indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Freitag, 13. August 2004

11 Freundinnen

Ein weiblicher Ronaldo oder van Nistelrooy

8:0 gegen China?! Was ging da vor, Martin Hägele (taz 13.8.)? Stimmt das überhaupt? „Es hat gerade mal 20 Minuten in ihrem 176. Länderspiel gedauert, bis Fan Yunjie merkte, dass sie in einer anderen Fußball-Welt gelandet war. Die 32-jährige Spielführerin der chinesischen Frauen-Auswahl kann so etwas beurteilen. Sie hatte als eine der wenigen Ausnahmen aus der großen Generation den Umbruch nach dem enttäuschenden 5. Platz bei der Weltmeisterschaft 2003 in Amerika überlebt. Von der Frau mit der Nummer 5 im Abwehrzentrum erwartet ein erfolgverwöhntes Volk, dass sie ihren jungen Kolleginnen den entsprechenden Weg zeigt. Im Reich der Mitte kennt man sportpolitisch klare Vorgaben, und das große Ziel von der Goldmedaille 2008 vor eigenem Publikum passt obendrein ideal zu den vertrauten Fünfjahresplänen. In solchen Vorstellungen ist kein Platz für eine 0:8-Niederlage oder dafür, dass die alten Großmeisterinnen dieses Spiels von ihren ehemaligen Schülerinnen eine solch furchtbare Lektion erhalten könnten. Umgekehrt hatte dieser Erfolg im Spielzimmer des Weltmeisters den neuen chinesischen Fußball-Zirkus beflügelt. Der deutsche Elektrokonzern Siemens, Hauptsponsor für alle chinesischen Auswahl- und Profi-Liga-Mannschaften, lieferte seinen Werbe-Repräsentantinnen auch noch das entsprechende Spielzeug, sprich den Stoff für die Visionen. Auf ihren Handys befinden sich Programme für virtuelle Länderspiele, mit den Fotos und Bewegungsabläufen ihrer Gegenspielerinnen. Deutschland ist auf der höchsten Schwierigkeitsstufe gesetzt. Computer-China kann jedoch, bei der Wahl einer gescheiten Taktik und dank geschickter Finger auf dem Cursor, den Favoriten schlagen. In der Wirklichkeit aber bewegen sich die deutschen Frauen mit ganz anderem Tempo und viel mehr Wucht, als es sich auf dem kleinen Display in der Hand vorspielen lässt. Und so trafen die beiden ersten Kopfballtore durch Birgit Prinz das Selbstbewusstsein von Chinas Ensemble gleich entscheidend. Die 26-jährige Physiotherapeutin aus Frankfurt gilt zwar als weltbeste Fußball-Frau. Den Chinesinnen aber muss die deutsche Modellathletin erschienen sein, als fliege und hechte, stürme und schieße da ein weiblicher Ronaldo oder van Nistelrooy durch ihren Strafraum.“

Ascheplatz

Wir reden hier nur über Sport, nicht über Finanzen

Schalke bangt um die Qualifikation für den Uefa-Cup. Werden Schalkes Schatzmeister nervös, Felix Meininghaus (FR 12.8.)? „Auch wenn sich Rudi Assauer bemüht, die Dinge zu relativieren. Ein Weiterkommen sei für seinen Verein „überhaupt nicht wichtig“, betonte der Mann mit der Zigarre am Dienstagabend ziemlich unwillig. Doch die Zahlen, die derzeit rund um den Schalker Markt gehandelt werden, scheinen diese Aussage zu widerlegen: Von 102,8 Millionen Euro Verbindlichkeiten ist zu lesen, von einem Umsatzrückgang von 118 auf 93 Millionen Euro und von einem Minus von 19 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr. Auf diese Bilanzen angesprochen, reagiert Assauer dünnhäutig: „Finanzen, Finanzen“, blaffte der Manager im Presseraum der Schalker Arena, „wir reden hier nur über Sport, nicht über Finanzen.“ Wie unangenehm den Schalkern das Thema ist, zeigt, dass die Gewinn- und Verlustrechnung erstmals seit Jahren nicht im Clubmagazin Schalker Kreisel veröffentlicht wurde. Nach dem lieben Geld aber müssen sich die Schalker immer öfter Fragen gefallen lassen. Auch bezüglich der Finanzierung der Arena AufSchalke, die zuletzt durch einen WAZ-Bericht in den Fokus der Öffentlichkeit gelangte. Für die Arena ist ein neues Modell zur Finanzierung von Großveranstaltungen abseits des Fußballs in Vorbereitung. In Zusammenarbeit mit dem Filmproduzenten Equity Pictures in München wird ein Fonds im Volumen von zehn Millionen Euro geprüft. Der Schalker Geschäftsführer Peter Peters erklärte im Namen der Arena-Betreibergesellschaft, einer Tochter des FC Schalke 04: „Diese Gespräche sind auf gutem Weg.“ In Gelsenkirchen wurde stets betont, dass die Arena neben Schalke 04 weitere Einnahmen aus Großveranstaltungen benötigt. Um Topkünstler von Weltrang, wie etwa Madonna, bei der man bereits angefragt hat, zu bekommen, muss ein Veranstalter oft Vorauszahlungen in Millionenhöhe leisten. Daran scheitern viele interessante Projekte, weil dieses Geld nicht immer bereitsteht. Aus dem geplanten Fonds können solche Vorfinanzierungen geleistet werden. Den Löwenanteil an der Arena-Finanzierung müssen indes die Fußballspieler von Schalke 04 hereinschießen. Und tatsächlich hat es den Anschein, als hätten die Schalker wieder eine Mannschaft, die zu Höherem berufen ist.“

