Donnerstag, 25. März 2004
Allgemein
Hertha, die Rehabilitationsanstalt für enttäuschende Fußballprofis
Friedhard Teuffel (FAZ 22.2.). „Wenn das so weitergeht, dann empfiehlt sich Hertha BSC Berlin noch als Rehabilitationsanstalt für enttäuschende Fußballprofis. Zwei erfolgreiche Behandlungen können die Berliner schon vorweisen: die des Brasilianers Alex Alves und des Niederländers Dick van Burik. Die beiden haben schließlich mit ihren Toren bewirkt, daß Hertha nun alle Möglichkeiten zum Erreichen des Viertelfinales im Uefa-Pokal hat. Das 3:2 vom Donnerstag abend vor 16.000 Zuschauern im Olympiastadion gegen Boavista Porto ist zwar keine ideale, aber doch eine ordentliche Grundlage für das Rückspiel beim portugiesischen Meisterschaftszweiten. Alves traf dabei zweimal, van Burik einmal. Jetzt gehören die beiden wieder zu den Siegertypen in der Berliner Mannschaft. Vor kurzem war sich der Klub, also Manager Dieter Hoeneß, gar nicht sicher, ob er sie noch weiter für Hertha spielen lassen will. Er drohte damit, Alves an einen anderen Verein abzugeben, und mit van Burik schloß er keinen Vertrag für die nächste Saison. Außerdem hatte Hoeneß den Niederländer für dessen offene Worte gegenüber Journalisten kritisiert. Das schienen keine guten Voraussetzungen für erfolgreiches Fußballspiel zu sein. Doch jetzt geht Alves wieder seinem Beruf nach, dem Toreschießen, und van Burik hat offenbar zu alter Nervenstärke zurückgefunden. Die Nachricht, daß der launische und eigensinnige Alves auch Tore hintereinanderweg schießen kann, ist inzwischen sogar schon eine Woche alt. Am Sonntag hatte der brasilianische Stürmer nämlich beim 2:0-Sieg der Hertha bei Borussia Mönchengladbach beide Tore erzielt. Gegen Boavista Porto zeigte er, daß dies keine einmalige Leistung war, der dann wieder saure Wochen folgen.“
Spielbericht Tsp
Vor dem Achtelfinale
Christian Eichler (FAZ 20.2.) porträtiert den Gegner des VfB Stuttgart. „Celtic, das ist das alte Lied des neuen schottischen Fußballs: Groß sind Tradition, Publikum, Ausgaben, winzig die Wirkungen in der Welt. 1967 brach Celtic die Dominanz Südeuropas und gewann den Europapokal der Landesmeister, doch seitdem ist die Konkurrenz vom Kontinent immer mehr außer Reichweite gerückt. Die beiden Glasgower Klubs, Celtic und Rangers, locken Ausländer mit viel Geld und bekommen doch vorwiegend solche, die schon die Altersteilzeit ihrer Laufbahn anstreben. Auch Andreas Thom, von 1995 bis 1998 der letzte Deutsche bei Celtic, war schon auf der Ehrenrunde. Aus Schottland führt kaum ein Weg zurück in die Top-Ligen des Kontinents, wie zuletzt auch Jörg Albertz erlebte. Der frühere Nationalspieler, Publikumsliebling bei den Rangers, fand nach seiner Rückkehr keinen Platz mehr bei seinem früheren Klub, dem Hamburger SV, und emigriert nun nach China. Die Versuche der beiden Glasgower Klubs, aus der schottischen Liga, in der sie finanziell und sportlich konkurrenzlos sind, in die englische überzuwechseln, versanden immer wieder. Bleibt nur die internationale Bühne, oft mit peinlichen Folgen. In der Qualifikation zur aktuellen Champions League scheiterte Celtic am FC Basel. Der Meister mußte in den Uefa-Pokal. In dem aber hat Celtic nun zum ersten Mal seit zwanzig Jahren in einem europäischen Wettbewerb Weihnachten überstanden.“
Raphael Honigstein (FTD 20.2.) widmet sich dem Trainer Celtics. „Seit knapp zwei Jahren muss sich Martin O’Neill fast jeden Morgen ärgern. Die schottischen Zeitungen überschlagen sich mit wilden Spekulationen über seine Zukunft, und immer läuft alles auf die Frage hinaus: Wann geht er? Das ging schon vielen Kollegen so, aber hier liegt der Fall ein wenig anders – über O’Neill wird nicht mangels Erfolg diskutiert, sondern weil er in seinem Job zu gut ist. Gleich in seiner ersten Saison als Trainer von Celtic hat der 50-Jährige 2001 das Tripple aus Meisterschaft, Pokal und Ligapokal gewonnen. In der vergangenen Saison wurde er erneut Meister und veränderte damit die Machtverhältnisse im schottischen Fußball: Das katholische, nach Jahren der Erfolglosigkeit unter einem Minderwertigkeitskomplex leidende Celtic hat den einst übermächtigen Protestanten-Klub Rangers überholt. Der in Belfast geborene O’Neill erfüllt sich bei Celtic einen Kindheitstraum, er war schon als kleiner Junge ein Fan des Vereins (…) Er brachte dem für sein stürmisches Angriffsfußpiel bekannten Celtic-Team das Verteidigen bei: Seine 3-5-2-Taktik ist eine der defensivsten der Liga. Seine Arbeitsweise akribisch zu nennen, wäre ein Euphemismus, den der fast schon krankhafte Perfektionist wahrscheinlich als Beleidigung empfinden würde. Er kann über Schwächen und Stärken von allen nennenswerten Spielern Europas dozieren. Vor ein paar Jahren hat er sich Jura-Grundkenntnisse angeeignet; in seiner Freizeit rollt er noch mal alte, rätselhafte Mordfälle auf. Seine Detailversessenheit wird nur noch von seiner Leidenschaft übertroffen. Schon als Spieler bei Nottingham Forest war sein Kampfgeist legendär, er hatte maßgeblichen Anteil am zweimaligen Europapokalgewinn 1979 und 1980. Heute springt er im Stadion wie ein Gummiball vor der Bank umher und hat auch seine Zunge selten unter Kontrolle.“
Martín E. Hiller (Tsp 20.2.) über Herthas Gegner. „Die Namen klingen verheißungsvoll. Die Mannschaft von Boavista Porto schmückt sich mit Spielern wie Nuno Gomes, Silva oder Cafú. Allein, all diese Protagonisten sind lediglich Namensvettern der berühmten Nationalspieler aus Portugal und Brasilien. Kein Spieler aus dem aktuellen Kader von Boavista hat je in einem der europäischen Topvereine eine Rolle gespielt, kein Spieler hat einen Namen, der hierzulande wirklich geläufig wäre. Der Gegner von Hertha BSC im heutigen Uefa-Cup-Achtelfinale ist vielmehr eine Mannschaft, die nach internationalen Maßstäben als durchschnittlich einzustufen ist. Boavista ist regelmäßig in europäischen Wettbewerben vertreten und verzeichnet immer mal wieder respektable Erfolge. In dieser Saison warfen die Portugiesen immerhin Paris Saint Germain aus dem Wettbewerb. Dennoch gelang nie der große Wurf in Form eines internationalen Titels.“
Gewinnspiel für Experten
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Die zunehmende Medienmacht des FC Bayern
In der fußballlosen Zeit der vergangenen zwei Sommermonate dominierte der Blick auf den FC Bayern München die Zeitungsschlagzeilen. Dabei fällt auf, dass die Qualitätspresse zunehmend dessen „Medienmacht“ (SZ) beklagt. Den Machern des deutschen Meisters gelingt es demnach, die Berichterstattung wirkungsstarker Medien über den Klub zu beeinflussen.
In der Tat: Nachdem Manager Uli Hoeneß vor Monatsfrist drei Bayern-Fanklubs verboten und deren Mitglieder als gewalttätige, kaltblütige Schlipsträger pauschal verurteilt hat, kann er sich der Linientreue seiner Erfüllungsgehilfen sicher sein. Während SZ und taz das fragwürdige Vorgehen scharf kritisieren und in ihren Wertungen auf Aussagen der Betroffenen eingehen, schnitzt die Sport-Bild Schlagzeilen aus dem Holzblock: „Terror aus dem Fanblock“. Jedoch weder Hoeneß noch seine schreibenden Adjutanten können sich auf Fakten stützen. Dennoch stellt sich Europas größte Sportzeitschrift ohne Wenn und Aber in den Dienst des Bayernmanagers und rechtfertigt seinen Rufmord.. Der kann sich glücklich schätzen, der Freunde an der richtigen Stelle hat! Der kann sich glücklich schätzen, der sein Image mitbestimmen kann!
Über diese ungleiche Auseinandersetzung schreibt die taz: „Wenn die Fans schon nicht zu kriminalisieren sind, dann wenigstens zu diffamieren. Damit versuchen die Klubs den starken Zuspruch der Fannetzwerke zu dämpfen – zum Schutz vor zuviel Einfluss der Basis“. Es bleibt der Eindruck, dass Hoeneß sozial engagierten Fans Grenzen stecken will. Schließlich möchte er sich nicht in die Vereinspolitik (Ticketverkauf, Sponsoren) reinreden lassen. Die Mitglieder des Club Nr. 12 haben auf der Klub-Homepage „Magenta“ zum Unwort des Jahres gewählt: ein Affront gegen den Sponsor Telekom, der mit seiner Farbe aus Sicht der kulturkritischen Fans in Stadion und Umfeld zu stark präsent ist. Die SZ klärt über die Motive der Debatte auf: „Vordergründig geht es zwar um Sachbeschädigungen und Nötigung, aber bei genauerer Betrachtung um die Machtfrage“. Geht es um ihre Herzensangelegenheit, wollen die Fans mitreden: ein Verstoß gegen die Spielregeln des Uli Hoeneß.
Vor Beginn der 40. Spielzeit der Bundesliga müssen die Beobachter befürchten, dass der FC Bayern seinen Konkurrenten sportlich ähnlich weit voraus ist. Dennoch ist die Vorfreude der Fußballfreunde auf has heutige Eröffnungsspiel groß. Der Meister trifft auf Aufsteiger und Abstiegskandidat Frankfurt; ein Prolog, dessen eindeutige Ausgangslage hoffentlich nicht die Dramaturgie der gesamten Saison vorwegnimmt. Das Duell David gegen Goliath kann auf Dauer nicht spannend sein.
