen melancholisch zum Himmel gerichtet. An der Wand hängen Bilder jener Mannschaften, die 1960/61, 1990/91 und 1993/94 Meister wurden.“

Matthias B. Krause (FTD 23.9.) porträtiert Mia Hamm: „Bei den ersten beiden Treffern konnte sie sich noch prima rausreden. Es habe sich um eine gute Teamleistung gehandelt, sagte Mia Hamm wieder und wieder, sie habe den Ball einfach nur weitergespielt. Doch ihren Anteil am dritten Treffer der US-Frauen in ihrem Auftaktspiel zur Fußball-WM gegen Schweden kleinzureden, gelang ihr dann nicht mehr. Zu genau hatte die 31 Jahre alte Stürmerin aus Washington den Eckball auf den Kopf ihrer Kollegin gezirkelt. Statt Shannon Boxx hätte wahrscheinlich auch ein Baumstamm gereicht, um den Ball direkt ins Tor zum finalen 3:1-Treffer zu lenken. Außerdem wollten die heimischen Reporter sowieso nichts anderes hören. Drei tödliche Zuspiele der großen Mia, das passt haargenau ins Bild, das alle längst in ihren Köpfen haben. Die „New York Times“ notierte danach: „Andere Spielerinnen trugen zum Sieg bei, doch Mia Hamm ist für viele der 34 114 Fans im Stadion der Star, das Symbol und das Covergirl dieses Teams. Gewählt durch einen mysteriösen Prozess, der neben individueller Leistung kommerzielles Kalkül ebenso einschließt wie öffentliche Anziehungskraft.“ 45 Kickerinnen führt die offizielle WM-Webseite auf, denen die Besucher besondere Aufmerksamkeit schenken sollten. Allein für das US-Team sind es neben Hamm fünf. Und eine, die viele für die derzeit beste Fußballspielerin überhaupt halten, taucht nicht einmal auf: die deutsche Stürmerin Maren Meinert. Zwar schied die 30 Jahre alte Rheinhausenerin mit den Boston Breakers im Halbfinale der US-Meisterschaft gegen Mia Hamms Washington Freedom aus, doch nahm sie den Titel der wertvollsten Spielerin der Profiliga WUSA mit nach Hause. Schon beim All-Star-Spiel war sie ebenfalls als Beste der Besten geehrt worden. Und zum Ende ihrer Karriere will sie mit dem als einer der Favoriten gehandelten deutschen Team nun den WM-Titel. Eigentlich auch eine schöne Story, doch die US-Medien beeindrucken solche Fakten wenig. Sie haben sich auf die öffentlichkeitsscheue Mia Hamm als Titelgesicht der WM eingeschworen. Dabei fühlt sich kaum jemand unwohler in dieser extrovertierten Rolle.“

FR-Interview mit Bettina Wiegmann und Linda Bresonik

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