Eine Heimat für unsere Fans

Der VfB Stuttgart baut ein Event-Center. Was ist das, Susanne Preuß (FAZ/Wirtschaft 27.7.), und warum machen die das? „Einen Plan B? Erwin Staudt und Rudi Häussler schauen sich strahlend an und beteuern gegenseitig: Einen Plan B brauchen sie nicht. Den VfB-Präsidenten Staudt verbindet mit dem Baulöwen Häussler nicht nur eine fast drei Jahrzehnte währende persönliche Beziehung, sondern vor allem ein unerschütterlicher Optimismus. Deshalb sind sie absolut davon überzeugt, daß sie gemeinsam das neue VfB-Event-Center in Stuttgart bauen werden. Baubeginn im Januar 2005, Fertigstellung 15 Monate später. Wenn die WM im Frühjahr 2006 in Stuttgart Station macht, will Oberbürgermeister Wolfgang Schuster neben dem Gottlieb-Daimler-Stadion „keine Kräne mehr sehen“, wie er bei dem gemeinsamen Präsentationstermin lachend eingesteht. Bis dahin will Häussler als Investor rund 40 Millionen Euro in ein rund 200 Meter langes Gebäude zwischen dem Daimler-Stadion und der Hanns-Martin-Schleyer-Halle gesteckt haben. Bis jetzt ist das Event-Center mit dem Projektnamen „Maxi“ noch nicht einmal genehmigt. Die Gemeinderäte freilich werden sich der Logik nicht entziehen können, die ihnen präsentiert wird. Die Stadt nennt zwar Steuerzahler wie Porsche, Daimler-Chrysler und die LBBW ihr eigen, aber für mehr als ein paar Kioske im Eingangsbereich des Stadions würde das Geld nicht reichen, wie Schuster sagt – nichts, was Eindruck macht, wenn die Welt des Fußballs aufs Schwabenland schaut. Das VfB-Event-Center dagegen hätte „Champions-League-Qualitäten“, meint er und würde die Stadt keinen Cent kosten. (…) Der Business-Bereich des Fußball-Clubs (eine Art Konferenzzentrum mit 300 Veranstaltungen jährlich) sei europaweit einzigartig, sagt er. „Aber während die einen ihren Cocktail hinter der Glasfassade trinken, steht der Fan aus der Kurve mit den Kindern im Regen, um seine Wurst zu essen.“ Dieses Mißverhältnis solle das Event-Center beseitigen helfen: „Eine Heimat für unsere Fans“ solle das Gebäude werden. Werkstätten, Lagerräume für Fahnen und dergleichen, aber auch Aktionsflächen sind geplant, auf denen Betriebssportgruppen ihre Wettkämpfe austragen können oder Sportbegeisterte auf Großleinwänden gemeinsam die Fernsehübertragungen verfolgen – alles in Regie des VfB. Und alles dazu gedacht, das Event-Center auch über die 13 Tage zwischen den VfB-Heimspielen mit Leben zu füllen und damit auch die Kassen des Bundesligisten. Einen ordentlichen sechsstelligen Betrag werde man wohl jährlich mit der Vermietung der Aktionsflächen, mit den Marketing-Rechten und durch das Namenspatronat verdienen können, meint der Präsident.“

Deutsche Elf

Verwalter des Mangels

Jürgen Klinsmann, „Verwalter des Mangels“ (SZ), nominiert Spieler für sein erstes Testspiel, wenig überraschendes / „hinter dem freundlichen Klinsi-Lächeln verbirgt sich ein knallharter Controller“ (FR)

Jürgen Klinsmann hat den Kader für das Testspiel in Österreich (18. August) nominiert. Klaus Hoeltzenbein (SZ 13.8.) kommentiert: „Dass Sebastian Deisler nicht mit nach Wien muss, ist nur positiv zu werten. Es wird eine zentrale Aufgabe für die neue Teamleitung sein, diesen sensiblen Hochbegabten zu Gesundheit und Blüte zu führen. Für Klinsmann spricht, dass er davon absah, Deisler schon gegen Österreich ins Schaufenster zu stellen – seine Premiere hätte mit dem Münchner mehr Aussicht auf etwas Glanz gehabt. Weniger verständlich ist schon, warum Andreas Görlitz nicht nominiert wurde. Auch hier ist die DFB-Teamleitung dem Wunsch von Bayern-Trainer Felix Magath gefolgt, der Schonzeit für den robusten 22-jährigen Außenverteidiger erbeten hatte. Eine neue, dynamische Viererkette (Görlitz, Friedrich, Fahrenhorst, Lahm) hätte ein Experiment, aber auch eine Antwort auf die weltweite Kritik sein können, die deutsche Elf zelebriere ihre Langsamkeit. Die Schonzeit für Görlitz könnte Klinsmann den Vorwurf eintragen, er habe darauf verzichtet, der Nationalelf wieder ein strenges Leistungsprinzip zu verordnen. Diesen Vorwurf aber kann er entkräften. Der Verwalter des Mangels hat den Kader elitär verkleinert, er hat Langzeit-Aktivisten wie Hamann, Kehl, Ziege oder Bobic zur Revitalisierung in ihre Vereine zurück geschickt.“

Kommunikation und Kooperation

Thomas Klemm (FAZ 13.8.) fügt hinzu: „Es war keine Überraschung, daß es keine große Überraschung gab im ersten Aufgebot des einstmals stürmischen Weltklassespielers. Zwischen der enttäuschend verlaufenen Europameisterschaft und Rudi Völlers Rücktritt lagen gerade einmal sechs Wochen mit Urlaub, Sonderurlaub und Saisonvorbereitung. Nach einem bißchen Liga-Pokal, internationalem Aufgalopp und nur einem Spieltag scheint es zunächst folgerichtig, daß der neue Bundestrainer mangels eigener Anschauungsmöglichkeiten auf die Eindrücke seiner Kollegen aus den Vereinen vertraut und seine erste Mannschaft auch nach deren Gusto aufstellt. (…) Wie deutlich indes die Vereinsoberen des FC Bayern auch immer gegenüber dem früheren Münchner Angreifer geworden sind: Deisler erst einmal vor zu vielen Einsätzen zu schützen und Görlitz ein paar Wochen Zeit zur Reife zu geben, erscheinen trotz des neuen Elans beider Profis als kluge Entscheidungen. Fraglich bleibt nur, ob die neue Art der Kommunikation und Kooperation zwischen Klinsmann und den Klubs andauert oder ob sie nur notgedrungen aus Zeitdruck entstanden ist. Noch ist nicht ersichtlich, inwieweit sich der neue Bundestrainer künftig die Zähne ausbeißen wird an den stein- und beinharten Vorstellungen der Vereine.“

Hinter dem freundlichen Klinsi-Lächeln verbirgt sich ein knallharter Controller

Jürgen Klinsmann stellt die Torwart-Fragen; Jan Christian Müller (FR 13.8.) findet’s gut: “Kein Mensch kann sich vorstellen, dass Kahn sich so brav wie Stellvertreter Jens Lehmann – von dessen einzelnen, vom tiefen Frust getriebenen Ausbrüchen abgesehen – ins zweite Glied einreihen würde. Insoweit handelt der Neue mutig, mutiger vor allem, als Rudi Völler gehandelt hätte. Klinsmann handelt auch im Sinne des Ganzen. Denn Kahn wird in zwei Jahren 37 Jahre alt sein. Es wäre unfair gegenüber Vorderleuten und Keeper-Konkurrenz, das Leistungsprinzip zwischen den Pfosten weiterhin auszuschalten. Die Meriten der Vergangenheit zählen nicht mehr. Das gilt auch für Dietmar Hamann und noch ein paar andere, deren Entwicklungspotenzial überschaubar ist. Klinsmann traut sich, alte Zöpfe abzuschneiden. Beweis: Weder der Mittelfeldspieler des FC Liverpool noch Sebastian Kehl, Christian Ziege und Fredi Bobic schafften die Nominierungskriterien. Auch der langjährige DFB-Direktor und Reisemarschall Bernd Pfaff sowie Bundestrainer und Nachwuchskoordinator Michael Skibbe wurden gnadenlos ins Abseits befördert. Wer noch Zweifel hatte, weiß es spätestens jetzt: Hinter dem freundlichen Klinsi-Lächeln verbirgt sich ein knallharter Controller.“