Der gekränkte Riese wollte mit Macht die Stellung als oberste Moralinstanz des Fußballs zurück erobern
Thomas Kistner (SZ 1.8.) stellt einen Imagewechsel des Ligaprimus fest. „Das Defizit an Emotion auf dem Rasen bekämpfte die Chefetage. Fast mochte man glauben, all die manischen Zänkereien mit Fans und Deutscher Fußball-Liga, mit Real „Affentheater“ Madrid, Lothar „Greenkeeper“ Matthäus oder dem unbotmäßigen Privatsender RTL seien PR-Strategien der berühmten Münchner Abteilung Attacke, um die Branche für die früh verlorene Spannung zu entschädigen. Aber so oberflächlich liegen die Dinge nicht. Der FC Bayern hat sein wichtigstes Image aufs Spiel gesetzt – das des wohltätigen Riesen, an dem sich die Konkurrenz reiben, aber auch stets aufrichten konnte. Die Bayern: Das war der deutsche Vorzeigeklub, der Gefühle wie kein anderer polarisiert, im Kern aber unantastbar blieb als Musterbetrieb inmitten des internationalen Fußballsumpfes. Keine Finanzexzesse, keine schmutzigen Tricks, selbst die Boulevardmedien konnten aus der geringen Skandaldichte nur einen müde glitternden FC Hollywood destillieren. Und: Waren diese Bayern nicht das soziale Gewissen der ganzen Branche? Der Klub, der Not leidende Vereine per Benefizspiel vorm Untergang bewahrte, der aus Solidarität zu den weniger Begüterten gar den Weg für die Zentralvermarktung freigeräumt hatte? Die Bayern taten Gutes, die anderen redeten darüber, wirkungsvoller lässt sich ein karitatives Image nicht kreieren. Dann kam, im Februar, der Sündenfall. Ein stiller Kirch-Vertrag wurde ruchbar, es folgte eine große Moraldebatte – sieh an, auch die Bayern kungeln, sind empfänglich für diskrete Deals! – und die Demütigung, weil Hoeneß ja zu Affärenbeginn orakelt hatte: „Alle müssen sich wieder bei uns entschuldigen, wenn rauskommt, was dahinter steckt!“ Es kam heraus. Die DFL schickte eine Abmahnung, sie attestierte ihrem Frontbetrieb „moralisch verwerfliches“ Tun. Gegen diesen Affront verblasste selbst die Geldstrafe von drei Millionen Euro. Seither ist das Klima rau geworden. Der gekränkte Riese wollte mit Macht die Stellung als oberste Moralinstanz des Fußballs zurück erobern und ersetzte die verlorene Souveränität durch Drohgebärden. Im Zuge der neuen Selbstgerechtigkeit reagierte er auf kleinste Anlässe mit brausendem Zorn und stellte eigene Verdienste prahlerisch heraus. Ob beim Benefiz-Spiel, bei dem Hoeneß im St.-Pauli-Retter-T-Shirt auftrat („Ich hoffe, dass alle, die Bayern als arrogant bezeichnen, ihr Urteil überdenken“), ob vorm Matthäus-Prozess („Wenn der FC Bayern nur zehn Cent bezahlen muss, zweifle ich an der Legitimität der deutschen Justiz“) oder in Sachen Stadionbau (Bayern-Vorständler Rauch: „Die Münchner müssen für uns jeden Tag ein Dankgebet zum Himmel schicken. Schließlich bekommen sie wegen uns einen neuen Autobahnanschluss“) – sie versäumen es nicht mehr, die Dankbarkeit der Öffentlichkeit einzufordern, im Bedarfsfall auch die ganzer Landstriche. Doch die Muskelspiele wirken wie ohnmächtige Reaktionen auf den Verlust der eigenen Unschuld. Kaum eine der Androhungen wurde durchgesetzt.“
Als Krisenmanager sind die Bayern-Verantwortlichen eine Katastrophe
Matti Lieske (taz 1.8.) sieht das ähnlich. “Michael Ballack, der brave Fußballer des Jahres, sagt sie alle, diese Sätze aus dem ungeschriebenen Ehrenkodex der Münchner, der seinen letzten Schliff im Mai 2001 erhielt. Damals in Mailand, als die Bayern nach langen Jahren des Strebens und Scheiterns endlich mal wieder Europas Fußballkrone eroberten, ist etwas passiert in den Köpfen der Führungskräfte bei Deutschlands erfolgreichstem Fußballklub. Gaben sie sich vorher noch mit der Rolle des kleinen, aber schlauen Underdogs zufrieden, der die reichen Klubs aus dem Süden und aus England mit Geschick, List und Kampfkraft aufs Kreuz legt, gilt seither nur noch: Wir sind die Größten. Karl-Heinz Rummenigge geriert sich als eine Art Berlusconi des europäischen Fußballs, und Uli Hoeneß kennt überhaupt nur noch einen einzigen Gegner auf dieser weiten Welt: Real Madrid. Kein Wunder, dass es ihm gefällt, wenn Ballack Sätze sagt wie: Ich sehe keinen Verein, der besser ist als wir. Oder: Gegen eine Mannschaft mit so vielen Superstars zu spielen und zu gewinnen, macht fast noch mehr Spaß, als selbst für sie zu spielen. So etwas möchte er hören, der Bayern-Manager, der mit seinen neidgetriebenen Affentheater-Kommentaren zu Reals Beckham-Verpflichtung schon vorher sein Scherflein zur Debatte beigetragen hatte. In Madrid sind sie immer ganz verblüfft über die Vehemenz, mit der die Bayern eine Rivalität schüren, die man bei Real, wo neben dem FC Barcelona die Italiener das Feindbild sind, gar nicht sieht. Sogar eine Katastrophe wie das Vorrunden-Aus in der letzten Saison der Champions League konnte den Übermut der Bayern nur kurzfristig dämpfen (…) Das kurze Schmierentheater um den Trainer nach dem letztjährigen Aus in Europas Eliteliga gab einen Vorgeschmack darauf, wie brüchig das Konstrukt Bayern München geworden ist. Hitzfeld hat durch seine Erfolge die Messlatte so hoch gelegt, dass die Luft zum Atmen für ihn langsam Mount-Everest-Konsistenz annimmt. Franz Beckenbauer, oft Katalysator überkochender Emotionen, häufig aber auch ausgleichendes Element, ist drauf und dran, sich endgültig Richtung WM-Organisation zu verabschieden. Und im Falle von Uli Hoeneß mehren sich die Anzeichen, dass sich seine Ära ebenso überlebt hat wie die von Reiner Calmund in Leverkusen. Die Ausfälle gegen Real, die vollkommen überzogene Kritik an Spielern wie Sebastian Deisler und Zé Roberto, die schon im Vorfeld der Saison Druck und Konfliktpotenzial aufbaut, die pauschalen Angriffe gegen Fanklubs, die permanenten Ausfälle gegen die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und deren Bestreben, das Überleben der wirtschaftlich schwächeren Klubs zu sichern, offenbaren einen Größenwahn, der den Realitäten in dieser für den Fußball schwierigen Zeit kaum angemessen ist. Die Abteilung Attacke mag dafür gut sein, in Phasen von Expansion und Glorie Impulse und Reize zu liefern, als Krisenmanager sind die Bayern-Verantwortlichen eine Katastrophe.“
Jung und schlau kann genauso zum Ausschluss führen wie jung und dumm
Christoph Biermann (SZ 1.8.) betreibt Fansoziologie. „Die Geschichte der Fußballfankultur war stets eine Schattengeschichte der Jugendkulturen, und analog zu deren fortschreitender Atomisierung sind auch Fußballfans zu einer immer heterogeneren Gruppe geworden. Anfang der sechziger Jahre konnte man in Liverpool hören, wie Jugendliche die Hits der Beat-Ära ins Stadion mitbrachten, um ihr Team zu unterstützen. Die Kurve wurde zu ihrer Bühne, sie feierten ihre Loyalität und wurden zu einer Art Elite der Fußballanhänger. Mit Verzögerung wurde das Modell in Deutschland adaptiert und hierzulande Anfang der siebziger Jahre mit der damals populären Kultur von Motorradklubs kurzgeschlossen. Dort borgten sich die Fußballfans als Erkennungsmerkmal Kutten aus, mit Vereinsemblemen bestickte Leder- oder Jeanswesten, und traten als Kreuzritter ihrer Klubs auf, was zu allerlei Unsinn führte. Von Beginn an hatte die Fankultur nämlich einen delinquenten Unterton. Fan zu sein hieß, sich daneben benehmen zu können. Zum Pinkeln (das viele Bier!) brauchte man nicht aufs Klo zu gehen, sondern konnte gleich auf den Rängen den Hosenschlitz öffnen. Nichts war dabei, auf die Melodie von Boney M’s „Belfast“ zu singen: „Gib Gas, gib Gas, wenn der Hitler mit den Schalkern durch die Gaskammer rast.“ Genau aus dieser trüben Quelle stammt, was zu einem der wichtigsten Angebote der Fußballklubs wurde: die Stimmung im Stadion. Denn die Fans prügelten sich ja nicht nur, sondern schwenkten zur Anfeuerung Fahnen, sangen Hymnen und pflegten in den Hinterzimmern der Kneipen das Vereinsleben. Sie wurden zu Produzenten einer Atmosphäre, die immer mehr als eine der Attraktionen des Spiels begriffen wurde. Heute gilt: Je bunter und einfallsreicher die Fankurven sind, umso besser ist es für die Klubs. Als Argument beim Rechteverkauf ans Fernsehen, bei Verhandlungen mit Sponsoren und Kunden für VIP-Logen. Stadionatmosphäre passt zum Geist der Zeit, der nach Events verlangt. Deshalb ist Live-Fußball im Stadion ein Erfolg geworden, und erneut haben fast alle Bundesligaklubs in diesem Sommer Rekordzahlen beim Verkauf von Jahreskarten gemeldet. Längst ist es selbst bei den gehobenen Ständen nicht mehr nur nicht degoutant, Fan zu sein, es ist schick geworden (…) Es sind Kinder der Mittelschicht, die heute mehr und mehr die Fankultur bestimmen, weshalb es mitunter zu Reibereien mit Proleten in speckigen Kutten oder altgedienten Hooligans kommt. Nicht jeder Ultra, der an einer Kurvenchoreografie arbeitet, hat Abitur, aber die Dominanz der Prollkultur ist gebrochen. Trotzdem wird auf alle Regelverstöße reagiert, als würde Hooliganismus noch eine Hauptrolle spielen. Das erklärt sich nicht allein aus der Selbsterhaltung des Sicherheitsapparates, auch die Klubs setzen andere Standards. Jung und schlau kann genauso zum Ausschluss führen wie jung und dumm. In keinem Land gibt es so viele Fanprojekte, Fanforscher und Fanpolizisten wie in Deutschland. Sie alle wissen um eine der ältesten Ängste der Fans: Nicht mehr gewollt und des Stadions verwiesen zu werden.“
Es ist sicher, dass wir oft unbequem waren für den FC Bayern
Auszüge aus einem BLZ-Interview mit Vertretern der Fanklubs, die von Uli Hoeneß verboten wurden:
BLZ: Vorfälle wie in München sind neu in der Bundesliga. Wie konnte es so weit kommen?
Weinreich: Die Beziehung zwischen uns und dem Verein hat sich über Monate weiter verschlechtert. Wir haben zum Beispiel seit Jahren alle Choreografien im Stadion durchgeführt. Und plötzlich heißt es: Das macht nun ein anderer Fanclub. Wir organisieren einen Sonderzug zum Pokalfinale – und kriegen nur 150 Karten. Wir haben den Eindruck, dass man versucht, uns überall herauszudrängen.
BLZ: Die Vereine geben offen zu, sich vor der so genannten Gruppierung der Ultra-Fans zu fürchten. Warum?
Weinreich: Diese ganze Ultra-Manie-Geschichte kommt ja aus Italien. Dort ist die Bewegung in den 70er-Jahren entstanden und sehr politisch. Die großen Ultragruppierungen in Rom oder Mailand sind oft mit Parteien verbandelt. Entweder mit extrem rechten oder linken. Was in Deutschland seit vier Jahren in der Ultra-Szene passiert, ist dagegen eine oberflächliche, unpolitische Sache. Nur die italienische Form der Selbstdarstellung, dieses Auftreten mit Fahnen und Choreografien, das wird von jungen Leuten kopiert.
BLZ: Man wirft den Ultras auch vor, mit Gewalt Einfluss auf Vereinspolitik nehmen zu wollen. In Italien, zum Beispiel bei Lazio Rom, haben sie bestimmt, welcher Spieler kommt und welcher nicht.
Weinreich: Davor haben viele Vereinsbosse Angst. Aber das ist doch hier alles viel harmloser. Wenn Werder Bremen sich ein peinliches neues Trikot in orange-hellgrün zulegt, regt sich eben breiter Widerstand. Den Leuten geht es einfach auf den Senkel, dass es eine hundert Jahre alte Vereinstradition gibt, mit Vereinsfarben, die in der Vereinssatzung festgeschrieben sind – und dann kommt eine Marketing-Agentur und sagt: Orange ist erotisch und regt zum Kaufen an. Die Fans haben Sehnsucht nach ein bisschen Tradition – und keine Lust, jedem neuen Marketing-Gag hinterherzulaufen.
Blauschmidt: Ich kenne das von unseren Union-Ultras. Die sind beim Verein relativ unbeliebt, weil sie sehr kommerzfeindlich sind. Viele Ultras sagen, wir kaufen nichts vom Verein, das machen wir alles selber; wir spielen lieber in einer niederen Liga, aber das ist noch ehrlicher Fußball. Aber viele Ultras sind Vereinsmitglieder. Und als Mitglied habe ich ein Recht, auf die Vereinspolitik Einfluss zu nehmen.
Weinreich: Wenn man es nur marktwirtschaftlich oberflächlich betrachtet, machen diese 500 oder 1 000 Leute überhaupt nichts aus bei neun Millionen Bayern-Fans. Aber was viele beim FC Bayern vergessen und noch merken werden ab dem ersten Spieltag: Dass genau diese 1 000 Leute es sind, die im Stadion für die Stimmung sorgen und Tausende mitziehen.
Blauschmidt: Selbst die Leute auf der Haupttribüne kommen, weil im Stadion etwas los ist. Denen reicht es nicht, dass da 22 Spieler einem Ball hinterherjagen.
BLZ: Nach Morddrohungen im Internet ermittelt die Polizei gegen Bayern-Fans.
Weinreich: Wüssten wir, wer das war, würden wir die sofort rausschmeißen. Aber das waren anonyme Gästebucheinträge. Der Fehler des betroffenen Fanclubs war, den Eintrag nicht zu löschen. Aber so was verhindern? Unmöglich.
Blauschmidt: Da werden jetzt pauschal Hunderte kriminalisiert. Wir hatten auch ein offenes Gästebuch bei Union auf der Website. Da gab’s immer wieder Ärger, aber ich sage: Das Internet ist ein verdammt demokratisches Forum. Und wenn da ein Idiot ist, dann muss man halt auch mit dem leben. Aber vielleicht hat einer wie Uli Hoeneß nur auf so etwas gewartet.
Weinreich: Es ist sicher, dass wir oft unbequem waren für den FC Bayern. Aber wir wollen mit unserer Kritik doch niemanden ärgern, sondern konstruktive Vorschläge zur Verbesserung machen. Auch beim Umgang mit den Sponsoren. Ein Beispiel aus dem Olympiastadion: Immer wenn irgendwo ein Tor fällt – das ist in der Bundesliga inzwischen so üblich –, kommt ein Gong. Wir hatten aber keinen Gong mehr in der letzten Saison, sondern ein Bimbim, der Erkennungsjingle des Hauptsponsors. Wenn wir dann einen Spieltag hatten mit 30 oder 40 Toren, ging alle zwei Minuten so ein Bimmeln durchs Stadion. Das ist nicht nur uns, sondern vielen Leuten auf den Trichter gegangen.
BLZ: Nun ist es wieder abgeschafft?
Weinreich: Es gab Sprechchöre mit Buhrufen und heftigeren Sachen. Herr Hoeneß hat uns erst erklärt, dass die Telekom unser Partner ist und dass wir dafür sorgen müssen, dass die Leute in der Südkurve das akzeptieren. Dann haben sie gemerkt, dass das nicht funktioniert. Jetzt bimmelt es nur noch, wenn Dortmund ein Tor kassiert.
(…)
Weinreich: Es soll jetzt bei uns ab der neuen Saison eine FC-Bayern-Blaskapelle in oder vor der Südkurve stehen. Also ich kann nur sagen, dass ich fest davon überzeugt bin, dass 99 Prozent der Leute in der Kurve das nicht haben wollen. Das ist für mich keine Fan-Kultur, wenn irgendjemand von oben sich so etwas ausdenkt.
BLZ: Für welche Fan-Probleme sollten Funktionäre Verständnis haben?
Weinreich: Die Karten werden in den neuen Stadien immer teurer, dafür aber die Stehplätze weniger.
Blauschmidt: Und nicht zu vergessen, wie Gästefans behandelt werden: In Freiburg darfst du nicht einmal deine eigenen Stullen mit ins Stadion nehmen. In Bochum haben sie uns die Fahnenstöcke abgenommen. Alles wird verboten, so vieles reglementiert: Für deine Fahne brauchst du in vielen Stadien einen eigenen Fahnenpass. Das ist doch lächerlich.
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Kahn formschwach? – Vor Färöer – Bode auf der Buchmesse
Themen heute: vor dem Qualifikationsspiel gegen Färöer – Rassismus in Europas Fußballstadien – HSV in der Krise – Wilmots auf dem Abstellgleis? – Kahn formschwach? – Dede für Deutschland? – Marco Bode auf der Buchmesse – Auslandsfußball aus Irland, Italien, Schweiz und Kolumbien u.v.m. (mehr …)
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Viele Journalisten begrüßen diese Entscheidung und können sie verstehen
Verbiesterte Kleinkariertheit und ewige Besserwisserei
Martin Hägele (NZZ 23.9.) begrüßt die Entlassung Lienens: „Dass anstelle des ehemaligen belgischen Internationalen nun in Mönchengladbach „Zettel- Ewald“ Lienen als erster Fussball-Lehrer in dieser jungen Saison die Papiere bekommen hat, war gewiss kein sensationeller Rauswurf. Die Kündigung Lienens war schon länger geplant; sonst hätte der Sportdirektor Hochstätter seinem Spezl, Klubscout und Coach der Borussia-Amateure nicht Ende August eine Rückkehrklausel in den Vertrag mit Rot-Weiss Essen schreiben lassen. Bereits nach 24 Tagen hat der Traditionsklub von dieser Option im Kontrakt des ehemaligen Internationalen Gebrauch gemacht. Nicht nur wegen der vier Niederlagen in Folge, sondern weil es mit Lienen einfach nicht mehr weitergehen konnte. Mit seiner verbiesterten Kleinkariertheit und ewigen Besserwisserei ging der introvertierte Coach seinem gesamten Umfeld auf den Geist. Ganz egal, ob Mannschaft, Angestellte der Geschäftsstelle oder Journalisten, alle waren schliesslich genervt von den Monologen und Widersprüchen des Oberlehrers Lienen. Offensichtlich aber haben sich die Vorstände des Nostalgievereins nicht nur in der Figur Lienen verschätzt, der am 2.März und unter dem Motto vom verlorenen Sohn zu seinem Lieblingsklub heimgeholt worden war. Die generelle Vorgabe von Platz neun zum Saisonende erscheint utopisch. Man mag mit solchen Visionen vielleicht ein paar Tickets für das neue Stadion mehr an den Mann bringen. Vizepräsident Rolf Königs, ein steinreicher Unternehmer und der starke Mann im Verein, hat im Zusammenhang mit dem Trainerwechsel das Saisonziel noch einmal an die Wand gemalt. Und ganz deutlich erklärt, dass diese Vorgabe von Hochstätter und Fach empfohlen worden sei. Weshalb nun das nächste Ultimatum der Bundesliga, das dieses Mal wieder zwei Freunde trifft, in Mönchengladbach am Niederrhein läuft.“
„Der Wechsel von Lienen zu Fach ist Ausdruck der nüchternen Politik von Gladbachs Manager Hochstätter“, urteilt Christoph Biermann ( SZ 23.9.): „Lienen war offensichtlich nicht nur Journalisten gegenüber äußerst misstrauisch, sondern zeigte sich auch gegenüber Mitarbeitern des Vereins weniger kooperativ als gewünscht. Unter diesen Bedingungen erklärte die sportliche Führung zuletzt vier Niederlagen in Folge nicht mehr allein durch die Verletzungsmisere und Pech bei den Spielen. Lienen Vorgänger Hans Meyer kritisierte im kicker zwar, „er hat keine echte Chance bekommen“, aber scheinbar war das Verhältnis zwischen Trainer und Team nach nur sieben Monaten erodiert. Lienen sieht das nicht so und kündigte im kicker sogar Enthüllungen an: „Ich bin mit dem Klub noch nicht auseinander und kann daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht die volle Wahrheit erzählen.“ Die Umstände des Wechsels erscheinen jedoch konspirativer als sie es sind. Hochstätter entließ Fach aus seinem Vertrag nur mit einer Rückkehrklausel zu RW Essen. Diese beinhaltete, dass Fach bei einem Angebot der Borussia den Drittligisten jederzeit wieder verlassen könnte. Hochstätter hielt zwar eine Option für Fach offen, sah den Verfall seines Profiteams aber nicht so schnell voraus: „Dann hätte ich ihn erst gar nicht gehen lassen.“ Fach war zudem nicht der einzige Kandidat, neben Klaus Toppmöller sprach Hochstätter mit einem ausländischen Coach. Sein Entschluss, dem Präsidium die Demission Lienens vorzuschlagen, macht für den Sportdirektor die Arbeit nicht leichter. Das war ihm gestern anzumerken, als er müde und gereizt am Trainingsplatz stand. Hochstätter kann es sich zugute halten, die Situation nicht bis zur Unerträglichkeit eskaliert haben zu lassen, um sich dann hinter den angeblichen Gesetzen der Branche zu verstecken. Das zeugt von Nüchternheit und Sachlichkeit.“
Fußball ist ein Dorado der Schwindler
Dahingegen kritisiert Bernd Müllender (FR 23.9.) die Umstände der Entlassung: „Medienpolitisch ist es bemerkenswert, dass sich ausgerechnet die Bild-Zeitung, der natürliche Feind des linksliberalen Pazifisten Lienen, indirekt auf dessen Seite schlug: Trieb Gladbach ein linkes Spiel? Die Nummer ist eine Blitz-Entlassung, deren Dreistigkeit Lienens Bass-Stimme noch am Tag danach bass enttäuscht klingen lässt. Viele hatten geglaubt, Lienen und Borussia, das würde passen: heimgekehrter Sohn, Heimatgefühle, enge Bindung, ehemaliger Spieler mit großer Trainerzukunft. Er und Sportdirektor Hochstätter, der ehemalige Kumpel auf dem Rasen, verstünden sich prima, sagten beide ausdauernd. Manche hatten gar geweissagt, Lienen könne mit seiner Idee vom hart erarbeiteten Angriffsfußball langfristig womöglich in die Fußstapfen von Hennes Weisweiler treten, dem Magier des Fohlenfußballs der Goldenen 70er Jahre (…) Fußball ist glücksabhängiges Lotto auf höchstem Niveau. Und ein Dorado der Schwindler. Gladbachs Nachfolge-Regelung war besonders dreist. Schon Mittwoch hatte man Ex-Spieler Fach heimlich kontaktiert. Der war bis vor drei Wochen Borussias Amateurtrainer, wurde dann dem kränkelnden Drittligisten Rot-Weiß Essen überlassen mit der vielsagenden Klausel, dass er für Borussias Cheftrainerposten umgehend freizugeben sei. Fach erklärte jetzt, das sei eine Bedingung von Christian Hochstätter gewesen. Lienen musste sich vorgeführt vorkommen. Dennoch: Die vierte Entlassung in acht Jahren (hinzu kommt eine Demission beim spanischen Zweitligisten CD Tenerife) unterstreicht, dass Lienens Halbwertszeit immer kürzer geworden ist. Von den Gladbacher Fans war er auffällig wenig gefeiert worden. Respektiert haben sie ihn, das ja, aber nicht geliebt. Als am letzten Spieltag der Vorsaison der Klassenerhalt gesichert war, jubelte man mehr Vorgänger Hans Mayer zu. Der Vorwurf, Lienen habe im Fußballalltag nicht die besten Antennen, sei manchmal realitätsfern, empört den Fußballpädagogen heftig. Aber: Er redet und reflektiert manchmal zu viel für den Schlichtsport Fußball.“
Lienen bevorzugt die akribisch gerade gezogene Furche
Wolfgang Hettfleisch (FR 23.9.) fasst Lienens Karriere zusammen: „Im November wird Lienen 50 Jahre alt. Da ist es an der Zeit, mal innezuhalten und auf die bisherige Trainerlaufbahn zurückzublicken. Spötter sprechen von der Lienenschen Parabel, wenn sie argumentieren, den anfänglichen Erfolgen auf seinen bisherigen Trainerstationen sei noch stets der Niedergang auf dem Fuße gefolgt. Lienen würde sagen, das sei boshaft und ungerecht. Jedenfalls ist es kein Naturgesetz. Man frage mal Felix Magath. Unzweifelhaft machte es Lienen sich und den Clubs, für die er gearbeitet hat, nie leicht. Als Kumpel der Spieler taugt der oft pedantisch daher kommende Ostwestfale ebenso wenig wie als Partner im Eine Hand wäscht die andere-Geschäft des Boulevards. Lienen bevorzugt die akribisch gerade gezogene Furche. Clownerien im Stil eines Peter Neururer sind ihm ein Graus. So einen mag man nicht sonderlich in der Bussi-Gesellschaft des deutschen Profifußballs, deren Mythen lieber vom Intuitiven und Anekdotenhaften des Spiels handeln: Geht’s naus, spuilt’s Fußball! Nicht von ungefähr folgt Lienen in Gladbach einer, der erst mal die Philosophie ausgab, keine Philosophie zu haben.“
Das schafft kein Besen dieser Welt
Christian Zaschke (SZ 23.9.): „Die clevere Besen-Industrie mitsamt der zahlreichen Besen-Lobbyisten weiß gar nicht, was sie angerichtet hat, als sie in einer kleinen Absatzkrise den Werbespruch ersann: „Neue Besen kehren gut!“ Der Satz gilt mittlerweile überall (außer in Bayern, wo man denkt: „. . . aber alte Besen kennen alle Ecken.“) und für alles, besonders für Fußball-Trainer. Bei Misserfolg wird flugs ein neuer eingestellt, und schon fegt man die Gegner sauber vom Platz. Besen- und Fußball-Industrie sind damit immer gut gefahren. Bis zwei Sportpsychologen aus Münster sich die Mühe machten, das zu überprüfen. Bei solchen Überprüfungen kommt stets heraus, dass alles anders ist, als wir immer wussten, und so fanden die beiden in ihrer Studie heraus, dass neue Trainer wenig bringen. Sie haben Trainerwechsel von 1963 bis 1998 untersucht, sich die zwölf Spiele vor und nach dem Wechsel angeschaut und geschlossen: „Rauswurf ist die falsche Strategie.“ Fußball- und Besen-Industrie sind erschüttert. Holger Fach, der das Traineramt von Ewald Lienen bei Borussia Mönchengladbach übernimmt, soll nun Neunter werden. Das schafft kein Besen dieser Welt, sei er auch noch so neu.“
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Dortmunder Geflecht, Stuttgarter Leasing-Modell, Beckham, die Projektionsfläche
Die Auswirkungen der Hitze auf das sportliche Geschehen – Borussia Dortmund: früher ein Fußballverein, heute ”ein komplexes Geflecht aus Beteiligungen und Business-Plänen” (SZ) – zweifelhaftes Stuttgarter Leasing-Modell – neue Leverkusener Kooperation – Beckham, “die Projektionsfläche” (FAZ) u.a.