Donnerstag, 12. August 2004

Allgemein

Zurückhaltend, aber angriffsbereit, offensiv als Persönlichkeit, aber kontrolliert und mit Manieren

Armin Grasmuck (FAZ 12.8.) ist angetan von Andreas Görlitz: „Mit dem nötigen Respekt, aber ohne jegliche Furcht und vor allem mit viel Elan hat Görlitz seinen Dienst beim Rekordmeister angetreten. Egal, ob Bergmarsch, Medizinball oder Bleiweste: selbst bei den härtesten Einheiten während der Saisonvorbereitung marschierte Görlitz vorneweg. In Magaths Viererabwehrkette war der Neuzugang vom ersten Test an auf der rechten Seite gesetzt. „Natürlich habe ich auf einen Platz unter den ersten elf gehofft“, gesteht er, „dafür habe ich in der Vorbereitung alles gegeben.“ Beim Ligadebüt im Bayern-Trikot am vergangenen Samstag in Hamburg zählte Görlitz prompt zu den Stärksten. Er trumpfte auf mit viel Biß im Zweikampf, aber auch mit großem Tatendrang im Vorwärtsgang. (…) Zurückhaltend, aber angriffsbereit, offensiv auch als Persönlichkeit, aber kontrolliert und mit Manieren: Görlitz geht auch das Thema Nationalmannschaft unverkrampft an. „Natürlich würde ich mich über eine Einladung freuen, das wäre ein Traum, aber wenn ich ehrlich bin: Es kommt alles doch ein bißchen schnell.“ Er untermalt seine Einschätzung mit einem zögernden Lächeln. Doch sollte der Bundestrainer wissen: Wer Görlitz ruft, kriegt alles, und zwar auf der Stelle.“

Internationaler Fußball

Vermeintlich sauberes Angriffsspiel

Wettskandal in Italien (FAZ) – England wird Sven-Göran Eriksson nicht los (Zeit)

Aus der Reihe ‚Meldungen, die keine mehr sind’: Wettskandal in Italien – Dirk Schümer (FAZ 12.8.) berichtet: „Nach gewalttätigen Ausschreitungen der Tifosi, nach der drohenden und bereits eintretenden Pleitewelle von Klubs aufgrund von Größenwahn der Präsidenten sind es nun Spieler, Manager und Trainer, die Italiens fußballerischer Dauerkrise eine neue Dimension verschaffen: Gegen insgesamt 33 Personen ermittelt die Liga in einem Wettskandal. Mehreren Vereinen – davon drei aus der Serie A – droht die Rückstufung in eine niedrigere Spielklasse oder Punktabzug, Spielern drohen jahrelange Sperren, Trainern Berufsverbot. Im mild aufkeimenden Fußballfieber angesichts der italienischen Beteiligung am olympischen Turnier von Athen wirkt die Anklage wie eine Hiobsbotschaft. Dabei sollen ausschließlich Angestellte kleinerer Klubs unlauter ins Spielgeschehen eingegriffen haben. Die Ermittlungsbehörden weisen Geständnisse von Manipulateuren aus dem Umfeld vor und haben merkwürdige Spielausgänge sowie intensiven Austausch von gegnerischen Spielern via Telefon und SMS festgestellt. Aus der höchsten Spielklasse ist neben dem schwer verwickelten AC Siena, Sampdoria Genua und dem abgestiegenen FC Modena auch Chievo Verona ins Visier der Fahnder geraten, also ausgerechnet der David, der mit preiswertem und vermeintlich sauberem Angriffsspiel die Goliaths des Geschäfts über Jahre das Fürchten gelehrt hatte. (…) Für die kommende Saison bedeuten die Ermittlungen einen echten Tiefschlag. Wegen einer Klage von Luciano Gaucci, Präsident des aus der Serie A abgestiegenen AC Perugia, gegen die angeblichen Lizenzverstöße des AC Parma liegt der Spielplan immer noch auf Eis, nun kommen mit den Ungewißheiten über Siena, Chievo, Sampdoria und Modena weitere Unwägbarkeiten hinzu, so daß man traditionsgemäß den Start der Serie B bereits verschieben mußte. Trotzdem: Wetten, daß Italiens Fußball irgendwie auch aus diesem neuesten Abgrund herausfindet?“

Haben die Engländer Sven-Göran Eriksson am Bein, Jürgen Krönig (Zeit.de)? „Eriksson war taktisch unflexibel, zudem zu defensiv eingestellt. In vier Jahren vermochte er der Mannschaft um Beckham, Owen und Rooney nicht beizubringen, den Ball in den eigenen Reihen zu halten und einfallsreich zu kombinieren. Mangel an Kreativität, lange Bälle nach vorn und Rückzug in die Defensive, wenn man ein Tor erzielt hatte, kennzeichneten das englische Spiel unter seinem Management. Der Trainer, der seine größten Erfolge bei diversen italienischen Clubs feierte, übertrug die Mentalität des italienischen Fußballs auf die englische Mannschaft. Priorität in Italien ist, nicht zu verlieren. Im englischen Fußball will man um jeden Preis gewinnen. Das jedoch dürfte dem Team unter Eriksson kaum gelingen. Aber vielleicht wirft Eriksson den Bettel doch irgendwann hin, zu finanziell akzeptablen Bedingungen, versteht sich. Beneidenswert ist seine Lage nicht – angeschlagen, umgeben von einem Verband, der ihn eigentlich loswerden wollte. Und die feindselige Presse wartet nur darauf, dass er ausrutscht, ob nun im Privatleben oder als Fußballmanager.“

Ball und Buchstabe

„Waldi Hartmann: Bildschirmverbot“

Ein paar Wochen ohne Waldi! (FR) – letzte Ruhestätte Fußballstadion (SpOn) u.a.