Gerd Schneider (FAZ 7.8.) bejaht die Rücksichtnahme auf die Hitze. „Früher vertrat Magath die – übrigens widerlegbare – These: Qualität kommt von Qual. Heute sagt er milde: Den älteren und kräftiger gebauten Spielern macht die Hitze enorm zu schaffen, da muß man reagieren. Damit ist Papa Felix gar nicht mehr so weit entfernt von Ralf Rangnick, seinem pädagogisch bewanderten Kollegen aus Hannover: Der war seiner Zeit wieder mal voraus und forderte schon am Dienstag eine Verlegung der Bundesligaspiele in den Abend. Tags darauf schloß sich eine ganze Reihe anderer Fußballehrer an. Wieso kam eigentlich niemand auf die Idee, die Tour-de-France-Etappen im Morgengrauen zu starten, um den Darstellern die Hitzewallungen der Tagesmitte zu ersparen? Es ist jedenfalls kein Zeichen von Gefühlskälte, wenn man sich um die Fußballer keine Sorgen macht. Selbst aus medizinischer Sicht vollbringen Fußballprofis nichts Außergewöhnliches, wenn sie für anderthalb Stunden auch bei Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke ihren Beruf ausüben: Sie leiden zwar, aber ihr Thermosystem ist darauf vorbereitet. Anders sieht es bei Freizeitsportlern aus, für die die Hitze und die hohen Ozonwerte eine extreme Belastung sind, die sie sich am besten ersparen sollten. Daß in manchen Bundesländern die Anstoßzeiten der Amateurligen für dieses Wochenende in die Abendstunden verlegt werden, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern pure Vernunft.“
Sie haben ein anderes Körpergefühl
Richard Leipold (FAZ 7.8.) behauptet, dass die Temperaturen den Brasilianern entgegenkommen. “Das Fußballhoch aus Südamerika scheint nicht zufällig die Wetterlage der Bundesliga zu bestimmen. Fachleute sehen psychologische und auch physiologische Ursachen für das, was (der Dortmunder) Dédé als Sonnenschein im Herzen beschreibt. Es ist nachgewiesen, daß Sonneneinstrahlung zu hormonellen Ausschüttungen führen kann, die ein positiveres Lebensgefühl hervorrufen, sagt Dr. Markus Braun, der Mannschaftsarzt von Borussia Dortmund. Diese Wirkung werde dadurch verstärkt, daß Brasilianer mit Sonnenschein und Wärme ein gewisses Heimatgefühl verbinden. Die neue deutsche Hitzewelle als Integrationshilfe. Sie fühlen sich dann mehr zu Hause. Das Zusammentreffen von Hormonen und heimatlichen Assoziationen steigert offenbar die Belastbarkeit. In extremer Hitze zu kicken empfinden Brasilianer nicht so früh als Streß wie ihre Kollegen aus gemäßigten Klimazonen. Deshalb zeige ein Spieler wie Dédé, der viel übers Laufen kommt, keine Symptome, richtig platt zu sein, sagt Braun. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil der Südamerikaner liegt darin, daß sie von Kindesbeinen an gewohnt sind, sich bei hohen Temperaturen zu bewegen. Sie haben ein anderes Körpergefühl, sagt der Sportmediziner vom renommierten Grönemeyer-Institut in Bochum. Fußball ist für sie in gewisser Weise eine rhythmische Sportart. Da ihre Bewegungsabläufe geschmeidiger seien, liefen sie ihren Gegnern gerade auf den ersten Metern häufig davon. Der schnelle Antritt erspare ihnen einen Sprint über fünfzig Meter. Neben dem Körpergefühl spielt auch die geistige Verfassung eine Rolle. Während Deutsche im Schweiße ihres Angesichts eine seltsame Schwere im Kopf verspüren, entwickeln Südländer gerade bei extremer Hitze eine große Spielintelligenz. Sie verhalten sich auf dem Platz sehr vorausschauend und können viele Situationen antizipieren, sagt Braun. Diese Fähigkeit erspare ihnen unnötige Laufwege.“
Fußballwetter ist am besten, wenn es regnet
Volker Kreisl (SZ 7.8.) „Schon immer waren sie zu verabscheuen, jene Fußballer, die erst den Himmel prüfen, ehe sie ihre Trainingssachen packen. Die als letzte auf den Platz gehen und sich als erste auswechseln lassen. Schon zur Halbzeit eine heiße Dusche nehmen, statt draußen zu helfen, das 0:4 zu halten. Muskelfaserrisse vortäuschen („Au, bloß nicht berühren!“), weil sich ein paar Pfützen auf dem Platz gebildet haben. Pfützen, in die sie niemals grätschen würden. Man nennt sie Schönwetterfußballer. Fußballwetter ist am besten, wenn es regnet, dann beweist man, dass man ein Kerl ist, bei Sonnenschein kann’s jeder. Nun ist das Wetter schön, unerträglich schön, so schön, dass es gefährlich wird, und dass auch große Schlechtwetterfußballer am liebsten kneifen würden. Meteorologen verkünden hohe Ozonwerte, Mediziner warnen, Platzwarte messen Temperaturen und Felix Magath gibt hitzefrei. Anders als die Südamerikaner litten eher die kräftiger gebauten Fußballer, sagt er. Andere Bundesligatrainer fordern, kurz vor Sonnenuntergang anzustoßen, doch das ist nicht ernst zu nehmen, denn dann müsste die neue Sportschau ab 18 Uhr Segeln oder Wasserski bringen.“
Früher ein Fußballverein – heute ein komplexes Geflecht aus Beteiligungen und Business-Plänen
Freddie Röckenhaus (SZ 7.8.) beschreibt das Leitbild von Borussia Dortmund. „Dauerkartenbesitzer Martin R. hadert mit dem Schicksal. Das neue Stadion, das tolle Wetter, alles schön und gut, „aber wenn sie jetzt den Dede verkaufen, weil sie keine Kohle mehr haben, da müsste man doch seine Dauerkarte zurückgeben, weil man die ja unter ganz anderen Voraussetzungen gekauft hat“. Martin R. ist nicht der einzige BVB-Fan, dem der finanzielle Seiltanz seines Vereins zu spitzfindig ist. Heute wimmelt es von Begriffen wie Leasing-Depot und Cash-Position, und vor lauter Finanzgedöns weiß man gar nicht mehr, ob man Anhänger eines Pleiteklubs oder eines Krösus ist. Am Samstag, wenn Borussia Dortmund gegen den VfL Wolfsburg die „Ausbaustufe 3“ des Westfalenstadions einweiht, wird sich die Aufregung legen. Das – angebliche – Angebot des FC Barcelona für den Publikumsliebling Dede wischt BVB-Manager Michael Meier als „kalten Kaffee“ vom Tisch – und gegen die Verletztenmisere käme selbst das dickste Festgeldkonto nicht an. Jedenfalls wird Dortmund mit den geschlossenen Ecken des Stadion-Gevierts ab Samstag über die viertgrößte Fußball-Arena Europas verfügen. 83000 Zuschauer passen künftig bei Bundesligaspielen hinein. Das wird offiziell von Barcelona (98000), Madrid (90200) und Mailand (85700) überboten, aber diese Daten, grummeln sie in Westfalen, seien anzweifelbar. Lieber präsentieren sie in Dortmund deshalb die Tabelle der 150 europäischen Klubs mit der höchsten Stadion-Auslastung. Da steht die Borussia auf Platz zwei (Schnitt von 67765), nur knapp hinter Real Madrid (69232). Und weil für die eben begonnene Saison der BVB schon jetzt über 50000 Dauertickets verkauft hat, „bin ich ziemlich sicher“, sagt Manager Meier, „dass wir Madrid in dieser Saison überholen werden“. Angesichts solch beeindruckender Zahlenhuberei wundert sich der BVB-Anhang über die Sparsamkeit, die seit Saisonbeginn ausgebrochen ist. Doch hinter dem, was einmal ein Fußballverein war, steckt ein komplexes Geflecht aus Beteiligungen und Business-Plänen.“
Einen Beigeschmack aber hat die Geschichte
Martin Hägele (SZ 7.8.) beobachtet das Stuttgarter Leasing-Modell (if zitierte gestern) mit Skepsis. „Welche Personen verbergen sich hinter der Agentur KBM, die Centurión an den Neckar gebracht hatte? Zunächst vermuteten die Stuttgarter Nachrichten, das Firmen-Kürzel stünde für die Initialen von Krassimir Balakov – dass der ehemalige Spielmacher und VfB-Spitzenverdiener, der seit Juli als Co-Trainer und Assistent des Teammanagers sein Geld verdient, seinen eigenen Nachfolger finanziert und somit als Geschäftspartner des Vereins auftritt, wäre schon sehr anrüchig gewesen. Später klärte die Stuttgarter Zeitung, welche Personen sich tatsächlich hinter KBM verbergen, in deren Besitz Centurión mittlerweile ist: Karel Svab, Dusan Bukovac und Gustavo Mascardi – ein tschechischer Spielerscout, ein bulgarischer Agent und ein argentinischer Spielervermittler – haben für KBM den Antrag auf Aufnahme ins Handelsregister von Göppingen gestellt. Die Absichten der mysteriösen neuen Leasinggesellschaft, die mit dem VfB ins Geschäfts gekommen war, prüfte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) – ohne Befund. Einen Beigeschmack aber hat die Geschichte dennoch. Denn Schoetz ist nicht nur Balakovs Spielpartner beim Golfen, er regelt auch dessen Steuererklärung. Und Dusan Bukovac hat sich als Manager des bulgarischen Stars am Canstatter Wasen einen zweifelhaften Ruf erworben. Etwa wenn er über seinen berühmten Landsmann und Klienten Einfluss auf die Klub-Politik zu nehmen versuchte. Einmal forderte er gar öffentlich den Alt-Internationalen Hansi Müller als VfB-Manager, und mit dem vormaligen Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder handelte er Balakovs so genannten Jahrhundertvertrag aus. Ist ein Investorenkreis aus Partnern des vermögenden Fußballers über jeden Verdacht erhaben? (…) Ein Teil der VfB-Fans sieht das kritisch. Im Internet wird die Frage gestellt, wie der Klub sich mit einem Mann einlassen könne, der den Verein seinerzeit bei den Verhandlungen mit Balakov unter Druck gesetzt und finanziell an den Rand des Möglichen gedrängt hatte. Selbst im Führungszirkel des VfB finden die Deals mit der KBM nicht nur Freunde. Ulrich Ruf, Mitglied des Präsidiums und Finanzchef, wehrte sich zu Anfang gegen die Leasing-Geschichte, die ihm suspekt erschien. Erst nachdem die DFL grünes Licht für das Finanzierungsmodell gegeben hatte, gab Ruf seinen Widerstand zähneknirschend auf. Man kann die Tage zählen, bis Balakov-Freund Magath und der konservative Ruf aufeinander prallen.“
Frank Schneller (FTD 7.8.) referiert eine neue Kooperation Bayer Leverkusens. „Auf sportlicher Ebene verbreiten die Fußballer von Bayer 04 Leverkusen mit ihrem Trainer Klaus Augenthaler nach dem gelungenen Saisonauftakt ja schon eine gewisse Aufbruchsstimmung. Und auch abseits des Spielfelds präsentiert sich die Fußball GmbH des Klubs ausgesprochen zukunftsorientiert. Die Kooperationspläne zwischen Bayer 04 und der Anschutz Entertainment Group werden langsam mit Leben erfüllt – und bekommen somit „offiziellen Charakter“, wie Bayer-Manager Ilja Kaenzig erklärt. Telefon- und Videokonferenzen über den großen Teich sind mittlerweile an der Tagesordnung. Im Juni weilten die Leverkusener in Los Angeles, wo der US-Mogul die neue Basis des amerikanischen Fußballs samt Arena eröffnete – das „Home Depot Center“. Bayer 04 und Philip F. Anschutz, eine außergewöhnliche Verbindung. Hier der geläuterte Fußballklub, der in der vergangenen Saison fast in die zweite Liga abgerutscht wäre. Dort der Multi-Unternehmer und Milliardär aus den USA. Hier der volksnahe Werksverein. Dort der riesige Global Player, der gigantische Multifunktionshallen und Sportstätten auf der ganzen Welt bauen lässt, zweitgrößter Konzertpromoter Amerikas und Inhaber mehrerer Sportklubs in den Staaten ist. Fünf Teams der US-Profiliga MLS nennt er sein Eigen. Das klingt nach Elefantenhochzeit und Millionendeals. Doch stattdessen ist diese Variante neuer deutsch-amerikanischer Freundschaft eher eine strategische Partnerschaft. Doppelpässe wollen künftig beispielsweise Bayer und der Anschutz-Klub (Washington) D.C. United spielen. Spieler- und Informationsaustausch, Freundschafts- und Testspiele sowie ein gemeinsames weltweites Scouting-System – „der US-Fußballmarkt wird gerade erst erschlossen und ist noch jungfräulicher als beispielsweise der asiatische Markt. Das wollen wir effektiv nutzen“, sagt Kaenzig. Außerdem seien die MLS-Klubs deutschen Vereinen in der Relation oftmals voraus. Wenn es um Vermarktung gehe, könne man durchaus noch lernen.“
Wollte man die Bibel verfilmen, müßte er Jesus spielen
Paul Ingendaay (FAZ 6.8.). „In Steakhäusern hängen Plakate mit Bildern der leckersten Teile des Schlachtrinds. Daran erinnerte man sich, als die spanische Presse Graphiken mit den teuersten Körperteilen von David Beckham präsentierte. Zahlreiche große Firmen bezahlen den englischen Fußballspieler von Real Madrid dafür, daß er auf Armen, Brust und Beinen ihren Namen trägt: Adidas überweist Beckham 2,1 Millionen Euro im Jahr, Marks Spencer dasselbe, Pepsi ist mit 1,4 Millionen dabei, Vodafone und andere mit je siebenhunderttausend Euro. Alles zusammen ergibt neun Millionen Euro. Das Verblüffende dieses Sommers ist, daß solche Einzelheiten an dem Mann abgleiten, als sei das Schlachtrind synthetisch. Von Geld spricht in Madrid längst niemand mehr nur noch vom „Beckham-Effekt“. Aus Gründen, die vorerst sein Geheimnis sind, strahlt der Brite die gesamte mediale Aufmerksamkeit, die er einfängt, gleichsam unverbraucht wieder ab. Kein Gramm verliert sich, niemand wird betrogen, und alle fühlen sich besser, jünger, heiterer. Denn David Beckham ist reine Projektionsfläche, der Mann ohne Eigenschaften. Wollte man die Bibel verfilmen, müßte er Jesus spielen.“
Vincenzo Delle Donne (Tsp 7.8.) berichtet illegale Methoden in Itlien. “Der AS Rom und der SSC Neapel haben sich durch die Vorlage von gefälschten Bürgschaften der Finanzgesellschaft SBC die Lizenz für die neue Saison erschlichen. Jetzt ermitteln der italienische Fußballverband, die römische Staatsanwaltschaft und auch die Mailänder Börsenaufsicht. Denn der AS Rom ist an der Börse notiert. Die Unterschrift auf den Bürgschaften stammt von einer gewissen Cynthia Ruia, der Geschäftsführerin der Finanzgesellschaft. Diese aber hatte schon am 18. April, Wochen vor Beantragung der Bürgschaften, ihren Rücktritt erklärt. Ihre Unterschrift erwies sich als miserable Fälschung. Auch andere Fußballklubs wie Genua und Drittligist Spal, aber auch der Basketballklub Virtus Bologna legten gefälschte Bürgschaften derselben Finanzgesellschaft vor. Die Basketballer aus Bologna wurden wegen finanzieller Probleme aus der ersten Liga ausgeschlossen. Sollte sich in den Fällen Rom und Neapel eine Mitwisserschaft der Klubs herausstellen, droht auch ihnen der Zwangsabstieg. Die angeblich von SBC gewährten Bürgschaften haben ein Gesamtvolumen von 30 Millionen Euro. Eine bemerkenswerte Summe, verfügt doch die Gesellschaft über ein Stammkapital von lediglich 500 000 Euro. Bayer Leverkusens Brasilianer Lucio muss wohl über die Finanzmisere des AS Rom im Bilde gewesen sein, als er im Juli die lukrative Offerte für einen Wechsel in die Serie A ablehnte. Seit April haben Romas Spieler keine Bezüge mehr erhalten.“
„Das Kreuz mit dem Band: Der Anlass für die schwere Verletzung sieht manchmal völlig harmlos aus / Fußballer gehen heutzutage das volle Risiko ein“FR
FR-Interview mit Rudi Assauer
„In Freiburg macht Torhüter Golz am Samstag sein 400. Bundesligaspiel und wird irgendwann einmal von der Kabine an einen Schreibtisch wechseln“ FR
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Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2006
Roland Zorn (FAZ 13.5.) meldet. „Die Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bekommen jetzt schon Höchstnoten für ihren Fleiß, ihre Verläßlichkeit, ihre Wertarbeit. Am Ende einer achttägigen Deutschland-Tour durch die zwölf WM-Städte lobte Markus Siegler, der Kommunikationsdirektor des Internationalen Fußball-Verbandes (Fifa), alle, die sich bereits heute für das sportliche Megaprojekt ins Zeug legen. Noch nie war ein Ausrichter drei Jahre vor Beginn einer WM derart weit. Man kann sich auf Deutschland verlassen. Den Worte folgen Taten. Das Inspektionsteam der Fifa, begleitet von Abgesandten des deutschen WM-Organisationskomitees (OK), der Fifa-Marketing AG, des Fernsehvertragspartners Infront und der für das weltweite Fernsehsignal zuständigen Gruppe Host Broadcast Services stellte den Deutschen mit guten Gründen ein Zwischenzeugnis summa cum laude aus. Der Besuch der zwölf WM-Arenen, der am Montag mit der Visite des Kaiserslauterer Fritz-Walter-Stadion abgeschlossen wurde, gab keinerlei Anlaß, am großen Ganzen zu zweifeln. Lediglich kleinere Korrekturen wurden angemahnt.“
Die FAS (11.5.) teilt die Entstehungsgeschichte von Effes Autobiografie mit. „Auf den Zoologen Thomas Huxley geht die Behauptung zurück, Affen würden, ließe man sie nur lange genug auf eine Schreibmaschine einhämmern, irgendwann auch die Gesammelten Werke von William Shakespeare produzieren. Forscher von der Plymouth University in England haben jetzt die Probe aufs Exempel gemacht. Sie ließen sechs Schopfmakaken (Macaca nigra) eine Woche lang mit einem Computer und einem Textprogramm allein und beobachteten, was sie wohl damit anfangen würden. Tatsächlich machten sich die Affen nach kurzer Zeit über die Tastatur her. Insgesamt kamen mehrere Seiten Text zustande.“ Der Rest war Sache der Verleger.
René Martens (FTD 12.5.). „England ist bekanntlich der Geburtsort des organisierten Fußballs, und so ist es kein Wunder, dass von dort viele innovative Forschungsarbeiten stammen. Ende letzten Jahres zum Beispiel referierte das „British Medical Journal“ Forderungen von Wissenschaftlern, um der Volksgesundheit willen das Elfmeterschießen abzuschaffen. Denn 1998, nachdem England gegen Argentinien mal wieder einen wichtigen Shootout verloren hatte, sei die Zahl der Herzinfarkte um 25 Prozent gestiegen. Ende der vergangenen Woche hat sich nun ein neuer Pionier hervorgetan: Neil Todd, Musikpsychologe an der Universität Manchester. Ihn hatte die Frage umgetrieben, mit welchen Songs sich die Helden der Premier League vor den Matches aufputschen – weshalb er unter Spielern von sieben Mannschaften eine Umfrage startete. Als Tabellenführer kristallisierte sich dabei Eminem mit seinem Soundtrack zum Film „8 Mile“ heraus, was Todd nicht überraschte: „Die repetitiven Rhythmen“ und die Texte, die um „Stolz und Selbstbewusstsein im Angesicht schwieriger Umstände“ kreisten, versetzten die Fußballer möglicherweise in einen „erregten Wettkampfzustand“. Erstaunlich dagegen, dass die Elf von Manchester United ausgerechnet jenen Gassenhauer liebt, der hier zu Lande bei Partys fußkranker Akademiker jedes Mal die Tanzfläche füllt: „Lust For Life“ von Iggy Pop.““
„FC St. Pauli vergibt beim 1:1 in Karlsruhe seine letzte Chance“ SZ
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Kurzerhand in ein Heimspiel verwandelt
Jörg Stratmann (FAZ 5.5.) hat viele Gästefans gezählt und gehört. „Sechs Wochen lang hat sich der neue Mönchengladbacher Fußballtrainer Ewald Lienen nicht erklären können, warum es seinen Borussen nicht gelang, den Schwung, den sie im eigenen Bökelbergstadion zumeist an den Tag legten, nach draußen mitzunehmen. Dafür sah Lienen keinen vernünftigen Grund. Mit seltsamer Mutlosigkeit auf fremden Plätzen hatte die Mannschaft in bislang 15 Spielen nur fünf Punkte ergattert, so wenige wie kein anderer Bundesligakonkurrent. Auch im 16. Versuch, dem 1:1 beim VfL Bochum, kam nur einer hinzu. Doch womöglich hatten die engsten Vereinsfreunde dabei die zündende Idee: Sie verwandelten den Auftritt ihres Teams im Ruhrstadion kurzerhand in ein Heimspiel und hätten so fast zum zweiten Auswärtssieg der Saison beigetragen. Mehr als 10.000 Fans hatten sich am Samstag auf den Weg ins Ruhrgebiet gemacht und dort unter den insgesamt 33.000 Zuschauern auch noch lange nach dem Spiel für eine Stimmung gesorgt, die den Profis den lange vermißten Schwung vermittelte. So etwas habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt, sagte Borussias Verteidiger Jeff Strasser mitgenommen. Lienen sah sich ebenfalls zu einem Lobgesang auf unseren zwölften Mann, das Publikum, veranlaßt.“
Bekenntnis für den Klub
Auch Christoph Biermann (SZ 5.5.) ist erstaunt. „Eine Dreiviertelstunde war seit dem Abpfiff im Ruhrstadion vergangen, Mönchengladbachs Spieler räkeln sich im Gras. Neunzig Minuten lang hatten sie gekämpft, waren danach ausgelaufen und nun wäre eigentlich der Gang unter die Dusche fällig. Doch immer noch liegen sie da, die Körper der Westkurve zugewandt und möchten mit dem Staunen nicht aufhören. Beinahe dreitausend Borussia-Fans stehen dort auf den Rängen. Sie singen, feiern und verlängern einen selten großen Moment. Mönchengladbach hatte keineswegs den so lautstark beschworenen Auswärtssieg geschafft. Auch der Klassenerhalt ist längst nicht gesichert. Umso höher war daher zu bewerten, was da geschah. Es ließ bei den Spielern, ihrem Trainer und den Chefs der Borussia die Wörter sprudeln – und machte sie zugleich wortlos. „Einfach phantastisch“, fand es Sportdirektor Christian Hochstätter. „Das Haupt senken und sich bedanken“ wollte Ewald Lienen. Beeindruckend war die Haltung, die zu einem Bekenntnis für den Klub geriet. Leicht fiel das nicht, weil die Bilanz der Gladbacher in der Fremde die schlechteste aller Bundesligisten ist. Doch offenbar hat es angesichts dieser fast pathologischen Auswärtsschwäche einen kollektiven Beschluss der Fans gegeben, dem Team über die Hürde zu helfen. Bedingungslos positiv war die Unterstützung – und kam tatsächlich unten auf dem Platz an.“
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„Pazza Inter“ (NZZ), das verrückte Inter, siegt in Turin – Alberto Zaccehroni, der unterschätzte Taktier auf der Inter-Bank – Chelsea siegt gegen Manchester United und ist nun ein Spitzenteam u.v.m.