Als reiner Sportsender ohne Gebührenfinanzierung kann man heute nicht überleben

Burkhard Riering (Welt/Medien 11.8.) beschreibt die Zwickmühle des DSF: „Ein Blick ins Fernsehprogramm offenbart dem Zuschauer das gegenwärtige Dilemma des Sportsenders DSF: Um neun Uhr läuft dort die Sendung „Werbung“, um zehn Uhr ebenfalls „Werbung“, und um elf Uhr auch. Von Sport keine Spur. Stattdessen: Dauerwerbung für Bratpfannen, Küchenhobel, Aufblasbetten. Um 14 Uhr darf der Geneigte dann tatsächlich sportlicher Betätigung beiwohnen: Tennis. Doch nach einer Stunde wird das Masters-Turnier unterbrochen – nicht wegen Regens, sondern weil Quiz auf dem Programm steht. Der kleine Münchner Sender, der sich ausgeschrieben „Deutsches Sport Fernsehen“ nennt und nachts die Zuschauer mit „Sexy Clips“ bei Laune hält, zeigt unter dem Strich zwischen elf und 14 Stunden pro Tag keinen Sport. Das klingt nach gescheiterter Sender-Positionierung. Doch DSF-Geschäftsführer Rainer Hüther hat keine Wahl: Mit den Telefon- und Quiz-Shows am Vor- und Nachmittag sowie den sportlichen Stripnummern des Nachts müsse das Geld verdient werden, mit dem am frühen Abend überhaupt anständiger Sport finanziert werden kann. „Wir wollen und werden wieder mehr Sport zeigen“, sagt Hüther, „aber wir müssen die Senderechte refinanzieren können“. Und hier liegt das wahre Dilemma des DSF: Als reiner Sportsender ohne Gebührenfinanzierung, weiß Hüther, kann man heute nicht überleben. Die Preise für Sportrechte würden gerade wieder deutlich ansteigen. Die großen Sender überböten sich derzeit gegenseitig und trieben so die Preise vor sich her. „ARD und ZDF fahren derzeit eine sehr offensive Einkaufspolitik gerade im Sport, das DSF kann aber im Preiswettbewerb mit den gebührenfinanzierten Sendern nicht mithalten“, beobachtet auch DSF-Chefredakteur Axel Balkausky. (…) Einen Imageschaden sieht Chefredakteur Balkausky dadurch aber nicht. Durch Quizsendungen („Welches Wort suchen wir: TORPSLAPTZ“) gelangweilte Sportfans würden mit dem großen, frühabendlichen Fußballangebot entschädigt. Zumal sportaffine Männer – Zielgruppe des DSF – ohnehin tagsüber nicht vor dem Fernseher sitzen würden. Die wollen Fußball – jeden Tag. Besonders mit dem Sonntagsfußball erzielte das DSF in der vergangenen Saison eine Reichweite von bis zu 4,22 Mio. Zuschauern und Marktanteile von bis zu 15 Prozent. So schafft sich der kleine Sender ein Kerngebiet, um das herum viele Shows und Sendungen gebaut werden können.“

Auf Waldemar Hartmann dürfen wir nun ein paar Wochen verzichten – Iris Hilberth (FR/Medien 12.8.): „“Waldi Hartmann: Bildschirmverbot“ titelte die Münchner Abendzeitung: Bundesliga ohne den volkstümlichen TV-Journalisten, dem oft das Attribut „beliebt“ beigefügt wird, worüber sich manch einer seiner zahlreichen Kritiker doch immer sehr wundert. Der Anhänger von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, der auch gerne mal im CSU-Wahlkampf als Einheizer anheuert und dann dem Parteichef mit dem verbalen Griff in die Kiste mit dem Fußball-Vokabular nicht nachsteht, hat mit seiner kumpelhaften Art der Interviewführung die Sportnation schon immer gespalten. Von Sport Bild gleichwohl mehrmals zum „beliebtesten Moderator“ der Republik gewählt, ist Weißbiertrinker „Waldi“ spätestens seit seinem Interview mit Rudi Völler in Island, das zu dessen legendären Wutausbruch führte, auch Nicht-Fußballfans bekannt. Aber nachdem Hartmann sich öffentlich beklagt hatte, dass er nicht mehr so oft wie bisher zum Einsatz kommen soll, hat ihm sein Arbeitgeber die rote Karte gezeigt. „In der Zusammenarbeit mit Waldemar Hartmann haben sich in letzter Zeit so viele Spannungen aufgebaut, dass wir Zeit für kollegiale Gespräche brauchen“, teilte Programmdirektor Günter Struve mit. Von Suspendierung, wie es die AZ nannte, will das Erste aber nicht sprechen. Struve gab sich sicher, „dass wir nach den notwendigen Klärungen die Zusammenarbeit mit ihm professionell und vertrauensvoll fortsetzen können.“ Thomas Gruber, Intendant des Bayerischen Rundfunks, formuliert das so: „Was im aktiven Spielbetrieb ein bewährtes Verfahren ist, wenden wir jetzt bei Waldemar Hartmann an. Er hat überzogen und deswegen jetzt die Chance, auf der Ersatzbank nachzudenken.“ Was war geschehen? ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf hatte vergangene Woche bei der Sportschau-Präsentation angekündigt, nicht mehr jedes Wochenende ein „Topspiel“ mit einem Moderator vor Ort zu besetzen – wie mit Hartmann in der vergangenen Saison. Der fühlte sich „demontiert“ und ließ das die Öffentlichkeit in diversen Interviews wissen.“

Letzte Ruhestätte Stadion – England ist mit seinem Fankult aufgeschlossener

„Steht auf, wenn ihr Schalker seid!“, ruft Julia Grosse (Spiegel Online): „Nicht etwa auf den Rängen ist es eng. Das Stadion wird gerade um weitere 300 Sitze auf fast 40.500 Plätze erweitert. Vielmehr musste das Management des Clubs mitteilen, dass ab sofort nicht mehr die Asche verstorbener Fans in Urnen am Spielfeldrand des heiligen Rasens begraben werden kann. 800 treue Anhänger der „Blues“ hatten sich seit 1989 dafür entschieden, das sind über 50 Beisetzungen pro Jahr. „Wir haben es immer als große Ehre empfunden, wenn die Leute unser Stadion als den Ort ihrer letzten Ruhe gewählt haben“, sagt Evertons PR-Chef Ian Ross. Die erste Grabstelle befindet sich beim FC Everton am begehrten Spielertunnel. „Seitdem haben wir uns buchstäblich einmal um das ganze Spielfeld gearbeitet. Jetzt ist uns schlichtweg der Platz ausgegangen“, bedauert Ross. Wirklich erklären kann er sich die große Nachfrage nicht. „Wir sind ein familiärer Club und nehmen die Wünsche unserer Fans sehr ernst. Vielleicht ist das das Geheimnis.“ Die meisten Vereine der englischen Premier League bieten den besonderen Bestattungsservice offiziell nicht an, doch auf spezielle Anfrage ist es auch dort möglich. (…) Auch hier zu Lande träumen viele Fans davon, auf dem Platz ihres Vereins beerdigt zu werden. „Doch nach deutschen Bestattungsgesetzen wäre das nie möglich. England ist da mit seinem Fankult ein wenig aufgeschlossener“, sagt Hans-Joachim Dohm, Pfarrer auf Schalke. Dohm hat in seiner Amtszeit schon von einigen 04-Fans gehört, die sich damals noch im alten Parkstadion beerdigen lassen wollten. „Ganz selten gibt es schon einmal Beerdigungen von Fans mit Sarg in den Schalker Farben oder Fan-Utensilien statt Blumen. Mehr jedoch nicht“, sagt Dohm.“

Allgemein

Neben vielen guten Momenten auch launische Phasen

Schalke 04-Slovan Liberec 2:1

Christoph Biermann (SZ 12.8.): „Es muss die Hölle sein, mit diesem Mann zusammen spielen zu müssen. 31 Jahre alt ist er, doch auf dem Rasen verwandelt er sich in einen Dreijährigen, der ständig „alles meins“ ruft und sofort bockig wird, wenn er es nicht bekommt. „Ailton will jeden Ball haben“, sagte sein brasilianischer Landsmann Lincoln. Dann rollte er mit den Augen, als hätte er eine verdammt schwere Zeit hinter sich. Gegen Slovan Liberec hatte es der Mittelfeldspieler nämlich gewagt, den ersten Pass in die Spitze nicht auf Ailton sondern auf Gerald Asamoah zu spielen. Schon musste Lincoln sich das Gequengel des Stürmers anhören. „Ich habe zu ihm gesagt: Bleib mal ruhig, der eine Ball kommt schon noch““, erzählte Lincoln. Zum Glück für ihn blieb das kein leeres Versprechen. Das erste Tor schoss Ailton, die Hereingabe kam von Lincoln. (…) Wenn man dem Manager in der letzten Zeit zugehört hat, entstand sowieso der Eindruck, dass er nicht nur durch seinen Umzug von der Trainerbank auf die Tribüne größere Distanz zur Mannschaft geschaffen hat. Nach den finanziellen Anstrengungen des Klubs will er jetzt die erwünschten Resultate sehen. „Wir reden heute nicht über Geld, sondern über Sport“, sagte Assauer. Dass die Qualifikation für den Uefa-Cup und darüber hinaus das Erreichen der Gruppenspiele jedoch dringend notwendig ist, liegt auf der Hand. 102,8 Millionen Euro Verbindlichkeiten, ein Umsatz-Rückgang von 118 auf 93 Millionen Euro und ein Minus von 19 Millionen Euro im angelaufenen Geschäftsjahr belegen das. Auf der Jahreshauptversammlung Ende Juni hatte Finanzchef Josef Schnusenberg der Mannschaft mitgeteilt: „Ihr könnt am ehesten dazu beitragen, dass wir wieder schwarze Zahlen schreiben.“ Dass sie dazu generell auf dem richtigen Weg ist, war im Spiel gegen Liberec trotz des unbefriedigenden Ergebnisses nicht zu übersehen. Dennoch ist das neue Schalke erst im Rohbau zu sehen. So launig Lincoln auch über den kindlichen Eigensinn von Ailton zu erzählen wusste, wird mitunter zu häufig auf den Angreifer gestarrt. Zudem gab es neben vielen guten Momenten auch launische Phasen, in denen das Team entweder zu verspielt oder zu statisch auftrat. Am Schalker Innenausbau wird Heynckes noch zu werkeln haben.“

Bundesliga

Sie werden bei Bayer 04 den mächtig breiten Schatten von Reiner Calmund so rasch nicht los

Wolfgang Hettfleisch (FR 12.8.) analysiert den Konflikt um Reiner Calmund: „Manches spricht dafür, dass sich da einer um seine Rolle in den Fußball-Geschichtsbüchern sorgt. Als das Nachrichtenmagazin Der Spiegel jüngst die Ära Calmund als chaotische Zeit beschrieb und die seltsamen Modalitäten der über ein Schweizer Nummernkonto abgewickelten Transferzahlungen für Marco Babic und Jurica Vranjes offenlegte, muss Calmund alarmiert gewesen sein. Zwar attestierte ausgerechnet Holzhäuser prompt, dass alle Zahlungen ordnungsgemäß abgewickelt worden seien. Doch beantwortet das nicht die Frage, warum zwei Verträge mit unterschiedlichen Transfersummen (6 und 13,75 Millionen Mark) existieren – was Calmund dem plötzlichen Auftauchen eines konkurrierenden Bieters (Juventus Turin) zuschreibt. Nur vier Tage nach Unterzeichnung des ersten Vertrags war Calmund im November 1999 ein zweites Mal nach Zagreb gereist, um zusammen mit dem Präsidenten des kroatischen Clubs NK Osijek, Antun Novalic, den neuen Vertrag aufzusetzen, der Bayer Leverkusen zusätzliche sieben Millionen Mark kostete. Das Geld wurde nicht nach Kroatien, sondern auf ein Nummernkonto der Credit Suisse überwiesen. Dafür, dass sich Calmunds kroatischer Geschäftspartner, der seit mehr als einem Jahr in U-Haft sitzt, weil er Transfergelder veruntreut haben soll, dort privat bediente, spricht alles. Dafür, dass Calmund partizipierte oder gar selbst Zugriff aufs Schweizer Konto hatte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Gleichwohl muss sich Reiner Calmund um sein Ansehen gesorgt und sogleich auf die Suche nach dem Spiegel-Informanten gemacht haben. Der Verdacht fiel so selbstverständlich auf Wolfgang Holzhäuser, dass der zur eigenen Verteidigung zu einem höchst ungewöhnlichen Mittel griff: Er nannte im Fachblatt Kicker den gern für seine Verschwiegenheit gepriesenen DFL-Geschäftsführer Wilfried Straub als mögliche Quelle des Gerüchts, er, Holzhäuser, habe die Insider-Informationen ans Hamburger Magazin weitergegeben. Den mächtigen Straub als Klatschbase bloßzustellen, ist weder ratsam, noch passt es zu einem klugen Kopf wie Holzhäuser. Der Ex-Handballer steht für betriebswirtschaftliche Nüchternheit und exekutiert bei Bayer 04 konsequent den vom Geldgeber verordneten Sparkurs. Dass sich damit in der Öffentlichkeit schwerer punkten lässt als mit der großzügigen Einkaufspolitik des Vorgängers, liegt auf der Hand. Und auch dass Holzhäuser nicht über die mediale Wirkung des rheinischen Metaphern-Fabrikanten verfügt, ist evident. Wenn Bayer-Sprecher Uli Dost mit den Worten „Nu is joot“ zu verstehen gibt, das Thema Calmund sei doch nun wirklich durch, so drückt sich darin vor allem eines aus: Ratlosigkeit angesichts der ungemütlichen Erkenntnis, dass der umtriebige Privatier im Hintergrund noch immer Strippen zieht, wenn ihm der Sinn danach steht. Ob sie wollen oder nicht, sie werden bei Bayer 04 den mächtig breiten Schatten von Reiner Calmund so rasch nicht los.“