Birgit Schönau (SZ 1.12.) berichtet den 3:1-Sieg Inters bei Juve: „Diesmal kam der Gärtner dran, denn Christian Vieri, der immer düster wirkende Inter-Star, war verhindert. Gärtner nennen sie Julio Ricardo Cruz aus Argentinien, weil sein Vater eben diesen Beruf ausübte und der Junior eigentlich in die Fußstapfen treten sollte. Der Junge aber, mit seinem dichten schwarzen Drahthaarschopf und den stechenden Augen, traktiert lieber den Ball anstatt den Rasen, und gegen die Alte Dame Juventus pflegt er besonders gnadenlose Arbeitseinsätze. Mit dem PSV Eindhoven versetzte Cruz der Juve schon einmal zwei Tore, mit dem FC Bologna eines, und das hatte man sich im abergläubischen Turin natürlich gemerkt. Dass aber mit Inter, wenige Tage nach der traumatischen Einszufünf-Demütigung durch Arsenal London, wieder der Gärtner mit seinen sensenscharfen Schüssen siegen würde, hatten sie beim Rekordmeister doch nicht glauben wollen. Zehn Jahre lang hatte beim Derby d’Italia stets die Juve gewonnen, seit fast einem Jahr im Alpenstadion kein Heimspiel mehr verloren, und nun, ausgerechnet, stieg die tagelang auf dem Scheiterhaufen der Presse geröstete Internazionale wie Phönix aus der Asche und gewann 3:1. Zwei Tore, ein messerscharf ins äußerste rechte Eck gezogener Freistoß und das Gegenstück mit einem von Torwart Buffon zurückgeprallten Ball in die extreme Linke, machen Cruz zum schwersten Juve-Kreuz seit Felix Magath.“
Unscheinbarer Taktiker
Peter Hartmann (NZZ 2.12.) wundert sich über Inter und macht den Aufschwung an Trainer AlbertoZaccheroni fest: „„Pazza Inter“, Inter, der verrückte Klub, der zu allem fähig ist und auch zum Gegenteil von allem. Zur pathetischen Verschwendung von Kapital (über eine halbe Milliarde Euro hat der Präsident Moratti in sein Spielzeug gepumpt) und Menschen (der letzte, der frustriert ging, war Ronaldo), zum grossen Melodram (die Meisterschaft vor zwei Jahren im letzten Spiel weggeworfen) und zur undurchsichtigen Intrige (wird der egozentrische, widerborstige Goalgetter Vieri verkauft?). Doch jetzt applaudiert Italien einer Meisterleistung des Trainers Alberto Zaccheroni und seiner dezimierten Internazionale: Vier Tage nach der chaotischen 1:5-Schlappe gegen Arsenal besiegten die Mailänder in Turin den bisherigen Leader Juventus diskussionslos 3:1. „Zac“, wie der unscheinbare 51-jährige Taktiker genannt wird, hat die Blössen der seit dem Mai ungeschlagenen „Alten Dame“ freigelegt. Es gelang ihm, der Niederlage gegen Arsenal in San Siro alle traumatische Wirkung zu nehmen und sie in einen Betriebsunfall umzudeuten. Und vielleicht war es kein Unglücksfall, dass Vieri mit gestauchtem Steissbein – eine Dreingabe des Arsenal-Verteidigers Campbell – zu Hause vor dem Fernsehapparat lag. Das Inter-Konzept ist auf den Stürmer-Rambo zugeschnitten, aber Vieri spürt, dass er nicht in Form kommt. Er spielt seit Wochen mit mürrischer Miene den Unverstandenen, den plötzlich die Krise der dreissig befallen hat, der unerbittlich durch die Klatschspalten geschleppt und von den Paparazzi belagert wird, die darauf lauern, dass seine flatterhafte Geliebte, das TV-Sternchen Elisabetta Canalis, wieder zu ihm zurückkehrt. Das ist die Stunde des „Gärtners“ (…) Mit zwei Zügen brach Zaccheroni die Juve-Abwehr auf: Cruz spielte etwas zurückhängend und lockte den langsam gewordenen Stopper Montero auf die linke Seite heraus, und der 19-jährige nigerianische Kugelblitz Obafemi Martins spielte mit dem andern Innenverteidiger, Legrottaglie, Katz und Maus. Martins hat Inter 1,2 Millionen Franken gekostet und zeigt nach jedem Treffer eine artistische Gratisnummer für alle Fernsehstationen des Erdballs: eine Kaskade von atemberaubenden Salti. Der frühere Trainer Hector Cuper wollte sie ihm verbieten. Zaccheroni hat erst am 20.Oktober den argentinischen Defensivprediger abgelöst und die Mannschaft sofort vom rigiden 4:4:2-Schema auf ein elastisches 3:4:3-System umgestellt. Seither hat Inter vier Siege gebucht, einmal – gegen die AS Roma – unentschieden gespielt und ist auf Platz vier hochgeklettert. Das direkte taktische Duell gegen den Meistertrainer Marcello Lippi hat der in Italien immer wieder unterschätzte „Zac“ klar gewonnen. Mit dem Aussenseiter Udinese hatte er schon 1998 einen dritten Platz belegt und 1999 mit Milan auf Anhieb, sozusagen ausser Programm, den Titel erobert. Auf eine Fortsetzung seiner Arbeit konnte er damals nicht hoffen: Präsident Berlusconi entliess ihn wegen politischer Unverträglichkeit – Alberto Zaccheroni ist bekennender Neokommunist.“
Ist in der Vip-Bar schon der Wodka ausgegangen?
Beim 1:0 Chelseas über Manchester erlebt Raphael Honigstein (SZ 2.12.) die Geburt einer Spitzenmannschaft: „Nicht mal im schicken Südwesten Londons haben sich bisher genügend Mieter für die zwanzig „Millenium-Logen“ gefunden, die für satte 15 Millionen Euro zehn Jahre lang gute Sicht auf die Spiele des FC Chelsea an der Stamford Bridge garantieren. Doch am Sonntag waren die exklusivsten Plätze des Hauses zum ersten Mal komplett belegt: Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch hatte für 900 000 Euro seine 400 besten Freunde zum Spiel gegen den Meister eingeflogen. Kurz nach dem Anpfiff machte in der Pressebox das Gerücht die Runde, in der Vip-Bar sei schon der Wodka ausgegangen, doch auf dem Platz herrschte keinerlei Mangel: 42 000 Zuschauer durften begeistert miterleben, wie in einem denkwürdigen Spiel aus den neureichen Titelaspiranten echte Favoriten wurden. Chelsea FC gegen Manchester United 1:0. Das Ergebnis war knapp, so wie es Manchesters Trainer Alex Ferguson vorausgesagt hatte, doch nach den 90 Minuten war in seinem hochroten Gesicht eine gewisse Fassungslosigkeit unverkennbar – die Niederlage war deutlicher ausgefallen als es das Resultat besagte. Es war nur ein Schönheitsfehler, dass die Londoner lediglich mit einem Tor Abstand gewannen. Chelsea war die weitaus bessere Mannschaft. Die für 150 Millionen Euro zusammengekaufte Mannschaft hat Gegner wie Lazio Rom und Newcastle United mit unwiderstehlichem Angriffsspiel auseinander genommen. Gegen weniger namhafte Gegner wie Southampton und Everton hat man auswärts schmeichelhafte 1:0-Siege erkämpft und damit den Ruf der unzuverlässigen Söldnertruppe abgelegt. Und jetzt gelang auch die Reifeprüfung mit einer meisterlichen Stil-Synthese: In der ersten Halbzeit spielten die Gastgeber äußerst clever, aber druckvoll nach vorne, in der zweiten verteidigten sie mit viel Geschick und Übersicht. United kam in der gesamten Spielzeit zu keiner richtigen Torchance. Man muss lange suchen, um ein besseres Duo in der Innenverteidigung zu finden als John Terry und William Gallas. Vor dem englischen/französischen Nationalspielerduo wirkt der unermüdliche Claude Makelele – „unsere Batterie“, nennt ihn Trainer Claudio Ranieri – als Räumkommando. „Er gibt unserem Spiel Geometrie“, sagt Ranieri. Sein unnachahmliches Lernkassetten-Englisch hatte dem römischen Trainer auf der Insel den Spitznamen „Clownio“ eingebracht, doch nun wendet sich das Blatt. Die ruhige Souveränität, mit der er auf die ständigen Gerüchte um seine bevorstehende Ablösung durch Sven-Göran Eriksson reagiert, hat ihm viele Sympathien eingebracht. Seine Höflichkeit gegenüber Konkurrenten und Offiziellen ist in der Liga beispiellos. Nur sein lächelndes Understatement nimmt ihm bald keiner mehr ab.“
Martin Pütter (NZZ 2.12.) fügt hinzu: „Ranieri hat es geschafft, aus der grossen Menge an neuen Spielern, die der neue Chelsea-Eigentümer Abramowitsch im Sommer für 111 Millionen Pfund zusammengekaufte, eine Mannschaft zu formen. Eine Mannschaft notabene, die in den letzten sechs Spielen ohne Gegentor blieb -Ähnliches gelang den Londonern zuletzt in der Saison 1905/06. Zudem sind Unmutsäusserungen von Spielern, die wegen des grossen Kaders nicht immer zum Einsatz kommen, wesentlich geringer als in anderen Klubs.“
Georg Bucher (NZZ 2.12.) stellt fest, dass Atletico Osasuna auf dem Weg nach oben sei: „Ohne grosse Veränderungen vorzunehmen, hat Atletico Osasuna das Image der grauen Maus abgelegt. Die Equipe aus der Stierkampfmetropole Pamplona setzt vor allem auf athletische Tugenden und bildet auch insofern ein Gegenmodell zu den „Königlichen“, die am Wochenende ohne Zidane, Figo und Roberto Carlos, allerdings mit der Hypothek, die beiden letzten Spiele an gleicher Stelle verloren zu haben, nach Navarra kamen. Der kleine Platz sowie eine britisch inspirierte Atmosphäre im Estadio El Sadar scheinen ihnen nicht zu behagen (…) Obwohl drei Punkte verdient und die Rückkehr auf einen Champions-League-Rang möglich gewesen wären, darf Osasuna weiter in Richtung San Sebastian blicken. Real Sociedad spielte drei Jahre hintereinander gegen den Abstieg, dann gelang wie aus heiterem Himmel der grosse Wurf. Als Zweitklassierte verpassten die in der Vorrunde unbesiegten Basken nur knapp den Titel und debütieren heuer -mit guten Aussichten, den Achtelfinal zu erreichen -in der Champions League. Markenzeichen beider Vereine ist die Nachwuchsarbeit, freilich gibt es einen markanten Unterschied. Ausländer vom Niveau Kovacevics, Nihats oder Karpins können sich die Navarros aus finanziellen Gründen (13,8 Millionen Euro Budget; 29 Millionen Euro Schulden) nicht leisten. Auch für spanische Professionals sei Osasuna unattraktiv, meint der Secretario tecnico Martin Gonzalez, der früher selber den roten Dress und die schwarzen Hosen trug. Entlegenere Märkte muss man ins Visier nehmen.“
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Ist Augenthaler ein “Feuerwehrmann”? – Abschied von Balakov – Pfiffe bei der Meisterehrung sind so gut wie sicher u.a.