Mittwoch, 11. August 2004

Allgemein

Ein Brasilianer in Berlin

Gilberto, ein Brasilianer in Berlin, aber keine Diva (BLZ) – Recoba und Inter Mailand, eine komplizierte Liebesgeschichte (NZZ)

Zuverlässigkeit und Kontinuität in seinen Leistungen

Gilberto, ein Brasilianer in Berlin – und keine Diva. Michael Jahn (BLZ 11.8.): „Ob Alex Alves, der exzentrische Stürmer aus Brasilien, am zurückliegenden Wochenende schon am Vormittag seinen Fernsehapparat eingeschaltet hatte, um eine Fußballübertragung aus der Bundesliga zu sehen, ist nicht bekannt geworden. Jedenfalls war um 10.30 Uhr Ortszeit in Rio de Janeiro das Spiel zwischen Hertha BSC und dem VfL Bochum live zu empfangen, weil bei Berlins Bundesligisten mit Marcelinho und Gilberto wieder gleich zwei bekannte Brasilianer unter Vertrag stehen. Alves, einst der erste Brasilianer in Diensten von Hertha BSC – und mit 7,77 Millionen Euro Ablöse noch immer der teuerste –, lebt inzwischen in Rio und stürmt für den Traditionsklub Vasco da Gama. Dort pflegt er, wie schon in Berlin, weiter sein Image als Exzentriker. Mal ist er viel zu schwer, mal macht er ein sehr gutes Spiel, mal steht er nur faul auf dem Platz herum, heißt es aus Brasilien. Alves (81 Spiele für Hertha/25 Tore) gilt als der Gegenentwurf zu seinem Landsmann Gilberto da Silva Melo, der seit dem 1. Juli diesen Jahres beim Hauptstadtklub unter Vertrag steht und sogar bis Sommer 2008 unterschrieben hat. Alves, der an guten Tagen als begnadeter Angreifer auffiel, war von Hertha BSC nie zu integrieren und wollte das offenbar auch nicht. Seine zahlreichen Eskapaden sind Legende. Die vorzeitige Trennung war die Folge. Ganz anders Gilberto. Der 28-Jährige, der bislang zweimal international für Brasilien spielte, traf nicht nur in seinem ersten Bundesligaspiel zur 1:0-Führung von Hertha gegen Bochum, er bemüht sich auch jeden Tag, seine Mitspieler und seinen Verein besser kennen zu lernen. „Gilberto“, sagt jetzt schon Trainer Falko Götz, „ist der Brasilianer, der sich am schnellsten in Berlin eingelebt hat“. Das gilt für den Profi auf dem Platz und den Menschen Gilberto außerhalb des Fußballs. In seiner Heimat wundert man sich nicht über die jüngsten positiven Nachrichten, die über den Linksfuss aus Deutschland über den Atlantik schwappen. In Brasilien steht sein Name vor allem für Zuverlässigkeit und Kontinuität in seinen Leistungen, eigentlich Eigenschaften, die man häufig deutschen Profis zugeordnet hatte.“

Gegen grosse Gegner macht er sich klein

Peter Hartmann (NZZ 11.8.) erzählt die schwierige Liebesgeschichte zwischen Recoba und Inter Mailand, heute Gegner des FC Basel: „Das Video aus Montevideo, das sich Inter-Präsident Massimo Moratti vor sieben Jahren abspielen liess, war eine hinreissende Abfolge von Tricks, Toren und Triumphgebärden. Es war der Beginn einer Art Liebesgeschichte. Der schlitzohrige Kerl, der diesen Ballzauber aufführte, war besser als Maradona, aber es handelte sich um einen Unbekannten namens Alvaro Recoba, und Moratti verfiel diesen Trugbildern augenblicklich. In der schienbeinharten Wirklichkeit der Serie A stellte sich bald heraus, dass Recoba nicht der neue Maradona war, sondern eine dünkelhafte, laufscheue Primadonna aus Uruguay, wie sie auch in Zürich bekannt ist, wo sie Riccardo Nuñez heisst. Im ersten Spiel gegen Brescia kam Recoba in der 71. Minute auf den Platz und stahl mit zwei Treffern dem grossen Ronaldo die Show. Dann vergass ihn Trainer Simoni, der den narzisstischen Schlafwandler nicht mochte wie fast alle Trainer, die je mit ihm zu tun hatten, ein halbes Jahr auf der Bank. Als „El Chino“, der Mandeläugige, wiederkehrte, schlenzte er aus 60 Metern mit links eine Parabel ins Tor von Modena, die als Goal des Jahres weltweit über die Bildschirme flimmerte. Nach zwei Jahren wurde Recoba nach Venedig in die Verbannung geschickt, weil Inter den Job des Kreativen vorübergehend an Roberto Baggio übertragen hatte. Im Sommer 2000 drängte der Hofstaat der Berater und Einflüsterer den wankelmütigen Präsidenten zum Rauswurf des „Chinesen“, aber Moratti schenkte seinem Günstling den besten Vertrag, den je ein Kicker in Italien erhalten hat: 100 Milliarden alte Lire, 80 Millionen Franken für die sechs Jahre bis 2006, 13 Millionen brutto pro Saison. Aber den Penalty gegen die Halbamateure von Helsingborg brachte Recoba nicht am Torhüter vorbei, Inter fiel aus der Champions League. Der zornbebende Trainer Lippi (heute Italiens Nationalcoach) warf die Türe hinter sich zu und ging zurück zu Juventus. (…) Recoba hat kaum je ein bedeutendes Spiel entschieden, gegen grosse Gegner macht er sich klein.“

Interview

Wir hatten das falsche Vorbild

Markus Hesselmann & Markus Huber (TspaS 8.8.) plaudern mit Hans Krankl

TspaS: Länderspiele gewinnt Österreich zurzeit nicht viele. Sie stecken in der Krise wie der deutsche Fußball.
HK: Das liegt daran, dass wir uns in den letzten 25 Jahren nur an Deutschland, an unserem großen Bruder, orientiert haben. In der Fußballausbildung, in der Trainerausbildung, im Training. Das war falsch, weil auch Deutschland falsch lag. Es ging nur noch um Kraft, um Kondition. Dabei haben wir die Technik und die Schnelligkeit ganz vergessen. Genau das, exzellente Technik bei größter Schnelligkeit, zeichnet aber die großen Spieler aus – einen Zidane, van Nistelrooy oder Thierry Henry. Das haben sie in Deutschland verschlafen, und wir haben es mitverschlafen. Weil wir das falsche Vorbild hatten.
TspaS: Österreich hatte mal eine Fußballschule, die gerade für ihre Technik bekannt war.
HK: Wir haben uns einfach wirklich immer nur an den Deutschen gemessen. Schon als Spieler haben mir meine Trainer immer gesagt: Wir Österreicher sind die besseren Kicker, und wenn wir auch so rennen und kämpfen könnten wie die Piefkes, dann würden wir sie immer schlagen. Aber das ist ein handfester Blödsinn. Erstens können wir Österreicher kämpfen, und zweitens hatten auch die Deutschen großartige Fußballer.
TspaS: Rudi Völler zum Beispiel?
HK: Zum Beispiel Rudi Völler.
TspaS: Genau wie Sie wurde er als Nationalheld auch Teamchef. Haben es Weltklassefußballer als Trainer eigentlich leichter?
HK: Leute wie wir werden vor allem aus einem Grund geholt, weil man sich Impulse erhofft und uns einen notwendigen Umbau einer Mannschaft leichter zutraut. Wir haben in der Öffentlichkeit mehr Rechte oder können zumindest länger arbeiten, bevor wir kritisiert werden.
TspaS: Aber gerade als Nationalheiliger können Sie umso tiefer fallen. Warum tun Sie sich das an?
HK: Für einen österreichischen Spieler habe ich alles erreicht. Aber als Trainer? Da habe ich gar nix erreicht, und genau deswegen habe ich da auch noch einen hohen Ehrgeiz. Ich bin jetzt 15 Jahre Trainer und habe mit vier großen Vereinen gearbeitet – Tirol, Salzburg, Rapid Wien und Admira Mödling – Meister war ich nie. Genau das halten mir auch meine Kritiker vor: Dass ich als ehemaliger Weltklassefußballer kein Weltklassetrainer bin. Aber was ist das schon, ein Weltklassetrainer? Wenn ich jetzt bei Barca, Arsenal oder Chelsea wäre – okay, sie würden mich nicht nehmen… Aber mit diesen Mannschaften könnte ich auch Erfolg haben. Binnen sechs Monaten würde ich als einer der besten Trainer Europas gelten. Außer ich bin ein ganzer Trottel, der ich aber nicht bin. Einem Thierry Henry bei Arsenal werde ich nicht das Fußballspielen beibringen, das muss ich auch nicht, aber ich halte ihn bei Laune. Und dann spielt der wie von selbst.
TspaS: Ist es denn die Hauptaufgabe eines Trainers, die Spieler bei Laune zu halten?
HK: Natürlich muss ich denen die taktischen Aufgaben mitgeben. Was passiert, wenn wir den Ball verlieren? Natürlich muss man den Spielern ein Konzept mitgeben. Aber bei so einem großen Kader einer Supermannschaft ist es wichtig, die Spieler zu motivieren.
TspaS: Der Schmäh also, wieder mal. Man muss den Schmäh laufen lassen, dann läuft es auch auf dem Platz?
HK: Ich nenne Ihnen ein Beispiel, damit das verständlich wird. Als ich bei Fortuna Köln zum ersten Training gekommen bin, sind alle Spieler beim Corner zusammengestanden und haben sich nicht gerührt. Keiner hat einen Ball angegriffen. Ich habe gedacht: Gut, okay, wenn ein neuer Trainer kommt, ist das vielleicht so. Aber sie standen einfach da und haben kein Wort geredet. Erst als ich gepfiffen habe, sind sie hergekommen. Das ist kein Spaß. Das ist Ernst. Ich habe dann gesagt: „Hallo meine Herren, ist etwas passiert? Ist wer gestorben?“ Sie haben mich nicht verstanden, weil ich sofort in den Wiener Dialekt verfallen bin. Ich also nochmal: „Ist ir-gend-wer ge-stor-ben? Weil Ihr alle so traurig seid’s.“ Verstehen Sie mich? Fußball ist so ernst. Beim Fußball wird man so geprügelt. Fußball ist so ein Geschäft geworden. Es stehen alle so unter Stress. Selbst wenn ich heute mit der österreichischen Nationalmannschaft nicht gewinne, bin ich ein Arsch. Und wenn wir gewinnen, bin ich ein Hero. Trotzdem sind alle Beteiligten Menschen. Sie müssen Spaß haben. Dann können sie Leistung bringen.

Internationaler Fußball

Blödsinn, und nichts als Blödsinn

Markus Huber (Tsp 11.8.) prüft Resonanz und Reichweite seines Interviews mit Hans Krankl, Nationaltrainer Österreichs: „Soll noch einer sagen, Fußballtrainer haben es leicht. Stimmt nicht. Hans Krankl, Trainer des österreichischen Nationalteams und als solcher kommenden Mittwoch erster Gegner von Jürgen Klinsmann, hat es schwer. Am Sonntag hat er dem Tagesspiegel gesagt, der österreichische Fußball habe sich viel zu lange auf das deutsche Vorbild ausgerichtet. Er selbst, Krankl, habe als Trainer noch nichts erreicht, wenn er aber Trainer bei Barcelona, Arsenal oder Chelsea wäre… Mit diesen Teams würde jeder Trainer, „wenn er kein ganzer Trottel ist“, Erfolg haben. Nun toben Österreichs Fans. In einer Abstimmung im Internet sagen 72 Prozent, Krankls Aussage sei „Blödsinn, und nichts als Blödsinn“. Viele forderten seinen Rücktritt, weil „Krankl, wenn schon kein ganzer, so zumindest ein halber Trottel ist“. Ein anderer Fan fleht, dass uns „die Deutschen ordentlich panieren, damit sich der Krankl endlich schleicht und wir einen ordentlichen Teamchef bekommen“. Vorschläge über einen Nachfolger gibt es schon. Aktueller Wunschkandidat: Kurt Jara.“