Du mußt das, du mußt das, du mußt das beherzigen
Roland Zorn (FAZ 17.5.) skizziert das Aufgabengebiet eines „Feuerwehrmanns“. „Mutig, mutig, Herr Kollege. Das denkt sogar Jörg Berger, der an Furchtlosigkeit unübertroffene Nothelfer deutscher Profifußballvereine. Der zur Zeit in sicheren Verhältnissen beim Zweitligaklub Alemannia Aachen engagierte Trainer hat gestaunt, wie umstandslos Klaus Augenthaler den Hilfeschrei aus Leverkusen erhört und danach prompt einen Vertrag beim Tabellensechzehnten der Bundesliga unterschrieben hat. Zwei Wochen nachdem der 45 Jahre alte Niederbayer beim so gut wie sicheren Absteiger 1. FC Nürnberg wegen Erfolglosigkeit gefeuert worden war. Ich könnte das nicht, gibt Berger zu, unmittelbar nach einer Entlassung habe ich immer eine längere Auszeit gebraucht, um körperlich und geistig zu regenerieren. Der jahrelang mit dem Etikett Feuerwehrmann ausgezeichnete Trainer für aussichtslos anmutende Aufgaben war wie viele seiner Kollegen überrascht, daß die Leverkusener elf Tage vor Saisonschluß noch einmal ihren Cheftrainer austauschten (…) Eine verunsicherte Mannschaft stark zu reden gehört für Berger zur Grundausrüstung jedes Fußball-Reanimators. Der Trainer, der bei Eintracht Frankfurt gleich zweimal, beim 1. FC Köln und beim FC Schalke 04 wertvolle Rettungsdienste leistete, skizziert sein bewährtes Hilfsprogramm so: Du mußt motivieren und immer positiv sein. Du mußt den Eindruck vermitteln, daß du das Unmögliche möglich machst. Du mußt glaubwürdig sein, und du darfst nie Angst haben. Angst habe er nur zweimal in seinem Leben verspürt: Einmal, als ich von meiner Krebserkrankung erfuhr, das andere Mal, als ich aus der DDR geflüchtet bin. Die Titanics der Bundesliga über Wasser zu halten, daran traut sich Berger indes mit Vergnügen. In so einer Situation, sagt der Trainer, mußt du jemand holen, der das schon mal erlebt hat. Dabei komme es auf fachliche Referenzen nicht einmal vorrangig an. Du mußt kein herausragender Trainer sein, aber du mußt führen können. Du mußt das, du mußt das, du mußt das beherzigen, so lauten die imperativen Anleitungen aus dem Rotkreuzkasten des Jörg Berger. Bei ihm hatte Bayer auch schon nachgefragt, als sie Toppmöller verabschiedeten – und sich dann doch für die falsche Lösung Hörster entschieden.“
Mental müde
„Einer der Letzten, die mit dem Ball sprechen können, hört auf.“ Martin Hägele (SZ 17.5.) verabschiedet Krassimir Balakov. „Nicht immer hat der Virtuose, der vor acht Jahren als „Maradona mit all dessen positiven Eigenschaften“ (Rolf Fringer, ehemaliger Trainer) aus Portugal nach Schwaben kam, so getickt. Es gab Zeiten, da spaltete er die VfB- Gemeinde. Die Fußball-Lehrer Ralf Rangnick, Winfried Schäfer oder zuletzt Manager Rolf Rüssmann sind auch an „Bala“ gescheitert, an jenem Status, der ihm vom früheren Klubpräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder vertraglich zugesichert worden war. Balakov hätte auf diesen kuriosen Kontrakt pochen können. Er brauchte nur einen Arzt, der ihm die Fitness für die Bundesliga attestierte – und sein Vertrag hätte sich um ein Jahr verlängert. Jeder Doktor hätte dieses Attest ausstellen können, weil der 37- Jährige heute mehr rennt als je zuvor. Wenige Bundesligaspieler dürften in der laufenden Runde mehr Kilometer auf dem Tacho haben. Es waren aber nicht die Knochen oder die Muskeln, die morgens beim Aufstehen schmerzten; der Kopf sandte Signale: „Ich war 21 Jahre Profi, ich war fast nie verletzt, ich habe mir einen großen Namen gemacht in der Branche und viele Höhen und Tiefen mitgemacht – jetzt bin ich müde, einfach mental müde.“ Künftig darf er sich Assistent des Teammanagers und Repräsentant des Vereins nennen. Spielen wird er nicht mehr, obwohl er auch den Status des „Stand-by-Profis“ erhält. Er könne gar nicht mehr auf den Platz zurückkommen, sagt Balakov, „weil ich in Deutschland Realismus gelernt habe. Hier kann ich nicht machen, was ich in Bulgarien oder Portugal gemacht hätte“ (…) Inzwischen kann er auch vergessen und verzeihen. Rangnick und Schäfer, die Trainer, mit denen er einst im Streit lag, sind Ehrengäste bei seinem Abschiedsspiel. Geleitet wird dies von Markus Merk. Dem Schiedsrichter aus Kaiserslautern verdankt Balakov seinen ersten Platzverweis in der Bundesliga.“
Ohropax besorgen
Jan Christian Müller (FR 17.5.) warnt vor Missfallensbekundungen bei der Meisterehrung. “Spannend wird es am Samstag im ausverkauften Olympiastadion erst nach dem fälligen Fußballpflichtspiel des FC Bayern München gegen den VfB Stuttgart. Denn dann werden mehrere Dutzend fleißiger Helfer in Windeseile eine Bühne aufbauen, es wird bombastische Musik gespielt und Konfetti in den vielleicht sogar wolkenlosen Himmel gesprüht – und dann wird es bald zur Überreichung der Meisterschale kommen. Man muss kein Prophet sein, um sich auszumalen, dass bei Werner Hackmann dann ein ganz klein wenig die Knie schlottern werden. Hackmann ist nämlich Präsident des Ligaverbandes und der ranghöchste Repräsentant der Deutschen Fußball-Liga (DFL). In dieser Funktion ist er gehalten, sich nach Schlusspfiff von seinem Sitz auf der Ehrentribüne aufzumachen zur Siegerehrung. Weil aber Hackmann und die DFL in München ähnlich beliebt sind wie Labskaus oder Beck’s Bier, darf man sich getrost auf ein gnadenloses, gellendes Pfeifkonzert einstellen. Hackmann wäre also dringend angeraten, sich schon mal prophylaktisch diese komischen gelben Ohropax zu besorgen und tief genug in die Hörmuschel einzuschieben. Um sich gar vor tätlichen Übergriffen zu schützen, hat sich der Ligaboss bereits notgedrungen damit einverstanden erklärt, diesmal lediglich als Staffage und Grüßonkel dabei zu sein.“
Gülle in Büchern transportiert
Was macht ein Profi nach Karriereende? Michael Eder (FAZ 17.5.) spekuliert. „Vielleicht Trainer, das ist eine hübsche Möglichkeit; ein gleitender Übergang gewissermaßen von der Jugend ins Alter, von der Trainingshose in den Maßanzug. Wenn schon nicht bei Leverkusen wie Augenthaler, so zur Not auch bei Partizan Belgrad, wohin es den Lothar verschlagen hat und wo er als Mister Matthäus seine Monologe nun vom Dolmetscher übersetzen läßt, damit man wenigstens in Serbien tut, was sonst überall Schwierigkeiten bereitet hatte: ihn verstehen. Immerhin: Mister Matthäus hat die Meisterschaft von Serbien und Montenegro gewonnen, und auch das Allerwichtigste hat ihm der Job beschert: ein paar Interviews, ein paar Schlagzeilen, für die er sonst mit einer Minderjährigen durch die Discos ziehen mußte oder wenigstens die Bayern verklagen wegen eines Abschiedsspiels und fehlender Gelder oder sonst irgendwas. Dem Lothar gilt an dieser Stelle unser Mitgefühl. Der Mann muß sich, da er nicht mehr kicken kann, wirklich arg plagen für die paar Schlagzeilen, für eine Einladung zu Beckmann, für ein paar Fotos in Bild. Das Allerschlimmste aber: Lothars größter Feind, der ehemalige Kollege Effenberg, hat das alles umstandslos viel besser hingekriegt. Der muß nicht Partizan trainieren, nicht einmal mehr Obdachlose mit der Schuhsohle berühren, nein, der muß nur ein Büchlein schreiben, und schon interessiert sich kein Mensch mehr für Kahn und Schumacher, von Matthäus ganz zu schweigen, schon hockt Effe in jeder Talkshow und ist der Star auf dem Boulevard. Das ist eine traurige Geschichte, nicht nur für jene, die meinen, daß man Gülle nicht in Büchern transportieren sollte, auch für Lothar ganz persönlich. So trifft es sich letztlich doch ganz gut, daß es ihn nach Serbien verschlagen hat, denn daheim würde er überall nur Effe sehen: bei Beckmann, bei ran, an der Bushaltestelle, in seiner Lieblingszeitung. Dann doch lieber nach Belgrad, ins Exil.“
Diskussion über die Förderung von Fußball-Nachwuchs FR
Tsp-Interviewmit René Tretschok über das Karriereende
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Die stereotype Darstellung einzelner Fußballstile
Die stereotype Darstellung einzelner Fußballstile kritisiert Dario Venutti (NZZaS 16.6.). „Fleiß, Disziplin und Pflichtbewusstsein gelten als „deutsche Tugenden“. Sie werden besonders im Fußball bemüht, weil sich dieser als Projektionsfläche von vermeintlichen Nationalcharakteren gut eignet. Das aktuelle deutsche Team scheint die Attribute exemplarisch zu verkörpern: Es hat den Einzug in die Viertelfinals mit Beharrlichkeit und Fleiß geschafft, ohne (außer gegen Saudi-Arabien) spielerische Akzente zu setzen (…) Dem Klischee von den „deutschen Tugenden“ entspricht dasjenige von den individualistischen, kreativen und ballverliebten Brasilianern, Italienern oder Argentiniern – allesamt vermeintlich undeutsche Eigenschaften. Solche Zuschreibungen sind im Kern nicht nur rassistisch, sondern auch falsch.“
Zur Schadenfreude der romanischen Bevölkerung in der Schweiz am Ausscheiden der Franzosen schreibt Christoph Büchi (NZZ 15.6.). „Alle vier Jahre findet anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft ein Intensivseminar in jener Disziplin statt, die früher als „Völkerpsychologie“ bezeichnet wurde. Es ist immer wieder erstaunlich, festzustellen, wie beim großen Fußballfest nationale Vorurteile, Klischees, Sympathien und Antipathien an die Oberfläche gelangen, die heutzutage – im Namen der Globalisierung, der europäischen Einigung oder der Multikulturalität – meist unter dem Deckel gehalten und stigmatisiert werden. Das Ausscheiden der französischen Stars an der Fußball-Weltmeisterschaft hat in welschen Bistrots und Stuben unverhüllte Genugtuung ausgelöst. Die Franzosen gelten in der Romandie als süffisant und arrogant, was die Schadenfreude erklärt.“
Gewinnspiel für Experten
Bundesliga
Geschichte der Radiokonferenz
Neues aus der Bundesliga – Auslandsfußball vom Wochenende – vor der 2. Runde der Champions League – Sport und Politik – Geschichte der Radiokonferenz (mehr …)
Bundesliga
Gerets, der hilflose Wunderdoktor
Der zweite Teil des vierten Spieltags der Fußball-Bundesliga (hier finden Sie den ersten Teil): In Kaiserslautern praktiziere – so die FR nach dem dürftigen Remis des FCK gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld – mit Trainerneuzugang Gerets ein „hilfloser Wunderdoktor“. Stefan Effenberg wird beim 2:1-Sieg seiner „Wölfe“ über den HSV von allen Seiten eine starke Leistung attestiert. Leverkusens Trainer Toppmöller entdeckt beim 3:1-Sieg in Rostock seines Teams „alte Tugenden“ der vergangenen Saison. Außerdem fragen sich die Experten: Riecht es, wie üblicherweise im Herbst, nach Trainerentlassungen? Außerdem: vor dem Saisonstart in Italien.