Daniel Kaiser (FAZ 11.8.) berichtet Korruption in Tschechien: „Der Korruptionsskandal des tschechischen Fußballs bringt den Spielbetrieb der ersten Liga in Schwierigkeiten. Nach jüngsten Ermittlungen und Beschuldigungen hat der Tschechische Fußballverband (CMFS) nun insgesamt zwanzig seiner erstklassigen Schiedsrichter suspendiert. Am Wochenende mußten Unparteiische aus der zweiten Liga einspringen, was in einigen Fällen für erhebliche Kritik sorgte. Nun ist zu hören, der Verband wolle die Verbände von Österreich und Deutschland kurzfristig um Hilfe bitten. (…) Die Säuberungswelle im tschechischen Fußball wäre ein gutes Zeichen, wenn sie für eine generelle, durch alle Lebensbereiche gehende Korruptionsbekämpfung stünde. Doch die Spitzenfunktionäre des CMFS, die nun sanktionieren, sind diejenigen, die jahrelang jeden Verdacht auf Korruption im Fußball bagatellisiert haben, gern mit der Empfehlung verbunden, sich doch direkt bei der Polizei zu melden, aber bitte sehr mit handfesten Beweisen. Der CMFS denkt offensichtlich, mit der Suspendierung der Schiedsrichter alles Erforderliche getan zu haben.“

Champions League

Wir haben etwas gutzumachen

„Bayer hat in Europa etwas gutzumachen“, schreibt Richard Leipold (FAZ 11.8.): “Nach siebzehn Monaten ohne Europapokal steht die Leverkusener Mannschaft nicht nur der Finanzen wegen in der Pflicht; die Qualifikation ermöglichte der Bayer 04 Fußball Leverkusen GmbH einen zweistelligen Millionenumsatz in Euro, der bei Überstehen der Gruppenspiele dynamisch wachsen würde. Aber es geht auch ums Prestige. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser sieht die Chance, durch ein Weiterkommen gegen Ostrau das Renommee der Fußballmarke Bayer 04 wieder auf das Maß früherer Jahre zu steigern. „Wir haben etwas gutzumachen, bei unserem letzten Auftritt haben wir keinen guten Eindruck hinterlassen.“ Nicht nur Holzhäuser erinnert sich mit Grausen an die rufschädigenden Leistungen der Mannschaft vor zwei Jahren. In der Bundesliga tief gefallen und in höchster Abstiegsgefahr, hatte Bayer in der zu jener Zeit noch ausgetragenen zweiten Gruppenrunde ein jämmerliches Bild abgegeben. Die Leverkusener verloren alle sechs Spiele; spätestens als sie den Einzug ins Viertelfinale rechnerisch verpaßt hatten, schonten sie ihre Kräfte für den Abstiegskampf – und machten nicht gerade Werbung für den wichtigsten kontinentalen Wettbewerb, den sie inzwischen wieder voller Stolz in Angriff nehmen. Vor zwei Jahren, als Bayer in sportliche Turbulenzen geriet, die fast zum Absturz geführt hätten, begann auch der Stern Reiner Calmunds zu sinken, der als Leverkusener Urgestein untrennbar mit Bayer 04 verbunden schien und den Klub nicht nur nach den Maßstäben des nüchternen Pragmatikers Holzhäuser allzu selbstherrlich führte. Als eine Art komödiantisches Vorprogramm zum Ernstfall Champions-League-Qualifikation führen Bayers nunmehr alleiniger Fußballgeschäftsführer und sein früherer Kompagnon Calmund seit ein paar Tagen ein Zweipersonenstück auf. Holzhäuser bekundete in mehreren Interviews, wie froh er sei, daß sein Kollege zurückgetreten sei. „Reiner Calmund jetzt hier zu haben wäre kontraproduktiv“. Holzhäuser gefällt es nicht, daß der einstige Manager noch gelegentlich auf der Geschäftsstelle vorbeischaut und dort offenbar in seiner bekannten Art Mitarbeiter, zuweilen auch Journalisten unterhält.““

Calmund wäre nicht der erste einflussreiche Mann, der die Angst vor einem Bedeutungsverlust spürt

Christoph Biermann (SZ 11.8.) befasst sich mit dem Konflikt zwischen Holzhäuser und Calmund: „Anstatt über die sportlichen Aussichten im Hinspiel zu debattieren, wird der Klub derzeit sein Gespenst Calmund nicht los. Daher will Holzhäuser die Diskussion durch Schweigen trocken legen. „Wir haben genug dazu gesagt, das ist jetzt ein Cut“, sagt er, „seit Samstag um 17.17 Uhr hat die Neuzeit begonnen.“ Am Samstag um 17.17 Uhr war in der BayArena das erste Spiel der neuen Saison abgepfiffen worden, das mit einer würdevollen Verabschiedung des ehemaligen Managers begonnen hatte. Als Holzhäuser dabei Calmund ein Luxushandy überreichte, war er ausgepfiffen worden. Nicht gellend zwar, aber unüberhörbar. Da dürfte ihm klar geworden sein, dass um Calmund eine Art Dolchstoßlegende entstanden ist. Zwar hat Calmund „hundertmal gesagt, dass der Holzi mit meinem Rücktritt nichts zu tun hat“, andererseits ließ er Gelegenheiten zu kleinen Sticheleien nicht aus. In einer Talk-Sendung des DSF etwa verriet er, dass es in Leverkusen „einen 1A- und einen 1B-Geschäftsführer“ gegeben habe. Was beim Publikum das Gefühl zurückließ, dass 1A-Calmund von 1B-Holzhäuser aus dem Amt gedrängt worden ist. Holzhäuser hielt sich ebenfalls nicht nur vornehm zurück. Im Kölner Stadt-Anzeiger sagte er: „Ich bin froh, dass Calmund nicht da ist.“ Wer das im Zusammenhang genauer las, konnte zwar erkennen, dass er seinen ehemaligen Kollegen nicht einfach abgewatscht hat. Selbst Calmund findet, dass „er mir nicht unter die Hose schießen wollte“. Doch das Publikum bekam offenbar einen anderen Eindruck. Zumal am Wochenende auch noch die Debatte entstand, wie häufig der ehemalige Manager denn nun an seinem alten Arbeitsplatz auftauchen dürfe. Bild schlug sich gestern pathetisch auf seine Seite: „Holzhäuser mag Calmund aus der BayArena verdrängen – jedoch nicht aus der Vereinsgeschichte und der Seele der Fans“ (…) Sein Leben kreiste 27 Jahre lang nur um Bayer Leverkusen, und er liebte es, „die Pickelhaube aufzusetzen“ und im Pulverdampf „die asoziale Nummer auszupacken“. Calmund wäre nicht der erste einflussreiche Mann, der die Angst vor einem Bedeutungsverlust spürt. Weil Calmund auch noch in Aussicht stellt, irgendwo wieder eine Aufgabe in der Bundesliga zu übernehmen („Wenn auch nicht auf Kommandostelle eins“), wird er sich demnächst mit allerlei Gerüchten die Zeit vertreiben dürfen. Am Montag dementierte als erster Klub der VfL Wolfsburg, dass Calmund dort eine Rolle einnehmen werde.“

Champions-League-Qualifikation gestern und heute NZZ

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