Peter Penders (FAZ 13.9.) zieht nach vier Spieltagen ein Zwischenfazit. „Geld schieße keine Tore, hieß früher eine der Weisheiten der Fußball-Bundesliga. Auf Dauer schon, das weiß man inzwischen, und deshalb nimmt die Tabelle der Fußball-Bundesliga langsam die Konturen an, die man erwarten durfte. Die, die noch Geld haben, werden bald unter sich sein – und dahinter werden alle anderen, so gut es geht, ums Überleben kämpfen. Das allerdings eröffnet den vermeintlich Kleinen in dieser Saison offenbar bessere Chancen als in den vergangenen Jahren. Weil die Liga sparen musste, ist sie ausgeglichener geworden. Die Bayern, Dortmund und Leverkusen kämpfen um den Titel, und für den großen Rest ist vermutlich alles möglich. Die Aufsteiger als leichte Beute für die Etablierten? Das scheint fürs erste vorbei, zumindest wenn man Bochum und Bielefeld betrachtet, die trotz ihres Aufstiegs den Sinn für die Realität nicht verloren haben. Das mag daran liegen, dass beide Vereine häufig genug ein gerngesehener Gast in der Beletage des deutschen Fußballs waren und sich in schöner Regelmäßigkeit wieder mit einem freundlichen Bis bald auf den Lippen verabschiedeten.“
VfL Wolfsburg – Hamburger SV 2:1
Jörg Marwedel (SZ 13.9.) erkennt eine Weichenstellung. „Vom „großen HSV“ ist allenfalls der mittlerweile ziemlich vermessen wirkende Anspruch geblieben, ein Spitzenteam zu sein – Hamburg ist wie in der vergangenen Saison wieder in der Abstiegsregion angekommen. Die „kleinen“ Wolfsburger dagegen haben spätestens am Mittwoch eine neue Sphäre ihres Daseins erreicht, deren Symbolfigur zweifellos Stefan Effenberg heißt. Tatsächlich hatte der Altstar bei seiner Heimpremiere im grünen Dress angedeutet, welchen Wert er für seinen neuen Arbeitgeber noch haben könnte.“
Zum Auftritt Stefan Effenbergs heißt es bei Frank Heike (FAZ 13.9.). „Eine Befürchtung mancher Wolfsburger Fans (und wohl auch einiger Spieler) bewahrheitete sich am Mittwoch nicht: die, sich für viel Geld einen womöglich abgehalfterten Star eingekauft zu haben, der lichte Momente auf dem Platz vor allem für sich, aber auf dem Rücken der anderen verbucht. Stefan Effenberg kämpfte und rannte, er grätschte, gewann viele Zweikämpfe in der Defensive und beförderte den Ball in der Schlussphase sogar ein paar Mal mit dem Kopf aus dem eigenen Strafraum (…) Wer auf dem Feld den Masterplan hat, dem verzeiht man ganz schnell alle Extravaganzen (als einziger trägt er im pumagesponserten Wolfsburg Adidas-Schuhe) und alle Fehltritte der Vergangenheit. Zumindest in Zeiten des Erfolges.“
1. FC Kaiserslautern – Arminia Bielefeld 1:1
Martin Hägele (SZ 13.9.) bezeichnet es als „Illusion, man könne eine malade Fußballmannschaft auf der Stelle kurieren, indem man gewöhnliche Umgangsformen wie etwa den Handschlag zur Begrüßung in der Kabine oder eine neue Grundordnung auf dem Platz einführe, ganz schnell verflogen (…) Eric Gerets hat einen Mannschaftsbus voller Kickerübernommen, von denen derzeit keiner Normalform erreicht. Was Fitness und Psyche der Spieler angeht, haben die gefeuerten Ausbilder Andreas Brehme und Reinhard Stumpf einen Kader in liederlicher Verfassung hinterlassen. Üblicherweise reagieren Profis auf einen Trainerwechsel mit erhöhtem Einsatz und gesteigerter Konzentration, jeder möchte sich empfehlen. In Kaiserslautern aber verdrehten sich die gängigen Muster: Panikfußball.“
Zur Stimmung in Kaiserslautern schreibt Jan Christian Müller (FR 12.9.). „Der Lärmpegel auf der Baustelle Fritz-Walter-Stadion war schon in der Stunde vor dem Anpfiff seltsam niedrig. Das mag daran gelegen haben, dass ein Jahr nach den schrecklichen Ereignissen vom 11. September 2001 die Erinnerung wieder wach geworden war, spätestens dann, als unmittelbar vor Spielbeginn eine Gedenkminute abgehalten wurde; eher wohl aber deshalb, weil die nur 32.000 erschienenen FCK-Fans tief enttäuscht sind über den unterirdischen Zustand, in dem sich Klub und Mannschaft in den vergangenen Monaten präsentiert hatten. Der neue Trainer Gerets wurde mitsamt des bis zur Mitgliederversammlung am 15. Oktober als Generalbevollmächtigter agierenden Rene C. Jäggi mit freundlichem Beifall begrüßt – und mit gellenden Pfiffen in die Halbzeitpause begleitet. Sogar vereinzelte „Brehme“-Rufe waren zu hören. Das freilich können die Fans nicht ernst gemeint haben. Zu deutlich wurde nämlich, dass der Belgier Gerets eine zutiefst verunsicherte Mannschaft übernommen hat.“
Roland Zorn (FAZ 13.9.) dazu. „Die älteren Anhänger unter den Fans des 1. FC Kaiserslautern können sich noch daran erinnern. Es gab eine Zeit, da sich die Gegner der Pfälzer beim Anblick des Betzenbergs ganz klein machten und in Furcht und Achtung erstarrten. Lang ist’s her. Heute muss sich ein gut organisierter Aufsteiger wie der DSC Arminia Bielefeld nachher fast schon fragen, ob er mit dem Gewinn eines Punktes im Fritz-Walter-Stadion zufrieden sein darf. Am Mittwoch hätte es für die Ostwestfalen mehr sein dürfen als nur ein 1:1 (…) Hexenkessel? Vielleicht verhilft Eric Gerets, der neue Trainer, den „Roten Teufeln“ in kurzen Hosen wieder zu dem althergebrachten Schreckensruf. Am Mittwoch Abend, nach gerade zwei Trainingstagen, bekam der 48 Jahre alte Belgier erst einmal selbst einen Schreck. So unsicher, ungeordnet und unverständlich hatte er sich das Hoch-weit-Spiel seiner neuen Elf bei aller Skepsis nicht vorgestellt (…) Der Nachfolger von Brehme ist beim noch sieglosen Tabellen-Siebzehnten in Zukunft als Aufbauhelfer ebenso gefordert wie René Caesar Jäggi an seinem Platz als kommissarischer Generalbevollmächtigter und künftiger Vorstandsvorsitzender des FCK. Der Belgier und der Schweizer wollen den Pfälzern wieder Mut machen, sportliche wie finanzielle Großprojekte zu stemmen. Während Gerets seinen Job, den verunsicherten Lauterer Profis wieder das kleine Einmaleins des Fußballs beizubringen, eher hemdsärmlig zu meistern versucht, will der Basler Geschäftsmann mit Charme und Chuzpe darangehen, die Millionenfragen an der Baustelle Fritz-Walter-Stadion zu lösen.“
Hansa Rostock – Bayer Leverkusen 1:3
Javier Cáceres (SZ 13.9.) prognostiziert. „Beim 3:1-Sieg in Rostock glänzte Leverkusen spielerisch, agierte selbstbewusst und offensiv; Hansa wurde vor allem in der ersten Halbzeit durch aggressives Forechecking gebunden (…) Die alten Tugenden – das sind die, die Leverkusen in der vergangenen Saison sehr viel Respekt verschafft haben, in ganz Europa. An einer Neuauflage in der Spielzeit 2002/2003 haben nicht wenige gezweifelt, weil Michael Ballack und Zé Roberto zum FC Bayern gewechselt sind. Mit Skepsis aber sah sich Klaus Toppmöller schon konfrontiert, als er sein Amt als Leverkusener Trainer antrat. Sie wurde bekanntlich widerlegt. Ob es dieses Jahr wieder so kommt? Mit Blick aufs Spiel in Rostock ist das nicht mehr ausgeschlossen. Leverkusen hat ausreichend Potenzial, auch in der neuen Saison eine prominente Rolle einzunehmen.“
VfB Stuttgart – Schalke 04 1:1
Michael Ashelm (FAZ 13.9.). „Dass der technisch und taktisch an diesem Abend über weite Strecken überlegene VfB Stuttgart nach der Führung durch Bordons Freistoß aus dreißig Metern gegen die einfallslosen, trägen Schalker, die unter ihrem neuen Trainer Frank Neubarth noch ungeschlagen sind, dann doch nicht gewann, ärgerte die meisten der 26.500 Zuschauer. Sie verabschiedeten ihre Mannschaft mit Pfiffen. Vielleicht in schlechter Erinnerung an die Saison vor zwei Jahren, als unter Trainer Ralf Rangnick wie auch diesmal das Erreichen des Uefa-Pokals über den Ui-Cup etwas Großes versprach, am Ende aber nur um ein Haar der Abstieg vermieden werden konnte.“
Weiteres
Zur Kritik an Hannovers Transferpolitik meint Wolfgang Hettfleisch (FR 13.9.). „Wie man es macht, macht man’s verkehrt. Was hätten sie wohl gesagt, die Kritiker in Hannover und der gesamten Branche, wenn 96-Sportdirektor Ricardo Moar nach dem missglückten Bundesliga-Start nicht auf Notbeatmung umgeschaltet und fünf Neue geholt hätte? Was, wenn Trainer Ralf Rangnick an den Auserwählten festgehalten hätte, die erfolglos die ersten Partien bestritten, anstatt, wie geschehen, gegen Cottbus die jüngst angeheuerten Jaime, Fernando und Bobic in die Startelf einzubauen – und dazu einen stürmenden Nobody wie Mohammadou Idrissou, der vorige Saison noch beim hessischen Regionalligisten SV Wehen sein Geld verdiente? Wäre all das also nicht geschehen, so hätten die Kritiker vermutlich geschimpft, die Verantwortlichen sollten sich gefälligst auf dem Spielermarkt umsehen und anderes Personal ranlassen. Dass man damit noch keine Siege kaufen kann, wissen sie jetzt in Hannover.“
Zu den lauter werdenden Spekulationen um mögliche Trainerentlassungen lesen wir von Ludger Schulze (SZ 13.9.). „Bei den vier Millionen Arbeitslosen, die Kandidat Stoiber dem Kanzler Schröder anlastet, ist die Gruppe der Fußballtrainer vermutlich nicht einmal inbegriffen. Für diese Statistik sind sie jedenfalls ein belebendes Element: fliegen heute hier raus, werden morgen anderswo wieder eingestellt, ein Kommen und Gehen, dass es selbst der Hartz-Kommission schwindelig werden Muss.“
Trainerkarussell in der Bundesliga? NZZ
Vor dem italienischen Saisonstart wirft Peter Hartmann (NZZ 13.9.) ein. „Einerseits scheint das Rennen völlig offen: Titelhalter Juventus, der vorletzte Campione, die AS Roma, und die beiden Mailänder Großklubs Internazionale und AC Milan – alle vier nehmen auch an der Champions League teil – sind mit ihrer spielerischen und finanziellen Potenz als Titelanwärter gesetzt. Andererseits lauert auch die Unsicherheit, dass dem Ball während des Spiels doch noch die Luft ausgehen könnte. Das liebste Spielzeug der Italiener bewegt sich wieder, doch die Probleme bleiben. Der Fußball hat sich in den letzten fünf Jahren der Verschwendung und Verblendung mit über einer Milliarde Euro Schulden belastet. Die Klubs halten 30 bis 40 überbezahlte Spieler auf der Pay-Roll, und weil der Transfermarkt praktisch nicht mehr funktionierte, waren sie kaum in der Lage, diese Überbestände und damit die Salärmasse abzubauen. Nur Milan, Inter und Juventus haben, gewissermaßen als antizyklisch handelnde Profiteure der Situation, ihre Kader gezielt verstärkt (…) Die Kehrseite des weitgehend ausgebliebenen Transfergeschiebes ist vielleicht die Stabilisierung der Mannschaften. Das könnte mehr Kontinuität und mehr Spielqualität in der zuletzt arg gescholtenen Liga bedeuten. Nur vier der achtzehn Teams der Serie A haben den Trainer ausgewechselt: Auch aus dieser der Not gehorchenden Beschränkung wird vielleicht eine Tugend.“
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